II.

Häusliche Toilette.

[73] 74. Ueber die Kleidung im Hause. Auch sie wird durch die Hausordnung bestimmt. Ist es Sitte, daß spät, um 6 oder 7 Uhr zu Mittag gespeist wird, so kann man hübschere und bessere Toilette anlegen als zur gewöhnlichen Mittagszeit, welcher wiederum die alltägliche Arbeit folgt. Von der Stunde der Mahlzeiten, von dem einfacheren oder eleganteren Zuschnitt des Hauses wird die Kleidung des einzelnen bestimmt werden und auch hier halte man darauf, daß Garderobe, Einrichtung und Lebensweise im Einklang stehen. Die Frau, der eine geräumige Wohnung und mehrere Dienstboten zur Verfügung stehen, hat die Verpflichtung, sich gut, wenn auch einfach zu kleiden, während in bescheideneren Räumen übertriebene Eleganz der Toilette lächerlich wirken würde. Gesellschaftskleider werden durch die Gelegenheit, zu der man sie tragen will, bestimmt; Hauskleider müssen mit Umsicht gewählt werden, denn sie sollen nützlich sein und uns täglich durch ihre Zweckmäßigkeit erfreuen.

[74] 75. Kleidung für den Hausherrn. Der Mann, der womöglich während des ganzen Tages außerhalb seiner Wohnung ist, wird am Abend froh sein, die Stiefel von den Füßen, das gestärkte Hemd, vielleicht auch noch den Rock abstreifen zu können und irgend was zu tragen, was ihm durchaus bequem ist. Dagegen ist durchaus nichts zu sagen; aber ein Mann sollte die Begriffe »bequem« und »nachlässig« nicht verwechseln. Es ist nicht nötig, die Familie, nachdem man sie eben noch im hellen Anzug, modischen Schlips und eleganten Schuhzeug begrüßt hatte, nach ein paar Minuten durch eine gänzliche Umwandlung zu erschrecken. Niedergetretene, formlose Pantoffeln, vertragene Beinkleider, Weste und Rock von verschiedenen Farben, vielleicht auch noch das beliebte »Jägerhemd« mit blauem Schnürchen oder ohne jede Dekoration – bequem mag es sein – hübsch ist es nicht! Es ist keine Sparsamkeit, Kleider, die verfleckt und abgeschabt sind, im Hause bis auf den letzten Faden aufzutragen, Kleider in einem solchen Zustande braucht es in einem Haushalt überhaupt nicht zu geben. Existieren sie dennoch, wenigstens im Kleiderschrank des Mannes, so wird es nicht immer die Schuld der Frau sein. Es giebt eben Männer, die sich und den Ihrigen einen solchen Idealanblick eines herabgekommenen Kostüms schuldig zu sein glauben! In Bürger- und Handwerkerkreisen ist das Sitzen in »Hemdärmeln« noch sehr beliebt. Ich entsinne mich eines Besuches, den ich zu einer Konfirmation in einer kleinbürgerlichen, recht wohlhabenden Familie machte: Frau und Töchter in höchster, neumodischer Eleganz – der Mann inmitten seiner Gäste in Hemdärmeln. Nun fuhr er schleunigst in den Rock, zog aber, ehe er mir die Hand reichte, noch schnell die Manschetten aus – das »Warum« habe ich nicht begriffen! Eine Frau sollte es um ihrer selbst willen nicht dulden, daß ein Mann in so vernachlässigtem Zustand Mahlzeiten einnimmt oder den Abend verbringt. Muß ein Anzug aufgetragen werden, so sei er wenigstens sauber. Pantoffeln sind nie außerhalb des Schlafzimmers zu gestatten, jeder »Schuhbazar« bringt eine Auswahl leichter und bequemer Schuhe. Den Straßenanzug gegen den Hausanzug zu wechseln, ist jedem Manne zu raten. Aber es erfordet kein großes Opfer – nachdem einmal alles vertragen ist! – sich einen wirklichen Hausanzug anzuschaffen. Er ist in Jackettform gemacht, Beinkleid, Weste und Rock von gleicher, im Winter dunkler, im Sommer hellerer Farbe. Wer das gesteifte Hemd verschmäht, mag ein seidenes Tuch um den Hals tragen; an den Füßen schwarze, rote, braune oder Lackschuhe. Auch wird dieser Anzug, der gern aus leichtem, feingestreiftem Flanell hergestellt wird, von vielen Herren auch am Morgen getragen. Der Schlafrock gehört den älteren Semestern, wird jetzt von vielen auch nur noch im Schlafzimmer, nach dem Baden oder bei Erkältungen, benutzt. Die Offiziere tragen im Hause vielfach Civil; auch die bequeme »Litewka« ist gestattet, doch sollte sie – zu den Mahlzeiten wenigstens! – die Halsbinden verschmähen und einen weißen Kragen fordern. Jedenfalls mache auch der Mann es sich zur Regel, im Hause so gekleidet zu sein, daß nicht jedes Glockenzeichen ihn erschreckt und jeder Besuch ihn verscheucht. Im anständigen Hausanzug darf er fremde und nähere Bekannte, auch Damen empfangen.

