Mahlzeiten der Abyssinier.

[205] Abyssinien oder Habeseh ist ein weitläuftiges, größtentheils gebirgigtes Land in Afrika, unter dem 10ten Grade nördlicher Breite. Die Einwohner dieses Landes sind ein rohes, grausames Volk, wovon schon die Mahlzeiten einen hinlänglichen Beweis geben. Sie begnügen sich nicht, das Fleisch roh zu genießen, sondern schneiden dasselbe lebenden Thieren stückweise vom Leibe, und zerreißen es mit den Zähnen, so lange es noch warm ist, und die Fiebern sich noch bewegen. [205] Das Fleisch eines getödteten Thiers wird von ihnen für ganz unschmackhaft gehalten. Der geschickteste Schlächter ist daher in ihren Augen derjenige, der die abscheuliche Kunst versteht, die meisten Stücke von einem Thiere zu schneiden, ehe es seines Lebens beraubt ist. Und es gehört in der That bei dieser Verrichtung kein kleiner Grad von Aufmerksamkeit und Genauigkeit dazu, die großen Blutgefäße und alle die Theile zu vermeiden, deren Zerstörung den Tod bald nach sich zieht.

Eine Gesellschaft Abyssinier essen zu sehen, – ist ein Grausen erregender Anblick. Sie sitzen da, jeder mit einem Kuchen von Semmelmehl auf der Hand. Lebendige Thiere werden vor die Thür geführt, und der unmenschliche Schlächter schneidet Bissen von ihnen herunter, welche sogleich der Gesellschaft überbracht werden. Diese legen die Stücken auf ihre Kuchen, und schlingen sie auf der Stelle gierig auf, – ganz gebadet in rauchendem Blute der unglücklichen Thiere, deren, [206] durch die heftigste Angst ausgepreßtes, Brüllen und Stöhnen diesen Unmenschen statt Tafelmusik dient!

Leser! schätzt euch glücklich, eine Religion zu verehren, die ihren Bekennern auch Achtung gegen die thierische Schöpfung zur Pflicht macht!

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 205-207.
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