I

Unser Heim.

[9] 9. Einrichtung im allgemeinen. Das bekannte Wort: »Sage mir, mit wem du umgehst, und ich will dir sagen, wer du bist,« läßt sich bequem und ebenso bezeichnend in ein anderes umsetzen: »Sage mir, wie du wohnst, und ich will dir sagen, wer du bist.« Persönlicher Geschmack, praktischer Sinn, Ordnungsliebe, Reinlichkeit, künstlerische Neigungen – sie alle sprechen zu uns, wenn wir eines anderen Wohnung betreten, und der erste Eindruck des Heims unterrichtet uns noch schneller als die persönliche Bekanntschaft über die Bildung und die Art seines Bewohners. Zwingt uns ein besonderer Umstand, den Handwerker, den Lieferanten, kurzum einen Vertreter der sogenannten »kleinen Leute« in ihrer Wohnung aufzusuchen, so erwarten wir keineswegs, von einem galonnierten Diener über prächtige Teppiche in einen Salon geführt zu werden; im Gegenteil, treffen wir auf übertriebenen, aufdringlichen Luxus, so wird unser Mißtrauen sofort erweckt und wir fragen uns – ob mit Recht oder Unrecht – »lebt der Mann nicht über seine Verhältnisse? »Wie oft drängt sich uns heutzutage nicht diese Frage auf, und jeder, der Wert darauf legen muß, von Nebenmenschen, Kunden oder Vorgesetzten richtig beurteilt zu werden – und ganz unabhängig ist in dieser Beziehung wohl niemand von uns – sollte bei seiner Einrichtung, ja, bei der Anschaffung jedes neuen Möbels sich fragen: »Paßt dieser Schrank oder dieser Tisch in den Rahmen meiner Behausung? Womit natürlich nicht gesagt sein soll, daß ein einmal gewählter Stil streng durchgeführt wird, was auf die Dauer immer ermüdend wirkt – nein, nur soll das Einzelne sich dem Ganzen einfügen und nicht unangenehm auffallen. Oeffnet uns bei einem Handwerker die Frau selbst die Thür, hört freundlich unsere Wünsche an, giebt ruhig und genau Bescheid oder führt uns mit einfacher Bitte ins Zimmer, so berührt uns der Empfang angenehm. Ein Blick über die Kleidung der Frau, über die Einrichtung und Ordnung des Zimmers, über das Benehmen und Aussehen der darin spielenden Kinder wird uns bald darüber Auskunft geben, ob wir es mit soliden, verständigen Leuten, unzuverlässigen, unsaubern oder gar Mißtrauen erweckenden, unsicheren Menschen zu thun haben. Natürlich fälle man kein voreiliges, hartes Urteil. Besondersschleunige Arbeit, Krankheit oder sonst ein Mißgeschick können auch einmal den geregeltesten Hausstand aus dem Geleise stürzen. An kleinen Merkmalen wird man aber doch sehen, welcher Geist diese Räume beherrscht; sei es, daß sich die Thür plötzlich öffnet und man aus der peinlich sauberen, aber mit muffiger, eingeschlossener Luft erfüllten »besten Stube« in den wirklichen Wohnraum sieht, und daß man aus der Kleidung der Frau, die auch bei harter Arbeit noch tüchtig sein kann, einen Schluß auf ihre Ordnungsliebe ziehen darf. Das Kritisieren ist uns angeboren und unbeabsichtigt tragen wir all jene kleinen Bemerkungen zu einem abschließenden Urteil über das Haus, das wir eben verlassen, zusammen: »Hast du die zerrissenen Gardinen gesehen? – Nein – aber die Kinder! Die waren wirklich verschmutzt und Haar und Hände so ungepflegt!« Und wieder: »Bemerktest du, wie freundlich und gemütlich das Stübchen aussah? Trotz aller Einfachheit! Blühende Blumen am Fenster, saubere Deckchen auf den Tischen, ein fröhlich schmetternder Kanarienvogel – und die Kinder so manierlich und bescheiden! Welch ein Segen für den Mann – solch eine Frau!«

[9] 10. Die Frau als Frau des Hauses. Denn der Frau bleibt die Verantwortung für das Heim – mag es nun aus einem Zimmer und einer Küche, einer größeren oder kleineren Mietsetage oder einem eignen Haus bestehen. An die Frau des Hauses, die Hausfrau, denkt man, wenn man eine Schwelle überschreitet, und sie ist es, die wir aus ihrer intimen Umgebung erkennen wollen. Die Familie steht daneben in zweiter Linie; der Mann weilt oft nur zu den Mahlzeiten und des Nachts im Hause, die Kinder sind der Hausordnung unterthan, und wenn sie erst soweit sind, persönlichem Geschmack Ausdruck zu verleihen, so ist meistens bald die Stunde gekommen, in der sie das elterliche Dach verlassen. Die Frau aber bleibt die Herrin bis zu ihrem letzten Atemzuge, sie betrachtet das Haus als ihre Domäne, ihr Heiligtum, und sie wird Eingriffe in ihr Recht mit voller Entrüstung zurückweisen. Natürlich legt ihr dieser Besitz Pflichten auf, deren Schwere und Größe sich nach dem einfacheren oder komplizierteren Zuschnitt ihres Haushalts richten und nach deren getreuer oder nachlässiger Erfüllung man ihre Gewissenhaftigkeit beurteilen wird. Nur ein Mann, der gänzlich gleichgültig gegen die Vorzüge eines geregelten Haushalts ist, oder der es in thörichtem Dünkel für unnötig hält, sich besser zu unterrichten, wird über die Pflichten einer Hausfrau spötteln oder ihre Wichtigkeit herabzumindern suchen.

[10] 11. Arbeitseinteilung im Haushalt. Die Frau muß immer darauf bedacht sein, die Arbeit so zu verteilen, daß niemals eine Störung in der Hausordnung eintritt – aber auch so, daß eine plötzliche Unterbrechung ihrer Anordnungen, hervorgerufen durch einen Besuch oder eine Krankheit, nicht gleich eine weitgehende Unruhe und Unordnung nach sich zieht, sondern daß sobald wie möglich der genau vorgeschriebene Gang der Haushaltungsgeschäfte wieder aufgenommen wird.

[11] 12. Der Reinmachetag. Auch der so verrufene »Reinmachetag« wie man in Berlin, oder »Scheuerfest«, wie man in Leipzig, oder »Stöbern«, wie man in München sagt, muß in einem Haushalt, der über eine beschränkte Anzahl von Dienerschaft verfügt, streng innegehaltenwerden. Man bestimme einen Tag am Anfang oder Mitte der Woche – die letzten Tage gehören dem Silber putzen und der wöchentlich vorzunehmenden Reinigung der Küche und Wirtschaftsräume – und mache in immer wiederkehrender Reihenfolge ein Zimmer gründlich rein. Man beginnt damit, die Teppiche zu entfernen und womöglich im Freien klopfen zu lassen; die Möbel werden erst, nachdem sie geklopft, gebürstet und poliert sind, in den Korridor oder ein Nebenzimmer gestellt – gewiß ein ungemütlicher Zustand, der sich aber nicht übergehen läßt. Dann klopft und bürstet man die Portieren und Gardinen, entfernt mit langem Handbesen die Spinnenweben aus Ecken und Fensterumrahmungen, putzt die Scheiben, die Metallschlösser an Thüren, Schränken und Oefen, hilft auch den letzteren mit Eisenschwarz nach, wenn es nötig sein sollte, und nimmt mit feuchtem Tuch den Staub von Schränken und Paneelen; das Abseifen der Holzverkleidungen an Fenstern, Wänden und Thüren geschieht nur ein- bis zweimal im Jahr bei großen Aufräumungen. Nun poliert man das Glas der Bilder, die Holzrahmen mit feuchtem Ledertuch, vergoldete Rahmen ebenso, nur sehr vorsichtig, bei großer Verstaubung mit durchschnittener, echter Zwiebel. Ist der Fußboden nur feucht aufzunehmen, so warte man mit dem Hineinsetzen der Möbel, bis die Feuchtigkeit ganz aufgesogen ist. Hat man aber Wachs aufzutragen fürs Bohnern, so muß der Boden absolut trocken sein, was erst nach 2–3 Stunden der Fall sein wird. Helle Parkettböden scheure man nie, da auch das reinste Spülwasser sie allmählich zu dunklerem Ton färben wird – man reinigt sie nur durch Abbürsten mit Eisenspänen.

[12] 13. Regel zum Bohnern. Eine kleine Regel fürs tägliche Bohnern, ohne frisches Wachs aufzutragen: Der Fußboden wird ganz sauber gefegt, mit sauberem Wollentuch oder Bohnerbürste poliert und – noch einmal gefegt – dieser letzte Besenstrich ist die Hauptsache!

[13] 14. Die Pflichten der Frau erstrecken sich auf jedes Gebiet der Wirtschaft, sie sind unzählig – vor allen Dingen sind sie niemals erledigt. Jeder neue Tag stellt nette Anforderungen, was heute noch genügte, muß morgen verworfen werden, was gestern noch heil schien, ist heute zerrissen und morgen wird ein irgendwo zu Tage tretender Schaden dafür sorgen, daß die Hand neue Arbeit erhält und sich dem praktischen Sinn zugleich ein neues Feld für Ueberlegungen und Bedenken eröffnet. Wird eine gewissenhafte Frau in ihren Schränken und Kommoden gewiß auf ebenso viel Ordnung halten wie auf die in ihrer nächsten Umgebung, so erfordert die äußere Einrichtung der täglich benützten, jedem Auge preisgegebenen Räume natürlich vor allem ihre Aufmerksamkeit.