[75] 76. Der Nachtanzug des Herrn. Das Nachthemd, das sehr lang sein muß und jetzt vielfach nach russischem Schnitt, mit schmaler bunter Kante am Kragen und an der Hand, hergestellt wird, ersetzt man durch die aus ganz leichter Wolle, Baumwolle, Halbseide oder Seide hergestellten »pejama's« – Nachtanzüge, die aus weitem Beinkleid und loser Jacke bestehen und sehr schnell bei den Herren beliebt geworden sind.

[76] 77. Kleidung für die Hausfrau. Der Hausanzug für die Frau wird fast noch mehr als durch ihre Geldbörse durch ihr Alter bestimmt. Doch halte jede Frau, ob reich oder arm, jung ober alt, den Grundsatz fest: wirkliche Hauskleider, auch Morgenröcke zu haben, und niemals Gesellschaftskleider unverändert im täglichen Leben aufzutragen! Es ist nichts schrecklicher als der Anblick einer Dame im verknitterten, mit unsauberen Stickereien und Rüschen besetzten Seidenkleid mit einer Schleppe, die ihr im Wege ist und die ihr unordentlich um die Füße hängt. Die Frage: »Aber was soll ich mit meinen alten Toiletten anfangen?« ist dahin zu beantworten, daß keine Frau es nötig hat, ein Kleid in unveränderter Form aufzutragen. Hat eine Frau viele elegante Toiletten, so hat sie auch das Geld für Hauskleider; muß sie aber den Stoff ausnützen, so wird es ihr selbst – vielleicht mit Hilfe einer Hausschneiderin oder des Mädchens – gelingen, einem Diner- oder Abendkleid die Fasson zu geben, die für das Haus gefordert wird. Sie bedaure nicht den halbschmutzigen Besatz; er wird sich, wenn er gereinigt worden ist, später vielleicht noch verwenden lassen; und tausendmal lieber gar keine Verzierung als eine unsaubere!

[77] 78. Der Morgenrock. Auch sollte die Frau niemals auf den Morgenrock verzichten; selbst wenn sie es verschmäht, ihn außerhalb des Schlafzimmers, vielleicht zum Frühstück, zu tragen, so wird sie seiner doch oft bedürfen. Wenn sie beim Ankleiden ist und es kommt ein Besuch oder ein Lieferant, den sie gern sprechen möchte, – im Unterrock mit der Frisierjacke sollte sich die Frau nie zeigen! So wird ihr der Morgenrock zum schnellen Ueberwerfen sehr dienlich sein, ebenso nach dem Baden, an den Erkältungstagen, auf Reisen u.s.w. Die Frau, die sich des Morgens im Haushalt beschäftigt, wird ihn aus soliden Stoffen wählen, ihn schlicht oder gar nicht besetzen und ihm keine Schleppe gönnen. Je schöner die Teppiche sind, die er streift, desto eleganter wird der Schlafrock sein und seine Ansprüche werden mit dem Zuschnitt des Hauses gleichen Schritt halten. Morgenkleider aus Seide, Krepp, Chiffon, über und über bedeckt mit Spitzen, werden von den größten Schneidern, wie z.B. von Doucet in Paris, mit größter Sorgfalt hergestellt und kosten kleine und größere Vermögen. Aber die »mondaine« weiß sehr genau, daß ihr nichts so gut steht, wie das weiche, lang herabwallende Gewand mit vollem Jabot, großem Kragen, halbweiten Aermeln und dem Ueberfluß an Spitzen, Volants und Plissés – ein eleganter Morgenrock ist das spezielle Attribut der eleganten Frau!

