IV.

Aussichten und Verhältnisse in den bürgerlichen Berufen.

880. Aerzte. Das Studium aus der Universität erfordert vier und einhalbes Jahr, dessen Kosten etwa 10000 Mark betragen. Beihilfe durch Stipendien ist nur sehr schwer zu erlangen, verringert können die Kosten des Studiums dadurch werden, daß der Studierende das Königlich-Medizinisch-Chirurgische Friedrich-Wilhelms-Institut aufsucht und sich dort als Ersatz für das Sanitätsoffizierkorps heranbilden läßt. Die gesamte Ausbildung erfolgt auf Staatskosten, und außerdem haben die Zöglinge freie Wohnung und eine monatliche Zulage von 30 Mk. Als Gegenleistung haben sie sich zu verpflichten, doppelt so lange als Militärarzt zu dienen, wie sie die Anstalt besuchen. Aber Militärarzt zu sein, ist nicht jedermanns Sache, ihre Thätigkeit ist nicht allzu abwechselnd und namentlich in den ersten Jahren kommen sie nur ganz ausnahmsweise dazu, einen Kranken nach eigenem Ermessen zu behandeln. Der Assistenzarzt muß sich von dem Stabsarzt, dieser von dem Oberstabsarzt und dieser wieder von seinen anderen Vorgesetzten in Bezug auf die Verordnung von Medikamenten und den sonstigen Anordnungen Vorschriften machen lassen. Dazu gesellt sich, daß die gesellschaftliche Stellung der Sanitätsoffiziere keine allzu hervorragende ist, sie haben zwar Offiziersrang, aber werden trotzdem selbst von den jüngsten Leutnants geringschätzig angesehen und müssen sich sehr häufig nicht nur von ihren direkten Vorgesetzten, sondern auch von den militärischen Vorgesetzten wenig erbauliche Dinge sagen lassen.

[880] 881. Jura. Auch wer Jura studiert, muß über einen nicht unbedeutenden Geldbeutel verfügen, denn es dauert sehr, sehr lange, bis er fest angestellt ist und Gehalt bezieht. Das Studium dauert 3 Jahre und die Kosten belaufen sich bei bescheidenen Ansprüchen mindestens aus 1350 Mk. jährlich. Außerdem ist vor dem Referendarexamen noch der überzeugende Nachweis zu führen, daß dem Kandidaten für die Dauer von fünf Jahren die zum standesgemäßen Unterhalt erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen. Referendar bleibt man gegen vier Jahre, ohne daß man während dieser Zeit irgend welche Geldentschädigung erhält. In der Folge ist die große Staatsprüfung abzulegen und damit ist gewissermaßen die Ausbildung beendet. Bezahlt wird er aber auch dann noch nicht, er muß sich vielmehr darauf einrichten, auch nach abgelegtem Staatsexamen noch mindestens fünf Jahre aus eigenen Mitteln mit jährlich wenigstens 1500 Mk. zu leben, bis nach Angabe des Altervorrangs Besoldung eintritt.

[881] 882. Post. Beim Beruf der Postbeamten ist zwischen der niederen und höheren Laufbahn zu unterscheiden. Bei der letzteren ist das Abiturientenzeugnis Bedingung. Die Ausbildung beginnt mit dem Eintritt als Posteleve und ungefähr zwei Jahre muß der Betreffende aus eigener Tasche leben, ehe er Taggelder bezieht. Aber auch dann ist ein jährlicher Zuschuß von mindestens etwa 300 Mk. nötig, bis nach etwa 6 Dienstjahren mit dem Sekretärposten eine auskömmliche Gehaltszahlung (1700 bis 3500 Mark) und Wohnungsgeldzuschuß eintritt. Jede Beförderung in dieser Carriere ist abhängig von dem Ausfall der Prüfungen. Nach drei Jahren erfolgt die Postsekretärprüfung und außerdem ist von demjenigen, der nach Höherem strebt, die Postverwaltungsprüfung abzulegen und zwar zwei Jahre nach bestandener Sekretärprüfung, wenn hier überall das Prädikat »gut« erreicht wurde, sonst erst in drei Jahren.