[14] 15. Miete. Nach alter preußischer Weise, die überall in der Welt wegen ihrer klugen Sparsamkeit anerkannt ist, rechnete man, wie auch noch Leopold v. Stein es in seinem Buch: »Die Frau, ihre Bildung und Lebensaufgabe« bestätigt, den sechsten Teil der jährlichen Einnahme auf die Miete. Doch haben sich die Verhältnisse besonders in den größeren Städten etwas verschoben und eine mehrköpfige Familie, deren Jahreseinnahme aus 6000 Mk. besteht, wird kaum ein höheren Ansprüchen genügendes Quartier für 1000 Mk. finden. In Berlin rechnet man für jedes Zimmer ca. dreihundert Mark; das wäre also für eine Wohnung von fünf Zimmern fünfzehnhundert Mark jährlich. Wird man also für die Miete einen etwas höheren Prozentsatz annehmen müssen, als den oben angegebenen, so versäume man nie, ehe man sich auf die Wohnungssuche begiebt, sich genau klar zu machen, wieviel man für das Quartier ausgeben will und kann.

[15] 16. Wohnungssuche. Auch vergesse man nicht zu beachten, daß eine geräumige Wohnung mehr Bedienung verlangt, wogegen sie natürlich immer den Vorzug größerer Bequemlichkeit, oft auch den eines gesünderen Aufenthalts hat. Man fasse die Sache ins Auge: Mann und Kinder dürfen nicht zu weite Wege zum Geschäft oder zur Schule zurückzulegen haben und man ziehe den täglichen Pferdebahngroschen und das mehr verbrauchte Schuhzeug in die Berechnung. Andererseits sind die Wohnungen in den Vororten oft preiswerter. Dieser Vorteil wird aber durch die genannten Ausgaben, den Zeitverlust und die Anstrengung und Unruhe des Hin- und Herwanderns oder -fahrens wieder aufgewogen. Hat man eine Wohnung gefunden, die den Ansprüchen an Raum und Lage genügt, so mache man sich einen Ueberschlag, wie die einzelnen Zimmer zu verteilen sind.

[16] 17. Worauf ist beim Mieten zu achten? Selbstverständlich wird man sich vorher versichern lassen, daß Oefen, Herd, Wasserleitung und Gasröhren in gutem Zustande sind, man überzeuge sich selbst, ob die Fenster schließen, auch ob Doppelfenster vorhanden, ob Thüren und Fußböden sauber sind, ob die Tapeten heil und unserem Geschmack entsprechend, ob Keller-, Bodenräume u.s.w. vorhanden sind. Ferner stelle man fest, durch wen und wie oft Treppen, Flur, Hausdiele, ev. auch Straße und Hof gereinigt werden müssen.

[17] 18. Schriftlicher Mietskontrakt. Man miete niemals ohne einen schriftlichen Kontrakt; Wirte wie Mieter ersparen sich dadurch Auseinandersetzungen und Reibereien.

[18] 19. Zimmereinteilung. Sind alle Zimmer groß und luftig, so wähle man die einfacheren, gewöhnlich zur Hofseite liegenden Räume zu Schlafzimmern. Ist aber im »Salon« oder der »guten Stube« alles das an Raum verschwendet, was man den anderen Zimmern absparte, so verzichte man auf dieses Schaustück, in das man seine besten Möbel – vielleicht den einzigen Luxus und Komfort, den man sich gestatten kann – ängstlich einsperrt, unter Hüllen steckt und nur zu den Tagen der großen Reinigung oder den höchsten Festtagen entschleiert.

[19] 20. Ist der »Salon« überflüssig? Für Familien, die keine große Geselligkeit haben, ist der »Salon« ein Aufwand, der oft in keinem Verhältnis zu der übrigen Einrichtung des Hauses steht und der seine Thüren nur zu Hochzeiten, Konfirmationen und Todesfällen öffnet. Dem guten Bekannten wird es lieber sein, im Wohnzimmer empfangen zu werden, das zwar überall den ständigen Aufenthalt der Familie verrät, dadurch aber nur an Gemütlichkeit gewinnen kann. Und dem unbekannten Fremden zuliebe wird man doch nicht das Opfer einer »Familiengruft« bringen und den besten Raum kalt und unbenutzt liegen lassen! Eignet sich die »gute Stube« nicht zum Wohn-oder Eßgemach, so nehme man sie ruhig zum Schlafen. Das gesunde, frische Aussehen der Kinder oder das eigene Wohlbehagen in dem luftigen, großen Zimmer wird der ehrgeizigsten Frau eine Genugthuung sein.

[20] 21. Gute Schlafzimmer. Ueberhaupt soll man den Schlafräumen ... noch mehr Aufmerksamkeit zuwenden, als es in unserer sanitär schon weit fortgeschrittenen Zeit geschieht und in dem wir, nach bekanntem Wort, mehr als unser halbes Leben verbringen. Vor allen Dingen darf das Schlafzimmer nicht dunkel sein und nicht so eng, daß außer den Betten kaum noch ein Durchgang frei ist.

[21] 22. Ein paar allgemeine Regeln über das Schlafzimmer. Die Betten seien breit und nicht weich; doch richte man sich in der Wahl der Unterbetten und Zudecken nicht nach allgemeinen sanitären Vorschriften, sondern lasse das Klima, das Alter und die Gesundheit des Ruhenden entscheiden. Gut ist es, die Kinder von klein auf an abzuhärten – doch ist auch hierin Maß geboten. Ist kein Badezimmer in der Wohnung, so sorge man für große Schalen (»Tubs«) oder Wannen, die es jedem ermöglichen, sich täglich von Kopf bis zu den Füßen abzuwaschen.

[22] 23. Allgemeines über das Eßzimmer. Zum Eßzimmer wird man in vielen Städten oft den halbdunklen, in der Mitte der Wohnung liegenden Raum wählen müssen, den unsere Architekten leider noch nicht ganz besiegt haben. In Berlin wird jedenfalls das sogenannte »Berliner Eckzimmer« noch immer dazu bestimmt. Wenn es irgend möglich, lasse man es dann nicht zu gleicher Zeit das Kinderzimmer sein – »die besten und schönsten Zimmer sind gerade für unsre Kinder gut genug« –, auch wird man einen Raum, der den Kleinen und ihrem Spielzeug preisgegeben ist, selten ganz tadellos in Ordnung finden, also zu jeder Mahlzeit aufräumen müssen, wobei ja allerdings die Kinder helfen können. Benützt man das Eßzimmer nicht als Wohnraum, so wähle man dunkle Möbel, Vorhänge und Teppiche. Sehr zweckmäßig ist es, auf dem in der Mitte stehenden großen Tisch das sauber abgefegte Tischtuch, sowie Salzfässer, Weinuntersätze u.s.w. von einer Mahlzeit zur andern liegen zu lassen, es erspart Zeit und Arbeit. Braucht man das Zimmer jedoch auch zum Wohnen, so räume man die Gedecke und das Tischzeug ins Büffet, in dem man auch Silber und Gläser verwahren kann, die niemals ihren ständigen Aufenthalt in der Küche haben dürfen.

[23] 24. Allgemeines über Küche und Wirtschaftsräume. Die Küche und Wirtschaftsräume, wie Speisekammer, Bügelraum und Vorratskammern, richte man vor allen Dingen praktisch ein und sehe in zweiter Linie erst auf Schönheit. Dazu gehört, daß die Küchenbörter nicht überfüllt seien, daß Holzbretter, Deckel und Löffel ihren festen Platz haben, ein geräumiger Aufwasch-, ein Anrichtetisch, womöglich noch ein dritter mit Kacheln belegter Tisch vorhanden ist, um Lampen und Messer darauf zu putzen. Für Putztücher und -Pomaden, für Wichsbürsten, Bohnertücher u.s.w. habe man Extrakästen, wenn man nicht im Besitz einer Putzkommode ist, deren einzelne Fächer für all diese kleinen Reinlichkeitsinstrumente Raum bieten. Besen, Handfeger, Möbelbürsten, Aufnehmer, Wassereimer, Fensterschwämme müssen gleichfalls ihren bestimmten Platz haben, der sich leicht in einer Ecke oder einem Wandschrank findet. Holzwannen und Eimer, Holzbock und Wringmaschine bringe man in der Waschküche unter.

[24] 25. Bügelzimmer. Wäscheleinen und -klammern in festen Beuteln im Bügelzimmer, wo auch das Plätt-und Aermelbrett, Bügeleisen, eiserne Untersätze und Tollscheren aufbewahrt werden. Sehr praktisch ist ein Plättofen. Wer eine Nähmaschine besitzt und sie nicht häufig braucht, stelle sie gleichfalls ins Bügelzimmer, das dann zu gleicher Zeit auch an den Schneidertagen benutzt werden kann.

[25] 26. Vorratskammer. In die Vorratskammer, die hell und trocken sein muß, kommen die sauber mit Tapeten ausgeklebten Kisten mit überflüssigem Bettzeug und Porzellan, Schränke mit zurückgelegter Kleidung, Koffer, Reisetaschen und die gut erhaltenen Kisten, zu denen stets die Deckel vorhanden sein müssen. Im Winter Veranda- und Gartenmöbel, falls man sie nicht im Korridor plazieren kann, was sehr gut aussieht – ferner ausrangierte Körbe, Wannen, vielleicht auch, wenn kein Keller dafür vorhanden ist, leere Flaschen und ein paar Börter für Obst und Wein.

[26] 27. Nichts Unnötiges aufbewahren! Nur hüte man sich, zuviel und vor allen Dingen Unbrauchbares aufzubewahren. Jeder Umzug lehrt von neuem, wie schnell sich sogenanntes »Gerümpel« ansammelt und welcher Zeitverlust dann mit dem Aussuchen verbunden ist. Jede Hausfrau sollte im Frühling und Herbst, wo die Herausgabe der leichteren resp. der dickeren Kleider ja doch ein allgemeines Aufräumen erfordert, gehörig Rundschau halten und nicht allein in der Vorratskammer, sondern auch in Schränken und Kommoden das Gute vom Ueberflüssigen scheiden und sich ohne lange Ueberlegung von Dingen trennen, die man jahrelang als Ballast mit sich herumschleppt und die gewiß manchem Armen noch eine Freude bereiten würden.