Also ganz auf den Morgenrock zu verzichten, ist fast unmöglich. Jedenfalls sollte die Frau dann ihr Schlafzimmer im Hauskleide verlassen. Es giebt aber auch Frauen und Familien, in denen es zur Hausordnung oder -unordnung! gehört, am Morgen einen ganz alten Rock und eine abgelegte Bluse zu tragen! Wer das schon thut, wird sicher das Prinzip haben: »es ist einerlei, wie man morgens aussieht« – demgemäß wird ihm an dem Zustand dieser Toilettesachen wenig gelegen sein! Keine Mutter dulde, daß die Tochter in dieser Weise am Frühstückstisch erscheint. Die schlechte Gewohnheit wird sie vielleicht nie wieder ablegen und der Mann, die Familie oder das Haus, dem sie später angehören wird, werden sich seufzend darein fügen müssen, als ersten Anblick am Morgen eine – Pardon! – »Schlampe« zu genießen.

[78] 79. Die Morgenhaube. Auch muß die Frau darauf halten, daß sie und ev. die Töchter am Morgen frisiert sind. Seitdem unsere lieben Großmütter die Nachthaube mit ins Grab genommen haben, in der sie so hübsch und würdig aussahen und unter der sie vor allen Dingen so ordentlich und glatt des Morgens zum Vorschein kamen, wachen die meisten Frauen mit einem »Wuschelkopf« auf, dessen Zustand durch das Brennen, Kräuseln, Wellen, Kreppen oder wie all die Kunstausdrücke heißen, nicht gerade schöner geworden ist. Wer »gewellt« wird, darf das Haar nicht flechten, um es nicht in andere Lage zu bringen – wer sich mit dem »Kreppen« begnügt, wird einen Kampf auf Leben und Tod haben zwischen Kamm und Haaren – bürsten darf man es nicht, das nimmt die Kräuse fort – kurzum, es wäre sehr angebracht, statistisch festzustellen, wieviel Frauen sich glatt gekämmt ins Bett legen – wieviel dagegen mit drei oder mehr abgezirkelten »Wellen« ums Haupt, einem Wirbelzopf oder -knoten, Stirnlocken (manche sind allerdings abzulegen!) und Nackenlöckchen. Die Statistik müßte sofort die Listen schließen, wenn alle Frauen schwören würden, trotzdem morgens hübsch, wenigstens sauber, frisiert zu erscheinen!

Früher also entstieg man mit glatten Zöpfen dem Himmelbett, setzte sich ein kleines Morgenhäubchen auf, zog über das gleichfalls vergessene, die Brust schützende »Untertuch« ein sauberes Morgenkleid und legte um den Hals diese netten kleinen Tücher aus feinem Battist oder Linon mit Hohlsäumchen und Spitzenkante – dem ganzen Stolz unserer Großmütter! Und auch diese Frauen fand man poetisch und liebreizend – vielleicht wurde ihre Anmut noch durch ihre Sauberkeit und Schlichtheit erhöht!

Die Morgenhaube, die sonst die Würde der jungen Frau erst befestigte und sie wirklich über die andern Sterblichen hinaushob, ist mit einem Schein der Lächerlichkeit umwoben worden und verschwunden sind aus den Aussteuerschränken die zierlichen rosa und hellblauen kleinen Mützen oder großen Schleifen, die sicher nicht alt oder geschmacklos wirkten. Aber ich fürchte, auch dieses Loblied wird sie nicht neu beleben können, sie werden wenigstens nur das Abzeichen der älteren Frau bleiben, die morgens keine Zeit hat – – alles zu ordnen und daher den beau reste sauber unter die verhüllenden Spitzen schiebt. Wer aber nicht Lust hat, Eisen und Scheren in aller Herrgottsfrühe in Bewegung zu setzen, bringe es fertig, wenigstens glatt und ordentlich um den Kopf auszusehen oder trage des Morgens eine ganz schlichte, ungekünstelte Frisur. Auch schon wegen der Dienstboten darf man sich diese Nachlässigkeit nicht gestatten – abgesehen von Mann und Kindern.