Jeder Postbeamte, dem bei Ausübung des Dienstes Geld oder sonstige Gegenstände, welche der Post angehören oder zur Beförderung übergeben sind, anvertraut werden, ist gezwungen, vor Eintritt in den Dienst eine Kaution zu stellen, deren Höhe zwischen 300 und 9000 Mark schwankt.

Ueber die Aussichten in diesem Beruf heißt es in dem Buch: »Der Pfadweiser«, Verfasser H. Rausch, Verlag von Wiegandt u. Grieben, Berlin, (Preis 2 Mk. 50 Pfg.), dem ich die obigen und nachfolgenden Angaben entnehme: Wer gewissenhaft an seiner Weiterbildung arbeitet, kann möglicherweise bereits mit 28, in der Regel aber erst mit 32 Jahren, nach Ablegung der oberen Prüfung Postinspektor sein, als welcher er sein festes Gehalt von 2700 bis 3600 Mark und Wohnungsgeldzuschuß, aber außerdem soviel Tagegelder und Reisevergütungen bezieht, daß er sein Gehalt beiseite legen und zur Ansammlung der genannten Kautionssumme für eine demnächstige Anstellung als Postdirektor benutzen kann, worauf dann je nach Neigung die Postratslaufbahn bei der Oberpostdirektion (Gehalt 4860 bis 6900 Mk.) sich als Fortsetzung ergiebt, oder der technische Beruf gewählt und bei größerer Selbständigkeit, aber etwas geringeren Gehaltsätzen, die Postdirektorsstelle (3360 bis 6300 Mark) dauernd beibehalten wird, womit stets die Vorsteherschaft eines Postamtes erster Klasse gegeben ist.

Bei der niederen Postcarriere können junge Leute im Alter von 16 bis 25 Jahren eintreten. Die Anforderungen, die an ihr Können gestellt werden, sind nicht allzugroß. An Kaution sind 300 Mk. erforderlich, welche vor dem Diensteintritt hinterlegt werden müssen. Bei den heutigen Verhältnissen können Gehilfen erst nach Ablauf von mindestens 2 Jahren Diäten beziehen. Nach vier Jahren wird der Postgehilfe zur Postassistentenprüfung zugelassen und bezieht als Assistent 3 Mk. Tagegeld. Nach drei Jahren frühestens rücken die Assistenten in die Klasse der Postverwalter (1000 bis 2700 Mk. Gehalt), der Postassistenten bei den Aemtern erster und zweiter Klasse, der Bureauassistenten bei einer Oberpostdirektion (1700 bis 2700 Mk.) und gelangen zu einer unkündbaren lebenslänglichen Anstellung. Die Laufbahn schließt mit der Stellung eines Oberassistenten (1700 bis 2700 Mk.) ab. Hierzu tritt noch der dem Orte der Beschäftigung entsprechende Wohnungsgeldzuschuß von jährlich 180 bis 540 Mk. Der Uebergang aus der niederen Laufbahn in die höhere ist unbedingt ausgeschlossen. Die niedere Laufbahn ist, wie mehr oder weniger jeder Beruf, überfüllt, und von den zahlreichen Bewerbern werden nur die besten zum Eintritt zugelassen.

