9. Jubelfest.

[95] Dieses Fest wurde vom Papst Bonifacius VIII. im Jahre 1300 eingesetzt und auch gefeiert. Er ließ, ehe das Jubelfest anging, eine Bulle ergehen, worin er der Christenheit bekannt [95] machte, daß alle diejenigen, welche in diesem Jahre (1300) die Kirchen der Apostel Petri und Pauli besuchen, ihre Sünden wahrhaftig bereuen und daselbst beichten würden, einen vollkommenen Ablaß, und sogar Nachlaß der Sünden erlangen sollten. Dies sollte für das ganze Jahr gültig seyn, und alle 100 Jahr erneuert werden. Der Zufluß von Menschen, die nach Rom gingen, um dieses Fest zu feiern, war ausserordentlich. Eine erstaunliche Geldsumme kam nach Rom, und in die päpstliche Schatzkammer. Den folgenden Päpsten dauerte die Zeit von 100 Jahren etwas zu lange, und Clemens VI. setzte das Jubelfest Anno 1350 auf 50 Jahr herab, und berief sich deswegen in der Bulle, die er deshalb ergehen ließ, auf das jüdische Jubeljahr, welches auch alle 50 Jahr sey gefeiert worden. Urban VI. setzte es aus 33 Jahr unter dem Vorwande, Christus habe nur 33 Jahr auf Erden gelebt. Auf je weniger Jahre das Jubelfest herabgesetzt wurde, je kleiner wurde die Anzahl von Menschen, die es besuchten. Papst Sixtus IV. verordnete endlich im Jahre 1475, [96] daß das Jubelfest alle 25 Jahre gefeiert werden sollte, wobei es bis jetzt auch geblieben ist. Dieses Fest dauert das ganze Jahr hindurch, welches das heilige Jahr genannt wird. Am heiligen Abend vor Weihnachten begiebt sich der Papst mit einem ansehnlichen Gefolge nach der St. Peterskirche auf den Vatikan, und tritt vor die Pforte desselben, welche die heilige heißt, und die letzte zur linken Hand an der Vorderseite der Kirche ist. Da diese zugemauert ist, so klopft er nach einem feierlichen Gesange dreimal daran, worauf denn die Mauer auf einmal nieder gerissen, und der Schutt vom Volke weggetragen wird. Nun geht der Papst mit seiner Begleitung durch die eröffnete Pforte, nach dem Altare der heiligen Apostel und stimmt eine feierliche Vesper an. Drei Kardinäle verrichten in drei andern Kirchen, nemlich in der Lateranerkirche, in der Kirche S. Pauli extra muros, und in der Kirche Mariae majoris, die nehmliche Ceremonie, wozu ihnen der Papst beim Austritte aus seinem Pallaste eine schriftliche Vollmacht, die er mit seinem Seegen begleitet, ertheilt. Nach Verlauf des Jahres [97] wird diese Pforte an demselben Tage unter den nehmlichen Ceremonien wieder zugemauert. Der Papst begiebt sich wieder mit einem großen Gefolge dahin, hält eine feierliche Vesper, und legt, nach einigen gethanen Gebeten, die sechs ersten Steine in die Pforte, indem ihm einige Kardinäle die Ziegeln und den Kalk in silbernen Becken reichen. Nun mauern einige dazu bestellte Maurer die Pforte zu. Wenn sie halb zugemauert ist, tritt der Papst nochmals hinzu, und legt eine Anzahl Denkmünzen von verschiedenen Metallen hinein, worauf sie vollends zugemauert, und nicht eher, als das nächste Jubelfest wieder eröffnet wird. Während dieses heiligen Jahres strömt eine Menge Menschen, beiderlei Geschlechts, in großen Schaaren nach Rom, um die heiligen Kirchen zu besuchen, und den Ablaß zu erhalten. Man sieht manchen Tag Prozessionen von 1000 Manns- und 600 Frauenspersonen, mit mancherlei Fahnen, in schöner Ordnung nach den Kirchen ziehen. Sowohl Manns- als Frauenspersonen sind wie Pilgrimme gekleidet, und tragen einen Pilgerstab in der Hand. Die Männer [98] sind grau gekleidet, mit bloßem Haupte, tragen einen Pilgerhut auf dem Rücken und Sohlen unter den Füßen; die Weiber sind weiß gekleidet und tragen einen Schleier über das Gesicht.

Anfänglich durfte man nur die Peterskirche besuchen, und seine Andacht in derselben verrichten. Jetzt aber müssen alle sieben sogenannte Hauptkirchen besucht werden.

Die Protestanten haben auch alle 100 Jahre ein Jubelfest zum Andenken der Reformation im Jahre 1617 und 1717 gefeiert. Im Jahre 1630 und 1730 feierten sie ein Jubelfest zum Andenken der Uebergabe der augsburgischen Confession.

Die Veranlassung, alle 100 Jahre ein Jubelfest zu feiern, mögen die Secularspiele der Römer gegeben haben, welche anfänglich alle 100 Jahre gefeiert wurden.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 95-99.
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