[79] 80. Das Hauskleid. Das Hauskleid wird auch bei den elegantesten Damen einen soliden Charakter haben. Es verschmäht zu reichen, zu empfindlichen Besatz, da es dauerhaft sein und vor allem soviel Widerstandsfähigkeit haben will, daß ihm häusliche Verrichtungen, ein Besuch in der Küche oder ein längerer Aufenthalt in der Kinderstube nicht schaden. Wird man sich das Hauskleid, wie es gewiß oft geschieht, nicht aus einem älteren Promenadenkleid herstellen, dessen Garnierung man durch eine neue, aber einfachere ersetzt, so wählt man je nach der Jahreszeit einen dunkleren oder helleren Stoff. Zum Winter Cheviot oder Tuch, covercoat – oder das behagliche homespun – zum Sommer Flanell, Loden oder leichten Kaschmir; denn man wird auch trotz der leichten Sommerkleider aus Battist, Leinen oder Musseline ein wärmeres Gewand für Regentage oder kühle Abende nötig haben. Sehr angenehm sind auch für die warmen Monate Foulardstoffe. Auch die beliebte Bluse, zu einem langlebigen Rock getragen, der seine Taille herzlos überdauerte, wird eine Rolle bei der Haustoilette spielen. Ist es möglich, so sorge man trotzdem für einen vollständigen Anzug derselben Farbe – die Bluse, besonders in einfacherer Fasson, behält immer etwas Unfertiges und wirkt immer wie ein Notbehelf.

[80] 81. Toilette zum »jour«. Hat man einen Empfangstag, den jour, so ist dazu ein eleganteres Kleid von gutem Sitz und hellerer Farbe nötig. Auch kann man als Stoff zu solcher Toilette Seide nehmen, die fürs Haus sonst das Privilegium der älteren Damen ist. Die Engländerin trägt bei sich zum five o'clock tea ein »tea-gown«, das meistens in Prinzeßform mit längerer oder kürzerer Schleppe, reichgarniert, gemacht ist. Die Französin dagegen empfängt wie die Deutsche im hellen, hübschen Hauskleide.

Nach welchem Prinzip man aber auch sein Hauskleid wählen mag: es muß existieren wie der Morgenrock. Kein Kleid kann auf die Dauer frisch genug bleiben, um als Straßen- und Haustoilette zu dienen und es muß der Dame zur Regel geworden sein, das Promenadenkleid sofort nach der Rückkehr ins Haus abzulegen und in das schlichtere, aber doch geschmackvolle Hauskleid zu schlüpfen.

[81] 82. Der Schuh. Zur Haustoilette gehören leichte Schuhe, keine Stiefeln – noch viel weniger aber Pantoffeln! Ein hübscher Schuh hebt den einfachsten Anzug und eine Dame sollte ihr Fußzeug besonders berücksichtigen und sich in dieser Hinsicht an der Pariserin ein Muster nehmen, die stets, auch wenn sie eine einfache Arbeiterin ist, nettes, sauberes Schuhwerk trägt.

[82] 83. Die Schürze. Die Schürze mag des Morgens und auch am Tage zuweilen für die Frau, die fleißig am Hauswesen teilnimmt, Bedingung sein. Auch zur Luxustoilette des jungen Mädchens gehört sie, für eine Dame aber paßt sie nicht; sie ist kein Schmuck, sondern soll schützen und bei der Arbeit die Gewähr geben, daß nicht jede Unvorsichtigkeit schwer bestraft werden wird. Muß also eine verheiratete Frau Schürzen tragen, so wähle sie dieselben weit, den ganzen Rock umschließend und so lang, daß sie bis zum Kleidersaum reichen. Als Stoff ist weißer Battist, ganz feines Leinen oder schwarze Seide zu wählen, die man am Rande mit Hohlsäumen, Spitzen, Einsätzen oder auch nur mit Aufsäumchen verziert. Alles was man unter Tändel-, Thee-, Zierschürzen u.s.w. begreift, gehört nicht zur Toilette einer Dame. Mit der Schürze empfange man keine Besuche – die Freundin darf uns bei Beschäftigungen sehen, ihretwegen braucht man die große, praktische und dabei hübsche Schürze nicht abzulegen. Natürlich sind auch Geschmack und Sitte in dieser Beziehung verschieden und mir wurde von einer jungen Frau erzählt, die, um dem Empfang eines fernen Verwandten jede Förmlichkeit zu rauben, entschuldigend sagte: »Verzeih, bitte, daß ich dich nicht in der Schürze empfange!«