[27] 28. Ueber das Aufbewahren und Ordnunghalten. Vor allen Dingen herrsche auch in den Nebenräumen absolute Ordnung, damit man jederzeit einen Ueberblick über seine Vorräte hat und nicht erst Stunden mit vergeblichem Suchen verbringen muß, wenn man ein »gut verwahrtes« Stück brauchen will. Für alle Flicken und Kleiderreste empfehlen sich feste kleine Schränke oder Borte, ebenso für die Jahrgänge der Journale und Zeitungen. Auch wer sich mit Eifer dem Sammeln von Postkarten, Kapseln, Cigarrenabschnitten und -bändern, Freimarken u.s.w. hingiebt, halte seine Schätze zusammen und überflute nicht das ganze Haus. Dasselbe sei den Liebhabern von Amateurkünsten, vom Photographieren, Lederpunzen und -brennen, Malen, Kleben, Holzschneiden und -kerben gesagt: Rücksicht auf den Nächsten nehmen und alle Utensilien nach jeder Arbeit fortthun! Das gilt besonders, wenn die Familie ein gemeinsames Wohnzimmer benützt. Da hat jeder die Pflicht, auch dem Andern Luft und Bewegung zu gönnen. Auch schont man die Möbel unendlich, wenn man selbst die Spuren der Thätigkeit vom Tisch und vom Teppich forträumt, statt zu warten, daß dies gelegentlich oder am andern Morgen die Dienstboten besorgen.

[28] 29. Ueber Möbel. Was ist praktisch? Eine Frau, die so glücklich ist, einen Salon, vielleicht auch noch ein Boudoir und ein Ankleidezimmer zu besitzen, wird bei der Einrichtung des Wohnzimmers mehr ihrem Geschmack folgen dürfen als der Ueberlegung: was ist praktisch? Wer sich aber diese Frage stellen muß, braucht darum keineswegs auf hübsche oder eigenartige Möbel zu verzichten. Natürlich muß dann aber die Haltbarkeit der Formen und der Stoffe überwiegen. Das Kunstgewerbe ist jetzt so weit entwickelt, daß es auch schon für einen geringen Preis gutgearbeitete Möbel liefert, und die Industrie bietet die einfachsten und verwegensten Muster in dunklen, mittelfarbigen und hellen Stoffen.

[29] 30. Welches Stoffmuster wähle ich? Man wähle, wenn man nicht in der Lage ist, die Bezüge, der Mode folgend, häufig wechseln zu lassen, ein ruhiges, hübsch abgetöntes Muster in Plüsch oder dem jetzt so beliebten Liberty-Sammet. Für die Form sind jetzt die Stilarten Chipendale, Empire und Louis seize am bevorzugtesten – auch die alten Mahagonimöbel aus unsrer Großväter, der sogenannten »Biedermaierzeit«, sind wieder im Ansehen gestiegen.

[30] 31. Keine Muschel! Die Vorliebe für »Muschel-Garnitur«, der man eine Zeit lang beständig begegnete, nachdem man sich eben aus den »altdeutschen« Paneelsofas und Steinkrügen gerettet hatte, die schließlich durch die häßliche, billige Ausführung unsympathisch wirkten, ist glücklicherweise auch im Abnehmen begriffen. Besser keine Ausschmückung, als solche!

[31] 32. Welchem Geschmack folge ich? Die idealste Wohnung bleibt immer die, deren Einrichtung persönlichen Geschmack des Bewohners verrät, und weder genau einem herrschenden Modestil nachgebildet ist noch den alles nivellierenden Händen des Tapeziers ihre Entstehung verdankt. Das, was man als bequem und nützlich ausprobiert hat, sollte man nicht aus Rücksicht auf eine neue Strömung opfern. Man muß die Leute bedauern, die plötzlich bei erworbenem Reichtum ihre altmodischen Möbel über Bord werfen und sich und ihren Haushalt in neue, fremd anmutende Gewänder hineinzwängen. Das setzt nicht nur einen Mangel an Pietät voraus, die ja nicht jedermanns Sache ist, sondern es beweist auch, daß man dem eignen Geschmack mißtraut und schlecht gewohnt hat. Denn die Möbel sollen einem allmählich lieb werden und gleichsam etwas vom Charakter und der Eigenart des Bewohners annehmen. Mit Teppichen, Gardinen und Vorhängen, die sich leichter verbrauchen, wird man allerdings häufiger aufräumen müssen.

[32] 33. Allgemeines über den Korridor. Ist es möglich, so verstelle man den Korridor nicht zu sehr mit Schränken, sondern lasse Raum für einen Spiegel, einen Garderobenhalter und einen Schirmständer. Außer Kleider-, Stiefel- und Hutbürste sorge man für eine Visitenkartenschale und einen kleinen Metallteller, auf dem der Dienstbote die Karten der Besucher entgegennimmt und Briefe und Zeitungen hereinträgt. Sind mehrere Kinder im Hause, so richte man ihnen ein besonderes Eckchen für Mäntel, Hüte und Schulranzen ein. In modernen Wohnungen findet sich vielfach eine Garderobe mit Waschtoilette, eine sehr gute Einrichtung.

[33] 34. Ueber das Badezimmer u.s.w. Das Badezimmer verlegt man so nah wie möglich an die Schlafzimmer und sorgt für ein sauber gehaltenes, gut zu lüftendes Klosett mit Waschtisch. Eine moderne deutsche Wohnung mittleren Genres wird ungefähr so aussehen:

[34] 35. Entree. Ein helles Entree, das mit einfachen Teppichen, einigen hellen Möbeln und einer Spiegeltoilette versehen ist. In manchen Städten, z.B. in den meisten Berliner Wohnungen, sind die Entrees leider derartig enge und dunkle Räume, daß der Besucher am liebsten sofort wieder umkehren möchte.

[35] 36. Eßzimmer. Ein Eßzimmer mit Eichen-oder Mahagonimöbeln (Tisch, Stühle, Büffet und ein bis zwei Nebentische). An den Wänden bis zu halber Höhe Holzpaneele, deren Borte mit Krystall- oder Zinngefäßen besetzt sind.

[36] 37. Herrenzimmer. Ein Herrenzimmer mit dunklen, geschnitzten Möbeln, die Stühle mit Leder oder einfarbigem Tuch bezogen; schwere Tische, große Bücherregale, ein Diplomatenschreibtisch oder einer jener eminent praktischen und zugleich hübschen amerikanischen Schreibtische und ein breites Sofa oder eine mit Decken belegte Chaiselongue. Man entferne durchaus nicht alle Bilder und Andenken aus einer früheren, einfacheren Periode, aber man trage nicht schlechte Nippessachen hinein; der Raum soll vor allen anderen den Stempel solider Behäbigkeit tragen und nichts Weibisches, Spielerisches enthalten.

[37] 38. Salon. Der »Salon« wird nach heutigem Geschmack helle, mit geblümter Seide bespannte Möbel und echte oder nachgeahmte Boule- und Rokokomöbel zeigen. Ein Flügel, ein besonders schöner Schrank mit alten Bronzen, Porzellan und Silber oder mit wirklich guten Nippes gefüllt, vervollständigt die Einrichtung. Ebenso außer dem Sofa oder einer Causeuse eine Chaiselongue mit schönem Fell belegt und vielen seidenen Kissen bedeckt. Teppiche und Portieren müssen sich dem Grundton der Möbel einfügen. Außer den Stoffgardinen nimmt man »stores«, die jetzt möglichst klar sein müssen, und auch neuerdings »pertiennes« Scheibengardinen, die in halber Höhe das Fenster bedecken, aus leichter Seide, oder Pongée hergestellt, mit Spitzen oder point-lace garniert sind und an messingnen Stäben und Ringen hängen.

[38] 39. Wohnzimmer. Das Wohnzimmer wird ein bequemes Sofa, viele behagliche Stühle der verschiedensten Formen, sogenannte lady chairs, die mit Kissen in allen Farben geschmückt sind, ein Klavier, den Schreibtisch, Nähtisch, Notenschrank und Bücherbort beherbergen. Jedes Mitglied der Familie wird hier einen bevorzugten Platz haben und seine Ecke nach persönlichem Geschmack mit Blumen, einem Büchertischchen oder einem besonderen »Faulenzer« oder Schaukelstuhl ausschmücken.

[39] 40. Kinderzimmer. Das Kinderzimmer enthalte außer Kleider- und Wäscheschränken für die Kleinen niedrige Tische und Stühle. Sehr praktisch ist es, rundherum an den freigelassenen Wänden breite Borten anzubringen, auf denen alle Spielsachen: wie Kaufmannsläden, Speicher, Wagen und Pferde, Bilderbücher, Kästen mit Soldaten, Häusern und Spielen untergebracht werden. Auch schlage man eine Menge starker, gelbköpfiger Nägel ein und gewöhne die Kinder, Spaten und Schaufel, Peitschen, Pferdeleinen, Körbe u.s.w. anzuhängen; man erspart dadurch viel Raum und kann leichter Ordnung halten. Unter der Hängelampe – eine andere Lampe darf nie ins Kinderzimmer! – stelle man einen festen Tisch, an dem sich die Kinder abends zum Arbeiten oder gemeinsamen Spielen vereinen können.

[40] 41. Schlafzimmer. Die Schlafzimmer werden jetzt ebenfalls in hellen, freundlichen Farben gehalten. Die Betten sind breit und nicht zu hoch, die Waschtische tragen auf Marmorplatten möglichst große Schüsseln und Kannen – ein wirklicher Fortschritt gegen die früher gebräuchlichen Vogelnäpfe! Große Spiegel, vielleicht in den Schrankthüren eingelassen, ein Toilettentisch mit möglichst reicher Silber-, Elfenbein- oder Schildpattgarnitur, eine Chaiselongue und ein paar tiefe Sessel geben dem Raum behagliche Eleganz.