[882] 883. Theologie. Der Beruf des Geistlichen erfordert ein dreijähriges Studium als Minimum. Die meisten werden ihre Studienzeit um ein oder zwei Semester verlängern. Die Kosten dieser Zeit betragen ungefähr 1200 Mk. pro Jahr, doch wird das Studium durch die vielen Stipendien, die zur Verfügung stehen, erleichtert. Schließlich giebt es auch noch verschiedene Bildungsanstalten für Kandidaten der Theologie, die besondere Vergünstigungen gewähren. Genannt seien hier das Predigerseminar in Wittenberg, das Domkandidatenstift in Berlin und die Predigerseminare in Hannover, im Kloster Loccom, Soest und Herborn. Vor Vollendung des 24. Jahres darf die Meldung zur letzten Prüfung nicht geschehen, so daß das Alter, welches erreicht sein muß, bevor die zum Eintritt ins Pfarramt unerläßliche Ordination stattfindet, also 25 Jahre beträgt. Unmittelbar nach dem Abgang von der Universität, spätestens aber vor Ablauf eines halben Jahres, hat die Meldung zur ersten Prüfung bei der Konsistorialprüfungskommission zu erfolgen. Wer das Examen besteht, erhält das unbedingte Recht des Predigens und wird in den Kandidatenstand aufgenommen. Wer das Examen nicht besteht, kann noch einmal, frühestens nach einem und spätestens nach zwei Jahren zugelassen werden. Jeder Kandidat, der sich dem Dienste der Kirche widmen will, muß zwei Jahre nach Ablegung der ersten Prüfung die zweite machen und hat sich sechs Monate vor Ablauf des zweiten Jahres nach der bestandenen ersten Prüfung mit Einsendung eines Aufsatzes über den Gang seiner praktischen Weiterbildung nebst Zeugnissen bei dem zuständigen Konsistorium zu melden.

Diese zwei Jahre zwischen der ersten und zweiten Prüfung dürfen die Kandidaten, soweit sie dabei Gelegenheit haben, ihr Studium fortzusetzen, nach eigenem Ermessen verwenden. Sie können diese Zeit als Hilfslehrer, als Hauslehrer und dergleichen verbringen.

Für die Erlangung einer dauernden Anstellung nach dem bestandenen Examen läßt sich eine bestimmte Zeit nicht angeben, aber da die Zahl der Studierenden dieser Fakultät beständig zurückgeht, sind die Aussichten günstig.

Die Gehaltsverhältnisse sind je nach der Stellung sehr verschieden, jedoch garantiert der preußische Staat ein Mindesteinkommen von 1800 Mk. Soweit das Stelleneinkommen nicht ausreicht, wird außerdem durch den Staat das Einkommen unter Berücksichtigung des Dienstalters bis auf 3600 Mk. erhöht.

Durch Uebertritt in den Schuldienst, Schulaufsichts- oder Verwaltungsdienst können jüngere Geistliche die Stellung eines Seminardirektors mit 4000 bis 4500, eines Kreisschulinspektors mit 2700 bis 5400 Mk. und Regierungs- und Schulrats mit 4200 bis 6000 Mark, neben Wohnungsgeldzuschuß von 360 bis 900 Mk. erhalten.

Marinepfarrer, Garnisonspfarrer und Feldprediger erhalten zwischen 2892 und 7014 Mk.; außerdem steht den Geistlichen der Beruf des Reisepredigers der inneren Mission, sowie die Thätigkeit an Kranken- oder Strafanstalten offen.

Im Laufe der Zeit kann der Geistliche zur Superintendentur, selten zur Generalsuperintendentur gelangen; seltener ist der Eintritt ins Kirchenregiment, in das Konsistorium und in den Oberkirchenrat. Bemerkt sei schließlich noch, daß der Doctor theologiae in der Regel nicht nach Belieben erworben werden kann, sondern meistens von der Fakultät bei besonderen Gelegenheiten, für besonders verdiente ältere Geistliche freiwillig verliehen wird.

[883] 884. Die Forstcarriere ist augenblicklich so überfüllt, daß auf eine feste Anstellung erst nach 18 oder 19jähriger Dienstzeit gerechnet werden kann. Erfordernis ist neben körperlicher Tüchtigkeit das Reifezeugnis eines Gymnasiums. Die Ausbildung beginnt mit einer einjährigen praktischen Vorbereitung bei einem Oberförster, dem dann ein zweijähriges Studium auf einer Forstakademie folgt. Spätestens sechs Jahre nach Beginn der Vorbereitungszeit hat die Meldung zum ersten forstlichen Examen beim Ministerium zu erfolgen. Wer diese Prüfung besteht, wird Forstreferendar. Eine weitere praktische Ausbildung von zwei Jahren hat der Referendar dann bei einer königlichen Oberförsterei, die er sich meist selbst aussuchen darf, durchzumachen. Nach Beendigung dieser Ausbildung hat er das forstliche Staatsexamen zu machen und wird nach bestandener Prüfung Forstassessor und hat hiermit die Anwartschaft auf eine Oberförsterstelle.

