[Nachwort des Herausgebers]

Der Herausgeber hat nur noch wenige Worte beizufügen.

Anschütz hatte mit 16. Mai 1861 in ungebrochener Kraft sein vierzigjähriges Dienstjubiläum am Hofburgtheater erreicht, als er gegen Weihnacht 1861 von dem ersten bedeutenden Unwohlsein heimgesucht wurde und obgleich er sich auffallend rasch davon erholt hatte, so dürfte doch dieser Anfall als der Vorbote seines Altersleidens anzusehen sein. Noch im Sommer 1863 war er rüstig genug, um eine Ferienreise nach Gmunden, Ischl und Berchtesgaden und daselbst stundenlange Spaziergänge zu unternehmen.[445]

Am 3. November 1863 kam Anschütz vom Regiedienste aus dem Theater mit Fieber nach Hause. Auch diesmal siegte noch seine unverwüstliche Natur. Er konnte am 20. December 1863 als Shrewsbury in »Maria Stuart« wieder die Bühne betreten. Nachdem er noch am 1. Januar 1864 die Episode des Tirolers Peter Mayer in Immermann's »Andreas Hofer« und am 19. März 1864 den Borotin in Grillparzer's »Ahnfrau« gespielt hatte, sollte endlich unter wahrhaft stürmischer Acclamation am 4. Juni 1864 zum letzten Male der Vorhang hinter ihm niederrauschen. Er hatte eine seiner gefeiertsten Schöpfungen, den Musikus Miller in »Cabale und Liebe«, mit wahrer Jünglingsfrische dargestellt.

Aber erst ein Jahr später hatte er mit dem Anwachsen der Krankheitserscheinungen die feste Ueberzeugung gewonnen, daß seine Laufbahn für immer beendet sei.

Anschütz hatte sich während des Sommers 1865 in seinem Garten zu Pötzleinsdorf wieder scheinbar gekräftigt, als die Aerzte mit dem Eintritte des Herbstes das Herannanahen der Katastrophe verkündigten.

Am 2. December mußte er sein Lager suchen, sein Sterbelager. Fieberdelirien verzehrten seine Kräfte. Zwei Tage vor dem Ende wurde er ruhig. Der Kampf war vorüber. Auf eine Handreichung, welche ihm eine Bekannte des Hauses in der letzten Nacht leistete, lispelte er: »Mehr!« Es war das letzte Wort, das den so beredten Lippen entschwebte.

Leise athmete er den Tag über, um am Abend des 29. December 1865 gegen 71/4 Uhr, ohne Zuckung, fast malerisch schön, den letzten Athem auszuhauchen.[446]

Am 1. Januar 1866, um 3 Uhr Nachmittags, fand das Leichenbegängniß statt, welches in den Räumen der lutherischen Kirche versammelte, was die Kunst, die Wissenschaft und die gute Gesellschaft von Bedeutung aufzuweisen hat. Auf dem Friedhofe umstanden Volksmassen die offene Gruft. Wiens populärster Künstler war gestorben, »der alte Anschütz« wurde zur Ruhe bestattet.[447]

Quelle:
Anschütz, Heinrich: Erinnerungen aus dessen Leben und Wirken. Wien 1866, S. 445-448.
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