[41] 42. Ankleidezimmer. Sehr angenehm ist ein Ankleidezimmer, das bei uns die Frau und in England stets der Mann für sich beanspruchen wird. Ist es vorhanden, so wird es den Waschtisch, den Toilettentisch und die Schränke der bevorzugten Partei enthalten; vielleicht auch noch eine Chaiselongue zum Ausruhen. In Frankreich ist das cabinet de toilette fast der ständige Aufenthalt der Hausfrau, die den Salon nur zum »jour« öffnet und mit frischen Blumen schmückt. Im cabinet de toilette läßt sich die Dame morgens und nachmittags den Thee servieren, hier empfängt sie ihre Freundinnen und in dem kleinen, behaglichen und eleganten Raum werden alle Toiletten- und andere Geheimnisse und Neuigkeiten besprochen. Die englische Frau behält das Schlafzimmer für sich und überläßt dem Mann das »dressing-room« mit all seinen praktischen und hübschen Toiletteeinrichtungen.

[42] 43. Zimmer für die erwachsene Töchter. Ist eine heranwachsende Tochter im Hause, so wird ihr Hauptwunsch ein eignes Zimmer sein. Die zärtliche Mutter wird den Bitten nicht lange widerstehen und ein kleines Gemach einrichten können, ohne zu große Ausgaben fürchten zu müssen. Libertyseide, helle Cretonne ober ein leichter, geblümter Wollenmusseline geben einen duftigen Bezug ab; ein kleiner Schreibtisch, ein Nähtisch am Fenster, ein Bücherschrank und eine Kommode – ein »Himmelbett« mit weichherabfallenden Gardinen und hübscher Satin-oder Seidendecke, ein Waschtisch mit Geschirr in den Farben der Möbel, all diese Dinge sind mit gutem Willen leicht anzuschaffen und die glückliche Besitzerin wird das Ihrige dazu thun, ihr Heiligtum noch immer auszuschmücken.

[43] 44. Fremdenzimmer. Ist ein Fremdenzimmer vorhanden, so richte man es freundlich und bequem ein, ohne zu großen Wert auf Eleganz zu legen. Sehr angenehm ist es für den länger bleibenden Gast, einen geräumigen, leeren Kleiderschrank und eine Kommode – wenigstens ein oder zwei Schubladen! – zur Verfügung zu haben. Ist kein Schreibtisch vorhanden, so sorge man dafür, daß auf einem Tisch eine Schreibunterlage, ein Tintenfaß, Federhalter und Feder, vielleicht auch ein Kasten mit Briefpapier und Postkarten bereitliegen. Auch für eine kleine Auswahl guter Bücher wird der Gast sehr dankbar sein und sich um so eher eine Stunde zum Ausruhen zurückziehen, was auch der liebenswürdigsten Wirtin zuweilen recht angenehm sein kann. Ein gutes Bett, ein geräumiger Waschtisch, ein Toilettentisch mit Nadelkissen und Schmuckschalen, wenn möglich eine kleine Chaiselongue oder ein paar recht bequeme Stühle werden nötig sein.

[44] 45. Muß ich ein Fremdenzimmer haben? Dies alles aber schaffe man nur an – oder bestimme es zur zeitweisen Benutzung lieben Besuches – wenn man wirklich ein Zimmer entbehren kann. Benützt man es in der »herrenlosen«, nicht immer schrecklichen Zeit – denn langer Hausbesuch hat große Schattenseiten – doch nur als »Trödelbude«, in die alles untergebracht wird, was man gerade los sein möchte, oder legt man sich sogar eine Entbehrung auf, um ein Fremdenzimmer zu besitzen, so lasse man es lieber ebenso wie die berühmte »gute Stube« von der Erdoberfläche verschwinden und verwende den Raum praktischer als Arbeitszimmer für die größeren Kinder oder dergl. In großen Städten, in Berlin z.B. ist ein Extra-Fremdenzimmer ein großer Luxus. Man räumt guten Bekannten für ein paar Tage das Wohn-oder Herrenzimmer ein (letzteres rate ich nur den Frauen sehr sanftmütiger Männer!) oder bringe sie – wenn sie die Absicht haben, länger zu bleiben – in der Nachbarschaft unter. Fast immer wird man im eignen Hause oder doch in nächster Nähe ein kleines Zimmer mieten können, und die geringen Unkosten stehen in keinem Verhältnis zu der steten Ausgabe und Raumverschwendung des »Fremdenzimmers«.

[45] 46. Mädchenzimmer. Den Dienstmädchen geht es in kleineren Städten besser als in den größeren; allerdings auf dem Lande, wo es »ländlich – sittlich« hergeht, am schlechtesten – dort nimmt man am wenigsten Rücksicht auf Gesundheit und Behaglichkeit der Leute. Das kräftige Essen und die gute Luft, auch die Bewegung und Arbeit im Freien können diesem Mangel gewiß oftmals die Wage halten. Anders ist es in den Städten, wo der Aufenthalt in der zum Hofe liegenden Küche, im kleinen Hinterzimmer und schließlich die Nachtruhe in finsterer, luftloser enger Kammer oder auf Berlins berüchtigtem »Hängeboden« der Gesundheit der Mädchen unzuträglich sein müssen. Viele, viele Jahre hat man sich die Tyrannei der Architekten, die »nicht anders bauen konnten«, gefallen lassen und ruhig zugesehen, daß ein Winkel, in dem kaum ein Bett stehen kann und der sich womöglich direkt in der Küche befindet wie ein großer Wandschrank den Mädchen als Schlafraum angewiesen wird. Jetzt hat die Baupolizei auch dieser brennenden Frage sich angenommen und bestimmt, daß keine fensterlose Kammer zum Schlafen gegeben werden darf; ebenso ist das Mindestmaß an Kubikmetergehalt festgesetzt. Welch ein Fortschritt, nicht wahr? Aber wie sehr wird noch innerhalb dieses Gesetzes gesündigt und allen sanitären Anforderungen Hohn gesprochen! Ich hatte im Herbst Gelegenheit, viele Berliner Mietswohnungen zu sehen; welch Kontrast der eleganten, mit modischen Tapeten beklebten »Salons« und Vorderzimmer gegen die primitiven Hinterräume und nun gar gegen die Mädchenkammer! fast überall noch der »Hängeboden« und wenn man seinen Aufstieg (per Hühnerleiter) von der Küche aus auch verlegt hat – welch ein häßlicher, ungemütlicher Raum! Ein schmaler Schlauch, dessen vordere Langseite durch die Treppe halbiert wird, auf dem noch bleibenden Quadrat zwei Betten aneinander gedrängt, ein winziger Waschtisch daneben. Kommode und Korb der Mädchen in dem schmalen Gang, der von der Treppe durch ein Gitter getrennt ist. Ich habe mich vergebens gefragt, wie oft die Mädchen Lust verspüren werden, an ihre Schiebladen zu gehen, um Wäsche herauszunehmen oder fortzulegen. Man wird mir antworten, daß ein auf Reinlichkeit haltendes Mädchen sich die kleine Unbequemlichkeit nicht verdrießen lassen wird – gut, ich will gewiß das Verdienst dieser weißen Raben nicht schmälern! Unordentliche Personen – und sie sind leider in der Mehrheit – werden ihren Fehler sicherlich noch mehr ausbilden und für das Chaos in ihrer Kammer die Enge zum bequemen Vorwand haben. In einem besonders eleganten Quartier schrak ich direkt vor dem Anblick der niedrigen, mit Kleidern und Möbeln vollgestopften Zelle zu rück – die anpreisende Portiersfrau aber sagte fast beleidigt: »Ich bitte Sie – da kann ja een Mächen uffrecht drin stehen, ohne sich den Kopp zu zerschlagen – na, und das is längst nich bei allen Logis so!«

[46] 47. Wer kann helfen gegen die schlechten Mädchenzimmer? Wer könnte auch dort am besten helfend eingreifen? Die Hausfrau! Wie das Interesse der Frau durch Flugblätter, Schriften und Aufsätze in allen Journalen für den Tierschutz wachgerufen wird, wie die Frau in den eignen vier Wänden keine Tierquälereien mehr duldet, nicht mehr Goldfische in elenden, luftarmen Glaskugeln langsam zu Grunde gehen läßt, wie sie dafür sorgt, daß die Aale nicht mehr lebend abgezogen, die Fische durch einen Messerstich oder einen festen Schlag vor dem Schuppen getötet, die Krebse nicht mehr in kaltes Wasser geworfen und allmählich gesiedet, sondern gleich in kochendes Wasser gelegt werden – so ist es auch ihre Pflicht, die humanen Bestrebungen zuerst bei sich in Thaten umzusetzen und keine Grausamkeit mehr in ihrer Nähe zu dulden! Man beginne das große soziale Werk in der eignen Familie, und die Frau, die der Oeffentlichkeit ihre Teilnahme versagt, kann unendlich viel Gutes – vielleicht oft noch Besseres als die vielen unberufenen Streiterinnen! – in aller Stille und am häuslichen Herde auswirken.

[47] 48. Wie kann die Frau helfen? Es müßte eine stille Verständigung unter den Frauen bestehen, daß ihr prüfender Blick beim Mieten einer Wohnung besonders dem Mädchenzimmer gilt. Entspricht es in keiner Weise ihrer Vorstellung von einem, wenn auch kleinen, aber gesunden Schlafraum, so gebe man als Grund des Mißfallens der Wohnung diese Kammer an. Wird sich der Wirt bereit erklären, eine Aenderung vorzunehmen, eine Wand fortreißen oder ein Fenster einsetzen zu lassen, so gehe man auf das Anerbieten ein – natürlich, falls das Quartier sonst behagt! – bestehe aber mit eiserner Energie darauf, daß die Verbesserungen auch ausgeführt werden. Das gute Beispiel wird sicher ansteckend wirken; auch die Hauseigentümer werden durch diese Forderung aufmerksam gemacht und allmählich bei Neubauten auch die »Mädchenkammer« mehr berücksichtigen und die Reform wird sich, vielleicht nur langsam, aber bestimmt und in aller Stille, ohne große Kämpfe vollziehen.