[83] 84. Hausanzug für die Kinder. Kleine Kinder wird man in die große Aermelschürze stecken, um die hellen Leinen- oder Wollenkleidchen zu schützen. Sobald aber das Kind sich selbständig bewegt, umher kriecht und Gehversuche macht, erfährt die Toilette die erste Erweiterung dadurch, daß man einen Hausanzug zusammenstellt, der widerstandsfähiger ist und aus wertloserem Material, damit nicht jeder Riß einen Schaden bedeutet. Diese Theorie wird man festhalten, wenn das Kind zur Schule kommt; denn selbst die Lederschürze vermag Kittel und Beinkleid nicht genug zu schützen und wenn man auch zu Hause mal ein Auge zudrückt: der Schulanzug muß tadellos sein! Das kann man nur erreichen, wenn man die Kinder, sobald sie nach Hause kommen, die Kleider wechseln läßt. Die Kleineren werden die Anzüge der Größeren auftragen müssen, oder, wo es keine »Orgelpfeifen« giebt, wird sich ein älteres, etwas »ausgewachsenes« Beinkleid und eine Joppe oder Bluse finden, die für den Zweck noch gut genug sind. Es ist für Kinder eine Qual, beim Spielen immer Rücksicht auf die Kleider nehmen zu müssen; und um sich den Aerger und die Mühe des ewigen Ermahnens zu ersparen, gebe man ihnen einen regelrechten »Tobeanzug«. In einer mir bekannten Familie tragen alle Söhne im Hause Beinkleider aus Hirsch- oder Gemsleder. Die erste größere Ausgabe verlohnt sich wirklich. Damit ist nicht gesagt, daß die Kinder schmutzig oder zerrissen aussehen dürfen – auch diese Anzüge müssen in Ordnung gehalten werden – aber man verlange nicht, daß sie beim Spielen immer »fertig zum Photographieren« sind, zu welchem Akt man bekanntlich die krausen Locken glatt zu kämmen sucht und die freiesten Mienen zu einem kläglichen Lächeln zwingt. Im Hause gebe man den Kindern Freiheit und sorge für eine glückliche Jugendzeit!

Der Anzug der kleinen Knaben wird im frühesten Alter denen der Mädchen gleich sein. Die Unterschiede in der Toilette beginnen erst mit dem vierten oder fünften Lebensjahr. Die Bekleidung für die Mädchen ist leider noch sehr umständlich und die armen Dinger sind durch die vielen Röcke sehr in der Bewegungsfreiheit gehindert. Will man dem spezifischen Attribut der Frau, dem Unterrock, für das Kind nicht entsagen, so gebe man dem Mädchen – besonders wo Brüder und die Spiele infolgedessen wilder sind – wenigstens zum »Toben« im Haus ein dunkles Beinkleid, das bis zum Knie reicht und vom Kleiderrock verdeckt wird. Diese Tracht, die durch Radfahren, Turnen, Tennis u.s.w. eingeführt worden ist, kann auch für den Winter sehr empfohlen werden. Die Leinenhöschen schützen lange nicht genug.

Auch für die Töchter halte man einen »Hausanzug« bereit und zwinge die eitlen, kleinen Dinger, das hübsche Schulkleid mit dem hellbesetzten Matrosenkragen in den Schrank zu hängen. Auch ein altes Kleid werden sich die Mädchen durch ein Band, eine Schleife oder eine saubere Schürze gefällig machen können und man lasse sie ruhig darin gewähren. Fangen sie erst an, für sich zu sorgen, so wird ihnen auch bald jede Unordnung im Anzug peinlich sein.

