Narren- und Eselsfeste der Vorzeit.

[230] Die Narren- und Eselsfeste waren bloß der allgemeinen Volksfreude, oder der kurzweiligen [230] Unterhaltung von ganzen Ständen gewidmet, an keine Ordensregeln gebunden und daher bald der Gegenstand der Ausgelassenheit und Ausschweifung. Du Tilliot begeht daher einen großen Irrthum, wenn er den Geckorden und jene Feste unter Eine Kathegorie wirft. Das erste davon, das Narrenfest, war vor Zeiten eins der größten in Frankreich, welches in allen Haupt- und kleinen Kirchen mit den ärgerlichsten Ausschweifungen gefeiert wurde. Es fiel gerade auf das Fest der Beschneidung, welches damals noch nicht der Neujahrstag war: man fing aber schon vom Stephanstage die löblichen Vorbereitungen dazu an. Gewiß kann nicht leicht etwas die Sitten und den Geist der damaligen Klerisei in ein helleres Licht setzen, als das Ritual dieser Saturnalien. – Zuerst wählten die Priester Einen unter sich zum Narrenbischofe. Sie legten ihm den völligen Bischofsornat an und führten ihn dann mit großem Pompe in die Kirche, wo er mit der Inful auf dem Haupte und dem Krummstabe in der Hand, Messe lesen mußte. Nach der Messe wurde ihm, und zwar in der Kirche selbst, ein großes [231] Gastmal aufgetragen, wobei es denn unter den geistlichen Herren hoch her ging. Sie sangen, tanzten, besoffen und schlugen sich in der Kirche, daß sehr oft das Blut darnach lief. In der Vesper gabs den zweiten nicht minder saubern Akt der Farce. Die niedre Klerisei nämlich besetzte diesen Tag die ersten Plätze im Chore. Wenn es nun in dem Magnifikate an den Versikel kam: deposuit potentes de sede etc. (er hat die Mächtigen von ihrem Sitze gestürzet und die Niedern darauf erhoben), da ging der Lärm aufs neue an. Man wiederholte den Spruch wol funfzehn bis zwanzig Mal mit unsinnigem Geschrei und Händeklatschen, als wenn die Kirche ein Tollhaus gewesen wäre. Nach der Vesper maskirte sich Alles. Der Narrenbischof wurde auf einen Wagen gesetzt, und im Triumphe durch alle Straßen der Stadt geführt. Seine Begleiter sangen dabei die üppigsten und schändlichsten Gassenhauer, und trieben tausend Narrenstreiche, den Pöbel zu amüsiren. Diese ärgerliche Farce war noch unter Karl's des 7ten Regierung in vollem Gange, so viel sich auch der [232] römische Stuhl und rechtschaffne Prälaten Mühe gaben, sie auszurotten.

Ein würdiges Gegenstück dazu ist das Eselsfest, das in dem Geiste jener Zeiten folgendergestalt gefeiert wurde. Man putzte einen Esel herrlich und prächtig aus, setzte eine junge Dirne darauf, und führte diese Gruppe mit großer Zeremonie in die Kirche neben den Altar. Nun sing der Priester, wenn er sich zum Volk umkehrte, statt seines gewöhnlichen Dominus vobiscum aus vollem Halse an zu Yanen, ya! ya! ya! – Diese Eselsfeste erhielten sich bis fast zu Ende des 17ten Jahrhunderts, sogar in Deutschland. Das letzte bekannte war das Palmeselsfest auf dem Nonnenberge in Salzburg. Dieser Nonnenberger Palmesel stand immer unter allen Palmeseln in dem größten Rufe und Ansehn. Der Tag, wo er öffentlich ausgestellt wurde, war ein Freudenfest für Jung und Alt. Man behängte ihn um und um mit Opfern und Heiligthümern, und die frommen Mütter trugen ihre Söhnlein schaarenweise herbei, um sie auf diesem ehrwürdigen [233] Grauthiere reiten zu lassen. Vermuthlich schrieb man diesem Reiten eine heilige Kraft zu. Eine ernstliche Salzburgische Consistorial-Verordnung, vom 23sten Novembr. 1783, machte aber diesem prunkvollen Eselsfeste ein Ende.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 230-234.
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