[48] 49. Welches Zimmer soll ich dem Mädchen geben? Und wofür muß die Hausfrau sorgen? Es ist eine Pflicht der Hausfrau, für die Gesundheit ihrer Dienstleute zu sorgen und zur Erhaltung derselben gehört vor allem ein menschenwürdiger Schlafraum. – Wie schon oben gesagt, liegen die Verhältnisse in kleineren Städten besser, da dort Grund und Boden nicht so teuer sind, man also für denselben Mietspreis eine geräumigere Wohnung als in den großen Städten bekommt. Findet sich ein überflüssiges Zimmer vor – und sei es auch das so selten benützte »Fremdenzimmer« – so gebe man es den Mädchen, stelle einfache, aber gute Betten, ein oder zwei Waschtische, womöglich auch einen Kleiderschrank und ein paar Stühle hinein. Kommoden und Körbe müssen die Mädchen mitbringen. Man gebe den Mädchen reichlich Handtücher, lasse sie oft die Bettwäsche wechseln, sorge dafür, daß sie baden oder sich abwaschen und halte darauf, daß das Zimmer täglich gelüftet, in Ordnung gehalten und mindestens einen Tag um den andern feucht aufgenommen wird. Nur so kann der »muffige« Geruch ferngehalten werden, den die Kleider und Körper der Leute häufig ausströmen und der nur in Unsauberkeit begründet ist. Sicher werden die Mädchen für eine solche Fürsorge erkenntlich sein; sind sie es nicht, so denke man daran, daß es schließlich auch ein nicht zu gering anzuschlagender Vorteil ist, wenn man von gesunden und saubern Leuten umgeben und bedient wird.

[49] 50. Wo soll das Mädchen abends sitzen? Ist die Küche des Abends kalt, oder sehr ungemütlich und eng, so gestatte man den Mädchen, abends, nach gethaner Arbeit, im Kinderzimmer – vorausgesetzt, daß die Kinder dort nicht schlafen! – zu sitzen und dort ihre Näh- und Flickarbeit an den eignen Kleidern vor zunehmen. Hat man noch ein anderes Zimmer zur Verfügung, vielleicht das Bügel- oder Schneiderzimmer, so läßt sich auch das dazu nehmen. Ist die Küche geräumig und warm, so werden die Mädchen auch dort vorlieb nehmen müssen.

[50] 51. Wie wohnen die Dienstboten in England? In dem Lande, das uns in allem, was Komfort und gesundheitliche Fürsorge heißt, noch immer als Muster gelten muß, ist auch die Dienstbotenfrage anders geregelt. Man bezahlt die Leute gut, mit Summen die uns sehr groß vorkommen. Eine perfekte Köchin in London oder auf großem Landgut erhält 40 bis 45 Pfd. = 800 bis 900 Mark, ein Gehalt, das bei uns eine examinierte, erfahrene Erzieherin selten bekommen wird! Dafür werden natürlich große Ansprüche an ihre Arbeitskraft gestellt und meistens wird sie noch ein oder zwei Küchenmädchen zur Aushilfe haben. Sie muß morgens zum breakfast (Frühstück) viele kalte, appetitliche Schüsseln, besonders »pies«, Pasteten, und ein oder zwei warme servieren lassen, zum luncheon (um ein Uhr) verschiedene feine warme Gerichte, gute Braten und zum Schluß warme und kalte süße Speisen (tarts und custards) bereiten und zum Diner um sieben Uhr eine ganze Auswahl erlesener Gänge anfertigen müssen. Auch den Leutetisch versorgt sie; und da die Dienstboten ebenso viel Mahlzeiten wie die Herrschaften, nur zu anderer Stunde, einnehmen und bedeutendere Ansprüche machen als bei uns ein guter, bürgerlicher Haushalt, so hat die Köchin fünf bis sechs komplicierte Mahlzeiten vorzubereiten und zu kochen. Auch wird von ihr verlangt, daß sie alle Puddings, Kuchen und Gebäcksorten selbst herstellt, daß sie alles, was wir »kalten Aufschnitt« nennen, wie Zunge, gekochten Schinken (rohen ißt man in England nie!) und die verschiedenen »pies« aus rabbit (Kaninchen), pigeon (Taube), veal (Kalbfleisch) u.s.w. besorgt und immer eine reiche und wechselnde Auswahl aller Delikatessen und Fleischsorten bereit hält. Die Küche beherrscht sie allein – die Hausfrau bestimmt nur das Menu und hält vielleicht Kaffee oder Thee unter Verschluß. Der (»butler«) Haushofmeister hat den Weinkeller, Obst und Dessert unter Aufsicht und ist für die Ordnung und die ganze Regulierung des Haushaltes verantwortlich. Natürlich wird sein Posten noch höher als der der »females«, der weiblichen Angestellten, honoriert und auch die »footmen«bekommen sicherlich mehr als bei uns die Dorf- und Volksschullehrer!

Englische Dienstboten – auch in einfacheren Familien – nehmen ihre Mahlzeiten niemals in der Küche ein. Ihnen steht die servant-hall zur Verfügung, an deren großem Mitteltisch für jede Person ein sauber gedeckter Platz ist. Niemals würden englische »servants« ohne Tischtuch speisen, noch Teller und Bestecke der Herrschaft benutzen – eine Unsitte, die auch nicht streng genug zu verurteilen ist.

[51] 52. Sind diese Ansprüche berechtigt? Erscheinen uns die Ansprüche an Behaglichkeit und Verpflegung etwas groß, so versöhnt dagegen die Aufmerksamkeit in der Bedienung, die absolut treue Pflichterfüllung, die Regelmäßigkeit, Pünktlichkeit und Ordnung, in der alle Arbeiten ausgeführt werden. Man könnte mir erwidern, daß bei so großer Dienerschaft jeder eben Zeit hat, sein Amt pflichtgetreu zu erfüllen. Ich habe aber auch verschiedene Haushaltungen gesehen und gefunden, daß die Dienstboten das, was sie übernehmen, wirklich thun und ohne beständige Ueberwachung ihre Arbeiten verrichten. Besonders hervorzuheben ist das anständige Benehmen, die stille, wie selbstverständliche Art, in der sie ihre Hilfe anbieten, und der Ton, in dem sie untereinander verkehren. Allerdings legt man in England mehr Gewicht auf »decently behaving servants«, sich anständig aufführende Leute, und wird, noch eher als bei uns, nach dem Dienstpersonal die ganze Aufmachung des Hauses beurteilen.

Natürlich giebt es Ausnahmen überall und der eine oder andere wird mir an Beispielen das Gegenteil von dem eben Gesagten beweisen wollen. Jeder aber, der längere Zeit in England war und nicht nur in Hotels oder »boarding-houses« (Pensionen) verkehrt hat, wird mein Urteil über die Leistungsfähigkeit englischer Dienstboten unterschreiben.

[52] 53. Die Hamburger Leute gleichen am meisten den englischen. Von allen Städten Deutschlands habe ich in Hamburg das besterzogene Dienstpersonal gefunden. Vielleicht weil dort der ganze Lebenszuschnitt dem englischen gleicht und man den Leuten ebenfalls größere Konzessionen im Gehalt, in Wohnräumen und der Verpflegung macht. Mag man über die »Verwöhnung« schelten! Ein Hamburger Haus mit den sauber gekleideten, vortrefflich geschulten und ruhig fortarbeitenden Mädchen ist mir immer als Ideal eines gut aufgezogenen Haushaltes vorgekommen.

[53] 54. Wie wohnen die Dienstboten in Paris? Paris bedeutet uns Frankreich; was nicht zur großen Stadt gehört, ist alles »Provinz«, während man bei uns doch neben Berlin noch andere Städte gelten läßt, und glücklicherweise die Begriffe »Berlin« und »Deutschland« nicht so mit einander verschmilzt wie »Paris« und »Frankreich«. Die französischen – oder Pariser –Dienstboten stehen wohl den englischen an Güte nach – aber durchaus nicht an Ansprüchen. In einem vornehmen Haushalt beherrscht der »maitre d'hôtel« auch die übrige Dienerschaft, die sich aus einer oder mehreren femmes de chambre (Jungfern), einigen valets de chambre (Kammerdiener), valets de pied, der cuisinière (Köchin) und deren Aushilfen zusammensetzen wird. Auch hier speisen die Leute niemals in der Küche, sondern in der »chambre des domestiques«und beanspruchen außerdem täglich einen Liter Wein, der ja in Frankreich billiger ist als bei uns, aber doch für das tägliche Budget eine Mehrausgabe bedeutet. Die englischen Leute dagegen sind sehr mäßig und zum großen Teil »Temperenzler«, was der in dieser Beziehung hervorragend wirkenden »Salvation Army«, der Heilsarmee, zuzuschreiben ist. Auch werden Mäßigkeitsgelübde von vielen der zahlreichen, religiösen Sekten in England verlangt; z.B. den Wesleyanern, Baptisten u.a. Es ist in Paris ein nicht seltener Fall, daß die Köchin verheiratet ist und abends, nach der Servierung des Diners, die Wohnung verläßt, um die Nacht bei Mann und Kindern zu verbringen. Wiederum kommt es vor, daß die femme de chambre verheiratet ist, die natürlich für ihre Dame stets erreichbar sein muß und deren Mann, der irgendwo anders als maitre d'hôtel ist, da nur als solcher auch sein Dienst nach dem Diner beendet ist, dann abends bei seiner Frau Aufnahme findet. Das sind in Paris alltägliche Verhältnisse, in die sich Herrschaft und Dienstpersonal vollständig hineingefunden haben und die viel weniger Unzuträglichkeiten hervorrufen, als man glauben sollte.