[84] 85. Fußbekleidung für die Kinder im Hause. Es ist sehr praktisch, die Kinder auch das Schuhzeug wechseln zu lassen, sobald sie nach Hause kommen. Leichte, bequeme Schuhe sind vorteilhaft für die Ruhe im Hause, die Schonung der Teppiche und Läufer, nicht zum mindesten aber für die Gesundheit der Kleinen, die schwereres Schuhzeug ermüdet und deren Gang dadurch unbehilflich und häßlich wird.

[85] 86. Die Schürze für die Kinder. Für größere Knaben fällt die Schürze fort – kleinere werden im Hause vielfach Lederschürzen, Schürzen aus grauer, derber Leinwand, mit bunten Kanten eingefaßt, oder mit Emblemen der Kinderstube wie Trommeln, Bälle, Soldaten u.s.w. bestickt oder sogenannte »Kittelschürzen« tragen, deren Name, das Kittelartige, durch den Gürtel bedingt ist. Kleine und große Mädchen aber tragen Schürzen in allen Farben und Größen, aus feinerem und gröberem Material. Die großen, weiten, langärmeligen sind am praktischsten, da die bunten doch nach und nach durch die Wäsche die Farbe verlieren.

[86] 87. Die Kleidung für die Dienstboten. Auch im einfachsten Hausstand ist dafür Sorge zu tragen, daß das »Mädchen für alles« anständige Kleider und Schürzen trägt und nicht wie eine Eule umherläuft. Es ist ja verdrießlich, daß ein Mädchen gerade dann meistens den Wunsch hat, »sich zu verändern«, oder daß man selbst ihn spürt, wenn sie glücklich durch unsere Hilfe eine kleine Aussteuer an Wäsche, Waschkleidern, Schürzen, häuslichen und einfachen Hauskleidern hat. Den Schwur: »So! Der Nächsten gebe ich nichts mehr, es soll mir egal sein, wie sie aussieht!« bricht man gottlob, sobald man die Schätze der Neuen sieht; und das ist recht gut. Denn schließlich ist es nur der eigne Vorteil, vor allem das wohlthuende Gefühl, einen anständig und sauber gekleideten Menschen um sich zu haben, das uns gegenüber den ausgefransten Röcken und verwaschenen Schürzen so freigebig werden läßt. Abgesehen von Weihnachtsgeschenken oder Gaben zu irgend einem Fest, kann man der Garderobe der Mädchen auch sonst etwas aufhelfen, wenn man es vermeidet, ihnen von den Sommerfrischen oder anderen Reisen Broschen, Nähnecessaires, Vasen oder Tassen mit der Aufschrift »Westerland« oder »Ischl« mitzubringen. Die Waren in den Bädern sind überall gleich geschmacklos – und unpraktisch und selbst wenn man nur eine Mark oder eine Mark fünfzig auf das »Mitbringsel« verwenden will, da die Reise ohnehin schon so teuer war, so läßt sich auch für diese Unsummen etwas Praktisches einhandeln – wenn man nur will! Z.B. ein Paar Handschuhe oder ein Paar Strümpfe, selbst Stoff zu einer blauen Küchenschürze ist für den Preis zu bekommen. Ich höre schon das spöttische Lachen vieler Damen – vor allem die Entgegnung: »Aber das wollen die Mädchen gar nicht! Die sind nicht zufrieden, wenn es nicht etwas Blankes oder Glitzerndes ist, was nach etwas aussieht« – »und nichts ist!« Gestatten Sie mir den Satz zu vollenden. Denn eine Vase oder eine Brosche, selbst mit »Westerland« darauf, ist nichts! Und liegt diese Geschmacksrichtung wirklich in den Mädchen, so mag man sie selbst dafür sorgen lassen, daß sich ihre Kommode mit solchem Kleinkram füllt, die paar Groschen können sie eher ausgeben als das Geld für tüchtige Wäsche und Kleider. Ich habe selten oder nie »Perlen« von Mädchen gehabt, wenn auch vielleicht nie die allerschlechteste Sorte. Aber selbst die, mit deren Ordnung und Eigenheit die meine nicht harmonierte, haben kein verdrießliches oder verstimmtes Gesicht gemacht, wenn ich ihnen etwas Nützliches schenkte oder mitbrachte. Schon daß man ihnen sagt: »Ich wußte, daß Sie Schürzen oder Hemden oder Taschentücher oder Stoff zu einem hellen Waschkleid nötig haben,« freut die Mädchen und ihr Vergnügen an guten Sachen wächst, je mehr sie von ihnen besitzen. Man mache bei jedem Mädchen, ehe man es mietet, zur Bedingung, daß sie am Morgen helle oder dunkle Waschkleider, am Nachmittag schwarze oder wenigstens dunkelfarbige, schlichte Wollkleider trage – keine Blusen, keine bunten Einsätze, Spitzentragen, farbige Schleifen oder dergleichen. Ein Mädchen fühlt sehr schnell den Ton des Hauses heraus und weiß sofort, ob sie mit Unverfrorenheit durchkommen wird. Daher ist es sehr falsch, ihr im Anfang aus Gutmütigkeit etwas durchgehen zu lassen, was man ihr später nur schlecht abgewöhnen kann. Um das Haus und seiner selbstwillen sorge man mit für gute und tüchtige Hauskleider – später ist es immer noch Zeit, Kleider für die Ausgehtage zu schenken. Niemals dulde man, daß ein Mädchen, wie z.B. das Berliner Dienstmädchen der Bürgerkreise, ihre alten Sonntagskleider im Hause aufträgt und den Kaffee morgens in einer verfleckten Seidenbluse oder einer perlenbenähten Trikottaille, die überall durchgescheuert ist und etwas »Grimmeliges« durchblicken läßt, triumphierend auf den Tisch setzt. Auch alte Kleiderröcke in unveränderter Fasson als Unterröcke aufzutragen, in Pantoffeln umherzufahren oder gar die Betten zu machen, während man ein altes Winterjackett aufträgt und zum Schutz (nicht der Bettwäsche, sondern des entsetzlichen, grauen Wollrockes) in eines der Knopflöcher, deren korrespondierende Knöpfe doch abgerissen sind, ein Wischtuch gezogen hat, nein, das sollte man nicht durchgehen lassen, welche ganz vortrefflichen Eigenschaften Guste oder Mariechen sonst auch haben mag!