Die Ausbildung bis zur Beförderung zum Forstassessor, einschließlich des Militärjahres, das nicht mit angerechnet wird, dauert sieben bis acht Jahre.

Wann nach der bestandenen Prüfung die Anstellung als Oberförster erfolgt, richtet sich nach den Vakanzen. Viel weiter als bis zum Oberförster bringen es nur die wenigsten. Das Anfangsgehalt in dieser Stellung beträgt 2400 Mk. und steigt in 21 Jahren auf 4500 Mk., außerdem giebt es allerdings noch Reisekosten, Taggelder, Wohnungen usw. Regierungs- und Forsträte, Oberforstmeister haben ein Einkommen von 4200 bis 6000 Mk., der Oberlandforstmeister bezieht 15000 Mk. und außerdem giebt es Wohnungsgeldzuschuß, der zwischen 480 und 1500 Mark schwankt.

Eine sehr angenehme Stellung bekleiden die Angehörigen des reitenden Feldjägerkorps: es sind dies Forstleute, die eine praktische Lehrzeit bei einem Oberförster durchmachten und Reserveoffiziere oder aktive Offiziere einer Jägertruppe sind. Sie werden als Depeschenträger und Kuriere nach den auswärtigen Höfen hin verwendet und tragen in ihrem Depeschensack, den sie mit ihrem Leben zu verteidigen verpflichtet sind, oft die wichtigsten Staatsangelegenheiten bei sich. Sie sind unter Umständen fast immer auf Reisen und haben dadurch Gelegenheit, viel zu sehen und viel zu lernen.

[884] 885. Die niedere Forstcarriere, die immer mit dem Förster oder Revierförster endet, beginnt mit einer mindestens zweijährigen Lehrzeit und darf nicht früher als vor Beginn des 16. und nicht später als am 1. Oktober des Kalenderjahres, in welchem das 18. Lebensjahr vollendet wird, ihren Anfang nehmen. Hat der Betreffende nicht den Einjährigfreiwilligenschein, so muß er eine Prüfung ablegen. Drei Monate vor dem beabsichtigten Beginn der Laufbahn hat die schriftliche Anmeldung bei dem Oberforstmeister des Bezirks, in dem man sich aufhält oder in die Lehre treten will, zu erfolgen. An Papieren sind der Geburtsschein, ein Unbescholtenheitszeugnis, der Schein eines oberen Militärarztes, die Schulzeugnisse und ein selbstverfaßter und selbstgeschriebener Lebenslauf beizubringen.

Nach Vollendung der Lehrzeit erfolgt die Einstellung in das Jägerkorps, jedoch nie vor vollendetem 17. Lebensjahr. Bis zum 25. Januar des dritten, und von den Einjährig-Freiwilligen bis zum gleichen Termin des ersten Dienstjahres, ist die Jägerprüfung abzulegen. Diejenigen, die die Prüfung bestanden, haben gewöhnlich noch ein Dienstjahr bei der Fahne, die übrige neun- resp. elfjährige Dienstzeit aber in der Reserve abzuleisten. Sie werden in die Jägerklasse A aufgenommen und erlangen die Aussicht, später im Forstschutzdienst angestellt zu werden. Im letzten aktiven Dienstjahre haben sie sich bei einer Regierung zur Beschäftigung zu melden.

Ist eine berufsmäßige Beschäftigung erlangt, erfolgt nach Ablauf des vierten, bei Einjährig-Freiwilligen des zweiten Dienstjahres Beurlaubung zur Reserve und thunlichst dauernde Beschäftigung im königlichen Forstdienst gegen Besoldung, Beschäftigung im Gemeinde- oder Privat-Forstdienst ist außerdem zulässig. Nach Vollendung des achten, aber jedenfalls vor Ablauf des elften Dienstjahres haben die Reservejäger der Klasse A sich der Försterprüfung zu unterziehen. Dieselbe wird gewöhnlich in einer königlichen Oberförsterei abgehalten und besteht in einer mindestens sechsmonatlichen Beschäftigung als Hilfsaufseher und in einem mündlichen und schriftlichen Examen. Wiederholung kann nötigenfalls nur einmal und zwar binnen Jahresfrist erfolgen.