[54] 55. Abkommen zwischen Lieferanten und Dienstpersonal in Paris. Eine durchaus nicht nachahmenswerte, aber allgemein verbreitete Sitte oder vielmehr Unsitte ist in Paris das Abkommen zwischen den Lieferanten einerseits, dem maitre d'hôtel und der Köchin andrerseits. Die Lieferanten geben von jedem Einkauf einen bestimmten Prozentsatz an die Einhandelnden, für die damit natürlich die Versuchung wächst, viel und teuer einzukaufen. Daß sie trotzdem noch den auch bei uns so beliebten »Marktgroschen« aufschlagen, ist sicher und man ist durch diese Verständigung der Kaufleute mit dem Personal ganz ihrer Willkür preisgegeben. So betont eine Köchin beim Mieten, daß ihr das Gehalt gleichgültig sei, daß es ihr nur darauf ankomme, in ein reiches, geselliges Haus einzutreten. Der Lohn ist eben verschwindend gegen die Nebeneinnahmen, die aus dem Rabatt der Fleischer-, Gemüse-, Bäcker- und übrigen Rechnungen entstehen. Vorteilhaft ist dieses Abkommen weder für die Moral der Leute noch für den Geldbeutel der Herrschaft – aber die »usance« – die Sitte, ist auch hier wieder einmal bedeutend mächtiger als die Kraft zur Abänderung dieses Uebelstandes.

[55] 56. Wie wohnen die Dienstboten in Rußland? Als vor zwanzig Jahren sich eine meiner Verwandten nach Rußland verheiratete, war man in ihrem Bekanntenkreise sehr erstaunt, daß sie es für nötig fand, ihren Dienstboten Betten und eigene Zimmer anzuweisen. Welch ein unerhörter Luxus! Welche Verwöhnung! Dienstboten wickeln sich in eine Decke und legen sich in irgend eine warme Ecke, sei es auf dem Korridor, vor den Zimmerthüren der Herrschaft, in der Küche oder in den Wirtschaftsräumen. Das Waschen wenn überhaupt! – besorgen sie im Hof unter der Pumpe oder aus irgend einer Schüssel in der Küche – das ist schon sehr reinlich! Und daß man sich darüber wunderte, daß die Mädchen sich in gebrauchten Tischtüchern abtrockneten, oder mit feinen Servietten die Fußböden aufwischten – ja, das war unbegreiflich! Die chinesische Mauer, die nicht erst da hinten in Asien anfängt, sondern schon eine Grenze zwischen uns und dem heiligen Rußland bildet, hat inzwischen ein paar Lücken bekommen und etwas Kultur und Civilisation haben hindurchschlüpfen können. Aber nur etwas. Auf den Gütern, »im Innern«, wie der Russe, der sehr unwissend in der Geographie seines Landes ist, alles außerhalb der Großstädte nennt, versorgt man auch heutzutage die Dienstboten nicht anders als mit Wolldecken und überläßt es ihnen, sich ein Lager zu suchen. Im Winter ist der Backofen am begehrtesten, auf dem auch der russische Bauer seinen monatelangen, kaum unterbrochenen Schlummer abhält – Knechte und Hirten schlafen im Stroh bei ihren Tieren. In Moskauer Mietswohnungen ist die Küche noch sehr beliebt als Schlafraum, die eventuellen Kin der der Mädchen, die der fromme Russe zum Haushalt zählt und stillschweigend duldet, werden in Backtrögen untergebracht. Und wenn es dann nach Belieben »Tschi« giebt, die fette, auf Fleisch gekochte Kohlsuppe, so sind die russischen Leute zufrieden. Natürlich wachsen auch ihre Bedürfnisse mit den Segnungen der Civilisation.

[56] 57. Wie leben die amerikanischen Dienstboten? Die Ansprüche der amerikanischen Dienerschaft sind sehr groß und stehen in gar keinem Verhältnis zu ihren Leistungen. Die Besoldungen sind sehr hoch, werden aber durch die teuren Preise des Landes bedingt. Deutsche Dienstboten sind wegen ihrer Zuverlässigkeit sehr gesucht und werden gut bezahlt. Eine Waschfrau bekommt im Durchschnitt vier Dollars = 18 Mk. pro Tag und verlangt mindestens zwei warme Mahlzeiten außer dem breakfast am Morgen. – Wenn es auch durchaus nicht unsere Absicht sein wird und kann, die Dienstboten wie in England und Frankreich übermäßig zu verwöhnen und der einfachere Zuschnitt des deutschen Familienlebens von vornherein ein Uebermaß verbieten wird, so können wir doch manches bessern, ohne die Wirtschaftskasse zu überlasten und Schulden zu machen. Ich denke weniger an die Verpflegung, für die die Mädchen meistens selbst genügend Sorge tragen! Ich denke an das »primitive« Mädchenzimmer und die Gleichgültigkeit oder Bescheidenheit, die seine Bewohnerinnen ihm gegenüber noch zur Schau tragen. Bessere Unterkunft für unsere Leute – das wäre allerdings ein Fortschritt!

[57] 58. Küchenschmuck. Allgemeine Ratschläge für die Küche und Vorratskammer haben wir bereits gegeben. Der Hauptschmuck wird für die Küche immer die Ordnung und Sauberkeit bleiben. Auch der schlichteste Kochraum wird uns gefallen, wenn wir weißgescheuerte Tische und Stühle, blitzende Kessel, blanke Töpfe und auf den Borten, die von zierlicher Spitze umrandet sind, leuchtendes Kupfer-, Messing-und Blechgeschirr sehen. Sehr beliebt ist es jetzt, in Geschirr, Gardinen, Ausschmückung möglichst einer Farbenzusammenstellung wie weiß und blau oder weiß und rot treu zu bleiben. Auch finden sich in eleganteren Küchen vielfach Schränke und Borte mit Malereien in Delfter Manier verziert. Neue Errungenschaften wie der vortreffliche »Grudeherd« und der Gaskochapparat erleichtern es der Köchin sehr, ihr Gebiet in gutem Zustand zu erhalten.

[58] 59. Tageseinteilung. »Morgenstunde hat Gold im Munde« – es klingt eine scheinbar triviale Weisheit aus dem weitbekannten und so wenig befolgten Wort. Auch hier gilt die Wohnung wieder am meisten der Hauptperson des Hauses, der Hausfrau. Sie gerade sündigt am häufigsten gegen den alten Wahrheitssatz – und gerade sie wird leicht die meisten Entschuldigungen für das Spätaufstehen finden können. Entweder Unruhe mit kleinen Kindern oder sorgenvolle, schlafraubende Gedanken um die großen – gänzliche Abspannung nach einem Fest oder nach den Mühsalen eines solchen im eigenen Hause – Migräne oder Nervosität – wieviel Gründe kann es nicht geben! Und sie existieren vielleicht wirklich – wenigstens der eine oder der andere in schwachem oder stärkerem Maße – aber sie alle dürften niemals die Frau »zu spät« aufstehen lassen! Auf das »Zu spät« kommt es an; denn jeder Haushalt hat seine eigene Einteilung und der Tag wird für die Familie, je nach der Arbeit des Mannes oder der Schulstunde für die Kinder, um 7, 8 oder 9 Uhr beginnen. Zu diesem Anfang aber muß die Frau da sein. Ist es ihr gesundheitlich unmöglich, zur bestimmten Zeit – sagen wir um 8 Uhr – bereits angekleidet zu sein, so lasse sie das Frühstück für Mann und Kinder im Ankleidezimmer, oder wo das fehlt, in einem gemütlichen Eckchen des Schlafzimmers servieren, was natürlich voraussetzt, daß der Raum in Ordnung ist. Uebernimmt ein geduldiger Mann es, allein mit den Kindern die erste Mahlzeit einzunehmen, oder ist es überhaupt Sitte des Hauses, daß die Kinder für sich frühstücken, so erkundige sich die Frau genau, ob jedes Kind sein Recht bekommen, ob sein Vesperbrot bereit ist und das Kind zeitig, nicht im letzten Augenblick, aber auch nicht zu früh, um nicht unnötig müde zu werden oder Thorheiten zu machen, das Haus verläßt. Auch ob der Mann zufrieden aus den vier Wänden geht, muß die Frau wissen. Ein schlechtgelaunter Mensch arbeitet unlustiger und schlechter als ein heiterer. Es kommt nur darauf an, daß die Leute – in diesem Falle auch die Kinder – immer unter dem Eindruck stehen, daß sie kontrolliert werden und daher nicht den Tag mit Unregelmäßigkeiten beginnen, die kaum wieder einzuholen sind.

[59] 60. Die meiste Arbeit am Morgen. Denn ob ein Haushalt früh oder spät erwacht: am Morgen drängen sich die Arbeiten, und wenn eine einzige vernachlässigt oder vergessen wird, so kann sie nicht mehr nachgeholt werden – es sei denn, daß man die genau bestimmte Zeiteinteilung über den Haufen stieße. Lord Chesterfield rät in seinen bekannten Briefen dem Sohn, stets, Sommer und Winter, selbst nach kürzestem Schlaf, um dieselbe Stunde aufzustehen – gewiß, eine vortreffliche und gesundheitlich gut bekömmliche Theorie! Und jedem andern rate ich dringend, sie zu befolgen! Ich selbst – ach, wer kennt nicht diese köstlichen Stunden des »Dämmerns«, wo man sich so behaglich fühlt im Bett, allerlei Schönes hofft und träumt und sich den Genuß der Faulheit durch die immer wiederholte Mahnung erhöht: »Du müßtest schon eine Stunde bei der Arbeit sein!« oder »wenn du wieder zu spät zum Dienst kommst, wird dein Hauptmann dich zur Verabschiedung vorschlagen« – oder »sicher trinken die Leute den guten Kaffee und lassen dir die zweite Trichterung«. – Wer sich also aus diesen Bedrängnissen nicht dadurch retten kann, daß er sich den guten Kaffee ans Bett kommen läßt, der stehe auf! Rechtzeitig – und zur bestimmten Stunde!