[87] 88. Tracht der Hamburger Dienstmädchen. Die saubere Tracht der Hamburger Dienstmädchen, die sich gottlob jetzt auch in andern Städten einbürgert, sollte überall eingeführt und von allen Frauen von ihren Mädchen verlangt werden. Das Hamburger Häubchen, von langer, schmaler Form, aus weißem Tüll mit Spitzen oder Rüschen, unter dem Kinn mit weißen Tüll- oder farbigen Seidenbändern gebunden, ist sehr kleidsam, wird gewiß aber oft auf Widerstand stoßen. In manchen Häusern in Hamburg verzichtet man deshalb auf die Bänder, auf die Häubchen niemals. Das Hamburger Mädchen trägt morgens helle Waschkleider und weiße Schürzen; am Nachmittag schlichte schwarze Kleider (ohne jeden Besatz!) weiße Kragen und Manschetten, weite Schürzen und das kleine Häubchen. Sie ist so an die Tracht gewöhnt, daß sie nur in bitterster Kälte eine Jacke zum Ausgehen über das Kattunkleid zieht; und sie versteht es, auch bei groben Arbeiten ihr Kleid in acht zu nehmen. Hamburg ist so schmutzig und rußig wie wohl kaum eine zweite Großstadt in Deutschland. Wenn es trotzdem möglich ist, die Mädchen dort so zu kleiden – sollte das in andern Städten nicht erst recht gehen?

Die Hamburger Köchin bleibt während des ganzen Tages im hellen Waschkleide.