Jäger der Klasse A können auch, wenn sie zwölf Jahre, bezw. wenn sie zum Oberjäger befördert worden sind, mindestens fünf Jahre in dieser Charge aktiv gedient haben, nach Ablauf einer neunjährigen Dienstzeit die Forstversorgungsberechtigung erlangen. Dieselbe gewährt dem Inhaber die Berechtigung, in Preußen oder Elsaß-Lothringen als Hilfsaufseher beschäftigt, oder auf einer Försterstelle im Staatsdienste, nach Maßgabe der Fähigkeit auch auf einer Revierförsterstelle, angestellt zu werden.

Die Zahl der Anwärter für den Forstschutzdienst ist in den letzten Jahren sehr gestiegen, so daß bereits eine Beschränkung in der Annahme von Lehrlingen hat eintreten müssen. Söhne von Forstbeamten werden allen anderen Bewerbern vorgezogen.

Das Diensteinkommen der königlichen Revierförster beläuft sich auf jährlich 1160–1950 Mk. Bar neben freier Wohnung und sonstigen Emolumenten.

(Die obigen Angaben sind wörtlich dem bereits citierten Buche »Der Pfadweiser« entnommen.)

[885] 886. Wer die höhere Verwaltungs-Carriere einschlagen will, hat bis zur Mitte des vierjährigen Referendariats genau dieselbe Vorbildung durchzumachen, wie jeder andere Jurist. Wenn er dann zwei Jahre bei einer Gerichtsbehörde als Referendar thätig war, tritt für ihn auf sein beim Regierungspräsidenten anzubringendes Gesuch hin eine Vorbereitung von mindestens zwei Jahren bei einer Verwaltungsbehörde ein, und wird er dann zum Regierungs-Referendar ernannt. Er hat dann später die große Staatsprüfung vor der Prüfungskommission für höhere Verwaltungsbeamte abzulegen, wird darauf Regierungs-Assessor und damit zu einer Stellung im höheren Verwaltungsdienste befähigt. Von dieser Seite aus bietet sich ihm auch Gelegenheit zum Uebertritt in den höheren Kommunaldienst.

An Einkommen bezieht ein Landrat 3600 bis 4800 Mk. und Dienstwohnung, der Regierungsrat 4200 bis 6000 Mk., die vortragenden Räte bei den Ministerien 7500 bis 9900 Mk.

[886] 887. Wer als Seemann durch sein Leben, um nicht zu sagen durch das Wasser, fahren will, thut gut, nicht vor dem 15. und nicht nach dem 16. Jahre als Schiffsjunge einzutreten. Hat er Beziehungen zu einer großen Rhederei, so wird er durch diese, sonst durch einen der Heuerbaase Anstellung auf einem Schiff suchen. Die Fahrzeit eines Schiffsjungen, während der er in den meisten Fällen schon einen kleinen Lohn bezieht, beträgt ein bis zwei Jahre. Dann fährt man etwa 12 Monate als Leichtmatrose und dann als Vollmatrose. Derjenige, der 45 Monate Seefahrtzeit und darunter mindestens 24 Monate als Vollmatrose gefahren ist, kann die Navigationsschule besuchen. Der Kursus, nach dessen Abschluß die Steuermannsprüfung abgelegt wird, dauert acht bis zehn Monate. Die Kosten während dieser Zeit belaufen sich etwa auf 700 Mk. Die Approbation als Steuermann erfolgt nach bestandener Prüfung durch die Regierung. Nach einer Fahrzeit von wenigstens zwei Jahren kann der Steuermann die Kapitänsprüfung ablegen. Ein Steuermann verdient außer freier Station 80, ein Obersteuermann 120 Mark monatlich. Das Einkommen eines Kapitäns ist sehr schwankend und kann ebensogut 2000 wie 20000 Mark pro Jahr betragen. Es ist dies abhängig von der Größe des Schiffes und von der Bedeutung der Linie, für die er fährt.