[60] 61. Der Morgen. Rechnet man den Vormittag bis zwölf, eins oder zwei Uhr: seine ersten Stunden gehören der Hausarbeit, dem Zimmerreinmachen, Tassen abwaschen, Lampen putzen, Blumen begießen, Staubwischen, dem Geraderücken der verkehrtgestellten Nippes u.s.w. Je nach der Anzahl der Bedienung wird sich die Teilnahme der Hausfrau an diesen Arbeiten richten; mit Recht übernimmt sie die leichter auszuübenden Pflichten und überwacht die Thätigkeit der Leute. Damit soll nicht gesagt sein, daß sie täglich alle Ecken ergründen soll – denn da sie immer auf ein paar unsaubere stieße, würde sie sich täglich ärgern – nein, sie soll nur aufpassen, daß wirklich reingemacht wird, daß die richtigen Tücher zum Putzen genommen werden und nach vollendetem Aufräumen jedes Stück an seinem Platz liegt oder hängt. Auch der beste Dienstbote wird allmählich nachlässig und wird sich verschlechtern, sobald er sich für ganz unbeobachtet hält. Es ist also nicht »müßige Aufgaf ferei« und »Spionage«, wie die Mädchen nur zu gern behaupten, sondern ein erziehliches und vor allem haltgebendes Moment im Verhältnis zwischen Herrschaft und Leuten.

In jedem Haushalt wird eine Stunde angesetzt sein, zu der diese sogenannten gröberen Arbeiten vollendet sein müssen. Und da sie sich täglich wiederholen, muß man um so eher darauf achten, daß diese Grenze innegehalten wird. Wie gesagt, die am Morgen verlorene halbe Stunde ist kaum wieder einzuholen und die Verschleppung, wenn sie einmal passiert, darf sich keinesfalls wiederholen.

[61] 62. Der Vormittag. Für die Hausfrau wird sich nach der Erfüllung ihrer größeren oder kleineren Hilfeleistungen ein Gang durch Speisekammer oder Küche anschließen. Sie wird Näheres über das Mittagessen und die Abendmahlzeit bestimmen und von Vorräten und Zuthaten, die nötig sind, herausgeben. Sehr praktisch ist es, gleich das Menü für den nächsten Tag zu besprechen, damit die Köchin eventuelle Vorbereitungen, wie Geflügelrupfen und -ausnehmen, eine süße Speise kochen oder zeitraubendes Gemüseputzen noch am Abend vornehmen kann. Denn am Vormittag findet sich selten Muße zu solchen Arbeiten, es sei denn, die Köchin habe nur für die Küche zu sorgen. Die Mädchen werden bis zur Tischzeit noch allerlei leichtere Arbeiten auszuführen haben und die Hausfrau sorge, daß das Stuben- oder Hausmädchen, der das Oeffnen der Hausthür obliegt, rechtzeitig angekleidet sei und immer eine weiße Schürze trage! Nichts ist für den Besuch unangenehmer, als der Anblick einer unordentlichen Person, die sich schnell die Hände an der schmierigen, zipfelig emporgenommenen Schürze trocknet, die Karte liebevoll in die Hand nimmt, ihren Daumen darauf photographiert und nachdem sie den Namen gelesen, den Fremden prüfend, beifällig oder mißbilligend, mustert. Dies ist gar kein besonders schwarze Beispiel – wie oft trifft man selbst in guten Häusern noch auf unerzogene Dienstboten – wie wenig Gewicht wird im allgemeinen noch auf diese an und für sich ja unbedeutenden, aber doch zur »Sitte« gehörenden Dinge gelegt. Auch die Hausfrau selbst sei rechtzeitig im gutsitzenden, sauberen, wenn auch schlichten Hauskleid, falls sie nicht den Vormittag zu Besorgungen, Besuchen und Spaziergängen benutzt. Bleibt sie aber im Hause, so wirb sie genug zu nähen, zu flicken oder zu stopfen haben; denn selbst was eine Jungfer oder wie man in Hamburg sagt ein »Nähkleinmädchen« (ein wundervoller Ausdruck) mit der Hand oder der Maschine auszubessern hat, bleibt immer hinter dem zurück, was die Frau selbst thut. Es ist nur natürlich: sie sorgt für ihre eigenen Sachen, ihr ist ein noch so kleines Loch wohl der Mühe des Stopfens wert, denn sie weiß, es wird schon nach der nächsten Wäsche ein großes sein und nichts will eben mit soviel »Liebe« behandelt sein, wie das Leinenzeug. Kann die Frau auch nur eine Stunde auf das Nähen und Stopfen verwenden, so wird sie vor allen Dingen dadurch über den Stand ihres Wäschebesitzes im klaren bleiben und rechtzeitig für das Ausbessern und Erneuern sorgen.

[62] 63. Die Mittagsmahlzeit. Die Mittagsmahlzeit, nenne man sie nun zweites Frühstück oder Diner – jedenfalls die Mahlzeit, die man im allgemeinen in Deutschland, abgesehen von den großen Kaufmannsstädten, als Mittagessen zu bezeichnen pflegt, wird die Familie erst vereinen. Aber während ein Beamter oder ein Kaufmann die Stunde wohl regelmäßig innehalten kann, wird sie in einer Offiziersfamilie häufig wechseln müssen und die Hausfrau sollte es sich dann zur Regel machen, für die Kinder und die Dienstboten die einmal bestimmte Essenstunde nicht zu verschieben. Denn das lange Warten und »Ueberhungern« oder unregelmäßige Zwischenmahlzeiten sind den Kindern sehr schädlich und die Leute werden durch häufige Veränderungen des Tagesprogramms ganz aus dem Geleise gebracht, in dem sie bleiben müssen, wenn der Haushalt glatt und ruhig weitergehen soll.

[63] 64. Pünktlichkeit. Mit ganz besonderer Strenge halte man darauf, daß das Mittagessen auf die Minute pünktlich bereit, der Tisch gedeckt, die Kinder anwesend und sauber gewaschen, die aufwartende Bedienung an ihrem Platze sei. Auch hier wieder muß die Hausfrau mit bestem Beispiel vorangehen, denn die Kinder und Leute werden sich nach ihr richten. Kommt sie von einem Spaziergang zurück, so sollte sie rechtzeitig genug zurückkehren, um die Straßentoilette gegen das Hauskleid umzuwechseln und einen prüfenden Blick auf den gedeckten Tisch und gleichfalls über das Essen auf dem Herde werfen zu können. Viel Aerger wird dadurch erspart und mancher Fehler in der Kochkunst kann noch schnell verbessert werden. Die Pünktlichkeit und das »Aufdemplatzesein« der Frau sind ebenso schon zur heiligen Tradition geworden wie in vielen Familien das Warten – auf den Hausherrn! Verstimmte Gesichter, vorwurfsvolle Bemerkungen, verdorbenes Essen sind noch kleine Leiden im Verhältnis zur beginnenden Unordnung im Haushalt. Ausnahmen können natürlich passieren und sind gestattet – in der Regel aber sollte auch der Mann die tyrannisch geforderte Pünktlichkeit »auf die Sekunde« sich selbst angewöhnen. »Frauen sind ja nie fertig« – ein gerngebrauchtes und gewiß oft wahres Wort. Die Entschuldigungen, daß man im letzten Augenblick noch nach den Kindern sehen, daß irgend eine Anfrage, eine Bestellung erledigt werden, daß man sogar noch dem Mann helfen oder für ihn sorgen mußte – sie gelten nie, selbst wenn sie Grund und Boden haben. Es sind wenigstens Entschuldigungen – der Mann hat keine für Unpünktlichkeit, dienstliche natürlich ausgenommen. Er ist »frei«, wenn er ins Haus kommt, und wenn er nur wollte, könnte er präzise sein – selbst des Abends, nach dem beliebten Stammtisch! Wehe der Frau, die sich einmal verspätet – wohl dem Mann, der seine Rücksicht und Galanterie gegen die Frau so weit treibt, – daß er sie nie warten läßt! –

[64] 65. Nach Tisch. Die bestimmte Einteilung des Tages wird auch »nach Tisch« aufrecht erhalten. Wohl überall breitet sich nach der Hauptmahlzeit Ruhe und Frieden aus; die Eltern schlafen oder ruhen, die Kinder gehen aus, spielen im Garten oder werden ermahnt, sich eine Weile ruhig zu verhalten. Allerdings nicht immer mit Erfolg! Aber ein Mann, der anstrengend arbeitet, sei es in welchem Beruf auch immer, bedarf einer halben oder einer ganzen Stunde des Ausruhens und eine Frau wird sie ihm zu verschaffen wissen. Der Hausfrau selbst wird die Erholung ebenfalls gut thun, besonders wenn sie fleißig im Haushalt hilft. Aber auch »nach Tisch« muß Pünktlichkeit herrschen: Die Köchin hat bis zu einer bestimmten Zeit das Geschirr aufzuwaschen, Töpfe zu scheuern und die Küche aufzuräumen; ebenso müssen Glas und Silber pünktlich fertig und der Tisch abgeräumt sein.

[65] 66. Die Kaffeestunde. Die gemütliche und beliebte Kaffeestunde ist der letzte Teil der Ruhepause, die von der Mittagsmahlzeit an beginnt. Denn nach dem Kaffee werden Mann und Kinder wieder an die Arbeit gehen müssen und auch für die Frau wird sich noch allerlei zu thun vorfinden.

[66] 67. Der Nachmittag. Für die Dienstboten füllt sich der Nachmittag mit Extraarbeiten, wie Silberputzen, Plätten u.s.w. aus, jedenfalls mit ruhigeren Arbeiten, als am Morgen. Darauf halte man; denn erstens ist ein Haus schrecklich und durchaus »mauvais genre«, in dem während des ganzen Tages reingemacht wird und Eimer, Besen und Staubtücher umherstehen und liegen – und zweitens darf man die Kraft der Leute nicht überschätzen oder zu sehr ausnützen. An den furchtbaren Tagen der »großen Reinmachereien«, bei Gesellschaften u.s.w. wird man allerdings weniger Rücksicht zu nehmen brauchen.