[88] 89. Tracht der Lübecker Mädchen. Die Tracht der Lübecker Dienstmädchen wurde eine Zeitlang fast ganz von der Hamburger verdrängt, in den alten Familien macht sich jetzt aber eine Reaktion zu ihren Gunsten geltend. Nur die runde Mütze, die von einem emporstehenden Schirm eingefaßt wird, hat fast ganz dem Hamburger Häubchen weichen müssen. Die Tracht der Lübeckerin besteht aus einer roten Wollen-oder schwarzen Samttaille, die am Halse schließt, aber kurze Puffärmel hat, die zum Arm von schmaler Stickerei oder Spitze begrenzt werden. Der fußfreie, »eingemachte« Rock, wie er offiziell heißt, richtig »eigengemacht«, ist ursprünglich aus gestreiftem, dickem Wand, um den sich als Schmuck ein handbreiter, schwarzer Samtstreifen, ungefähr 8 cm vom Rande, zieht. Dazu gehören weiße Strümpfe, tief ausgeschnittene, schwarze Lederschuhe und eine blendend weiße, etwas abstehende Schürze mit breiter Stickerei und langen Bändern. Vervollkommnet wird der Anzug durch einen feinen, sehr kunstvoll geflochtenen Korb mit dohem, gewölbtem Deckel und Henkel, den ganz zierliche Kettchen aus Korbgeflecht guirlandenförmig umgeben. Die weite Plüschjacke, die zum Winterkostüm gehörte, sieht man in Lübeck so selten, wie in Hamburg den Korb, dessen Hauptzierde ein lang herabfallendes buntes Seidentuch bildete.

Eine besondere Eigentümlichkeit der Lübecker und Hamburger Mädchen sind ein zweites Paar Bänder an den Schürzen, die hinten in halber Höhe angebracht sind und es ermöglichen, den Kleiderrock bei jeder Arbeit bequem emporzuraffen.

[89] 90. Kleidung für den Diener. Wenn ein vornehmer Haushalt mehrere Diener hat, so wird die Kleidung Amt und Würden nach bestimmt sein: Der Haushofmeister wird im schwarzen Frackanzug das Diner überwachen, die aufwartenden Lakaien werden Livreen in den Farben des Hauses mit Wappen oder kronengeschmückten Knöpfen tragen, der Jäger, dessen Obliegenheit es ist, den Wein einzuschänken, bleibt in grüner, verschnürter Uniform; der kleine page-boy oder groom trägt das sogenannte »Eton-jacket«, dessen Ausschmückung nur in drei Reihen goldner oder silberner Knöpfe besteht, die Kammerdiener tragen Eskarpins, seidne Strümpfe und ausgeschnittene Schuhe. All diese Pracht mit den empfindlichen Aufschlägen oder Borten wird am Morgen gegen schlichte Hausanzüge, vielleicht mit Litewka eingetauscht; denn selbst wer zahlreiche Diener hat, spart – mit weißer Wäsche.

Wer nur über einen Diener verfügt, wird auch ihm einen sturmerprobten Morgenanzug geben und seine Livree wird mit Recht nicht ganz so üppig sein, da er auch noch nach dem Diner allerlei Pflichten zu erfüllen haben wird. Sehr praktisch, für den Morgen wenigstens, sind Leinen- oder Drillichanzüge oder blau und weiß, oder rot und weiß gestreifte Köperstoffe, die sich gut waschen lassen. Auch sorge man für blaue und für weiße Schürzen, baumwollne Handschuhe zum Servieren und leichtes Schuhzeug.

[90] 91. Der Offiziersbursche. In den Offiziersfamilien spielt der Bursche eine große Rolle, da von seiner Anstelligkeit oder Dummheit viel für den Haushalt – des bescheideneren Zuschnitts wenigstens – abhängt. Hat der Bursche kein Pferd zu versorgen, so wird er fast all seine Zeit – einen liebenswürdigen Hauptmann vorausgesetzt! – in der Behausung seines Herrn verbringen und es wird der erste Wunsch der Hausfrau sein, die vom Feldwebel gütigst gestattete vierte Garnitur aus Seh- und Geruchsweite (pardon!) zu entfernen. Drillichjacken für den Morgen, eine dunkelblaue oder schwarze, jedenfalls praktische Livree für den Tag wird sie ersetzen und vielleicht wird es noch eine Paradetracht mit heller oder gestreifter Weste für Gesellschaften geben. Merkwürdigerweise tragen englische und französische Diener jetzt viel das dunkle Tuchbeinkleid mit roter Biese – erscheint also der Bursche einmal oben Civil, unten Militär – so ist es die allerneuste Mode und durchaus beabsichtigt. Es kommt alles auf die Erklärung an!

Quelle:
Baudissin, Wolf Graf und Eva Gräfin: Spemanns goldenes Buch der Sitte. Berlin, Stuttgart [1901], S. 73-91.
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