[67] 68. Die Abendmahlzeit. Auch die letzte Mahlzeit am Tage sei möglichst präzise, allerdings wird sie häufigeren Schwankungen unterworfen sein als das Mittagessen. Gesellige Verpflichtungen, Theater- und Konzertbesuche u.s.w. werden sie verschieben und lassen es in einem kinderreichen Hause wünschenswert erscheinen, daß die Kinder ein für allemal früher und allein essen, damit die Schlafenszeit genau innegehalten werden kann. Auch hier muß sich die Hausfrau überzeugen, daß die Kinder ihre Suppe, Milch oder den Kakao zur rechten Zeit gutgekocht und sauber serviert erhalten, auch daß die Bäder oder Abwaschungen ordentlich verabreicht werden und alle pünktlich im Bett liegen. Einer gewissenhaften Person wird man diese Fürsorge ja überlassen können – die Aufmerksamkeit und Liebe der Mutter sind aber kaum zu ersetzen!

Nach dem Abendessen müssen die Speisen verwahrt, das Geschirr aufgewaschen und alles Nötige zum Morgen wie Milchtöpfe, Brotkörbe u.s.w. bereitgestellt werden, damit des Morgens keine Zeit durch Laufereien verloren wird. Ebenso bespreche man, welche Bestellungen beim Schlachter, Kaufmann und Gemüsehändler gemacht werden müssen, damit die Lieferanten morgens nicht aufgehalten werden und man selbst nicht beständig gestört wird.

[68] 69. Schlafensstunde. Man lasse die Dienstboten nie länger aufbleiben, als unbedingt nötig ist. Die Stunde des Schlafengehens wird durch die Abendmahlzeit bestimmt, auch dadurch, ob der Haushalt sehr früh beginnt. Man halte auch hier an einer bestimmten Zeit fest und vergesse nie das alte Wort, daß eine Stunde Schlaf vor Mitternacht bekömmlicher ist, als zwei Stunden nach Mitternacht.

[69] 70. Was ist die Hausordnung? Wie bei der Tageseinteilung, so ist auch bei der Hausordnung die Pünktlichkeit die Hauptsache.

Was versteht man unter »Hausordnung?« Die Verteilung der verschiedenen Arbeiten auf die Woche und den Monat, die Anzahl der Mahlzeiten, die Art, wie reingemacht und aufgeräumt wird, die Beschäftigungen der einzelnen Dienstboten (wenn z.B. das Silber untersteht, wer die Thür öffnet, welche Zimmer von jedem Mädchen reinzumachen sind u.s.w.). Wie in jedem Haus die Bereitung der Speisen in etwas anderer Weise geschieht, als in anderen, so wird auch die Hausordnung überall verschieden sein. Sie hat sich der Tageseinteilung zu unterwerfen, d.h. man muß allmählich und durch Erfahrung dahin kommen, die wünschenswerte und angestrebte Ordnung im Haushalt zu erreichen, wenn man die durch den Beruf des Mannes oder einen anderen Zwang bedingte Tageseinteilung genau innehält und dennoch alles berücksichtigt, was nicht nur zur Ordnung des einzelnen Tages, sondern zur Instandhaltung der ganzen Wirtschaft gehört.

[70] 71. Was umfaßt die Hausordnung? Die Hausordnung umfaßt also erstens den ganzen Wirtschaftsplan; sie bestimmt, ob ein- oder zweimal im Monat gewaschen wird, wann der Plätttag, der wöchentliche »Reinmachetag« ist, wann das Silberputzen, Fenster waschen, das Wollwäsche waschen, das Nähen u.s.w. stattfinden soll. Die Hausordnung muß allmählich allen in Fleisch und Blut übergehen, und ist sie bestimmt und klar festgesetzt, so wird sie in immer wiederkehrender Reihenfolge alle Gebiete des Haushaltes berühren. Auch die kleinen Besonderheiten jeder Wirtschaft regelt sie – in einem Hause wird schon abends die Feuerung in die Oefen gelegt, in einem andern am Morgen, hier wird morgens gebadet, dort abends – bei einer Familie dürfen die Mädchen am Freitag für sich nähen, in der andern nur des Sonntags; ja, sie erstreckt sich auf die einfachsten Vorrichtungen: auf die Art, wie die Stiefeln geputzt, wie die Lampen gereinigt, wie gedeckt, wie abgeräumt wird – auf welche Weise man anrichten und servieren läßt, wie die Wäsche gelegt wird (z.B. Servietten drei- oder vierteilig), ja selbst, wie man seine Gäste bewirtet (nur die Unterhaltung darf nicht nach Schema F sein!). – Für alles im Hause, für die Bewohner, die Leute, den Gang des ganzen Lebens wird sich eine Ordnung herausbilden, die wir nicht langweilig schelten dürfen: denn sie ist es, die auch in einer zahlreichen Familie die Arbeit unendlich erleichtert und, wenn sie eben genau beobachtet wird, den Anschein erweckt, als ginge alles von selbst – ohne Mühe, ohne Aerger und ohne Aufpasserei. So ist die Hausordnung der erbittertste Feind alles Zufälligen, Wechselvollen; und eine Hausfrau sollte sich lange bedenken, ehe sie auf den Rat einer Freundin etwas Neues einführt oder große Aenderungen im Programm des Haushaltes vornimmt. Gewiß könnte man sich manches erleichtern oder praktischer einrichten, und bequem einzuschaltende Neuerungen darf man gern annehmen. Aber es liegt eine große Gefahr darin, gegen seine eigenen Prinzipien und Erfahrungen mißtrauisch zu werden und sich unsicher machen zu lassen. Der beste Beweis, daß die bis dahin befolgte Hausordnung richtig und praktisch war, liegt darin, ob Ruhe im Haufe ist, den Ansprüchen an Ordnung und Sauberkeit genügt wird – und – ob alle zufrieden sind!

Alle diese Bedingungen sind aber auch wieder in jedem Hause anders: die eine Frau übersieht Schmutz und Unordnung, nur um Ruhe zu haben; die andere gönnt vor ewigem Reinmachen niemanden eine stille Minute – und doch sind beide zufrieden! Nun: chacun à son goût – Jeder nach seinem Geschmack!

[71] 72. Die beste Hausordnung. Die beste Hausordnung bleibt die, von der niemand etwas werkt und die dennoch mit festem Bann Wirtschaft, Küche und Lebensweise umschlingt, der sich alle im Hause wie ganz selbstverständlich fügen und die mächtig genug ist, für immer Ruhe, Frieden und Behaglichkeit in den vier Wänden festzuhalten.

[72] 73. Hat sich ein Fremder der Hausordnung zu fügen? »Es ist ganz selbstverständlich, daß der Gast sich in die Hausordnung fügt« – aber es ist nicht ganz so selbstverständlich, wie man meinen sollte! Es giebt Familien, die thöricht genug sind, dem Gast Ruhe und Behaglichkeit zu opfern, seinetwegen die Mahlzeiten zu verschieben, oder gar die Rücksicht so weit zu treiben, daß sie sich in der Arbeit stören lassen, die Schlafensstunde verlegen und gesundheitlich und pekuniär für den Gast große Opfer bringen. Das ist nicht die rechte Gastfreundschaft: ein Gast – ich verstehe jetzt darunter einen Hausbesuch – soll ein Heimatsgefühl bei uns haben, er soll sich zur Familie zählen und jeden einigermaßen feinfühlenden Menschen muß es aufs tiefste beschämen oder peinigen, wenn er sieht, daß der Haushalt seinetwegen in Unordnung gerät oder ihm gar Opfer irgendwelcher Art gebracht werden. Diese übertriebene Gastfreundschaft wird einen verständigen, bescheidenen Menschen geradezu vertreiben.

Wiederum giebt es Gäste – jeder wird sie einmal bei sich gesehen haben! – die es in großer Unbefangenheit einfach fordern, daß man ihretwegen eine Aenderung in der Hausordnung eintreten läßt. Jede Hausfrau wird sich etwas nach ihrem Gast richten können, wenn sie will – aber sie sollte nie etwas gestatten, von dem sie im voraus weiß, daß es Unordnung, oder Aerger oder beides im Gefolge haben wird. Ein Gast hat die Pflicht, sich ganz der Hausordnung einzufügen – am Kaffeetisch morgens zu erscheinen, wenn es verlangt wird, die Mahlzeiten inne zu halten, das zu essen, was auf den Tisch kommt, ohne plötzlich etwas Besonderes für sich zu verlangen, die Ruhestunden zu respektieren, die Dienerschaft nicht unnötig und nicht zu viel für sich zu beanspruchen – kurzum, wirklich ein angenehmer Gast zu sein! Und je jünger er ist, desto bescheidener sei sein Auftreten! Ich erinnere mich eines jungen Mädchens, das abends um 11 Uhr, als alles zur Ruhe gehen wollte, klingelte und ruhig nach einem Getränk verlangte, das unten im tiefsten Keller lag. Nach solchen kleinen Zügen kann man das Wesen eines Menschen beurteilen; es ist zwar nicht immer Arroganz, oft nur Unüberlegtheit. Z.B. forderte in Paris ein alter Herr bei dem ›jour‹ einer Dame, wo nur Thee serviert wurde – ein ganzes Glas Milch! Oben auf einer Etage – in einem kinderlosen Hause! Die Hausfrau sah starr auf ihr winziges Sahntöpfchen und hoffte, ihre Köchin wurde irgendwo eine geheimnisvolle Kuh beherbergen – leider nein! Man setze seine Wirte also nicht durch besondere Wünsche in Verlegenheit, seien sie auch noch so gering – sondern sei zufrieden und müsse man auch auf dies oder jenes, an das man sich gewöhnt hat, verzichten. Wer das nicht will – der bleibe zu Hause!

Quelle:
Baudissin, Wolf Graf und Eva Gräfin: Spemanns goldenes Buch der Sitte. Berlin, Stuttgart [1901], S. 9-73.
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