Der Navigationsschullehrer kann derjenige werden, der die Prüfung zum Steuermann und Kapitän mindestens mit »gut« bestand. Er bezieht ein Einkommen von 1500 bis 3300 Mark und außerdem freie Wohnung oder Wohnungsgeldzuschuß. Der Navigationsschuldirektor bezieht außer der Dienstwohnung bis zu 6000 Mark.

[887] 888. Der Apotheker ist insofern ein glücklicher Mensch, als er im Ganzen nur zwei Prüfungen zu bestehen hat: nach Beendigung der Lehrlingszeit die Gehilfenprüfung, und nach dem beendigten Studium die Staatsprüfung. Die Fachausbildung dauert acht Jahre und zwar: drei Jahre Lehrling, drei Jahre Gehilfenzeit und das mit Einschluß der Staatsprüfung etwa zwei Jahre dauernde Studium. Derjenige, der das Abiturientenzeugnis hat, braucht nur zwei Jahre Lehrling zu sein. Das Studium erfordert alles in allem etwa 3000 Mark.

Wer nicht über die Mittel verfügt, um sich später eine eigene Apotheke zu kaufen, bleibt immer Provisor und ist als solcher nicht in der Lage, sich große Schätze zu verdienen, da sein Einkommen, selbst in großen Städten, bei freier Wohnung und Verpflegung selten mehr als höchstens 2000 Mark betragen wird.

[888] 889. Bei der Eisenbahn werden die höchsten Aemter in der Regel nur Juristen oder Technikern anvertraut. Bedingung zum Eintritt ist das vollendete 17. und das noch nicht überschrittene 25. Lebensjahr, sowie das erlangte Reifezeugnis einer höheren Bürgerschule oder ein Zeugnis über die nach Abschluß der Untersekunda eines Gymnasiums bestandene Prüfung. Nach der Beeidigung findet eine 3jährige Ausbildung als Civilsupernumerar statt, nach deren Ablauf die Prüfung stattfindet. Es folgt dann die Beförderung zum Bureau- oder Expeditionsassistenten, als welcher er so lange an Tagegeldern 75 Mk. bezieht, bis er in eine etatsmäßige Stelle als Betriebssekretär oder Güterexpedient (Gehalt 1680 bis 3240 Mark oder 1980 bis 3140 Mark) einrückt.

Frühestens zwei Jahre nach der ersten Prüfung ist die Meldung für die Prüfung zum Subalternbeamten erster Klasse anzubringen und erfolgt nach bestandenem Examen die Beförderung zum Eisenbahnsekretär (2280 bis 4140 Mark) oder zum Güterexpeditionsvorsteher (2580 bis 3740 Mark). Auf der Laufbahn der mittleren technischen Eisenbahnbeamten sind folgende Stellen zu erreichen: Eisenbahnsekretäre und Werkstättenvorsteher (2280 bis 4140 Mark); Betriebssekretäre und Werkmeister, bautechnische Eisenbahnsekretäre und Bahnmeister. Das Gehalt schwankt in diesen Stellungen im allgemeinen zwischen 2000 und 3000 Mark.

[889] 890. Für den Techniker beträgt das Studium auf der Universität, nach erlangtem Reifezeugnis auf einem Gymnasium, ca. vier Jahre. Die Befähigung zur Anstellung als Baubeamter im höheren Staatsdienste wird durch das Bestehen einer Vorprüfung und zweier Hauptprüfungen erlangt. Die Gehälter bleiben auch nach den Bauführerjahren lange Tagegelder, die sich bei einem Regierungsbauführer aus 6 bis 9 Mark und eine Pauschsumme für Reisekosten bis zu 75 Mark monatlich belausen. Der gute Verdienst fängt erst an, wenn man als Bauinspektor fest angestellt ist: das Jahresgehalt beträgt ungefähr 4000 Mark, außerdem giebt es Wohnungsgeldzuschuß und bedeutende Tage- und Reisegelder. Es steht jedem jederzeit die Möglichkeit offen, aus dem Staatsdienst in den Civildienst überzutreten und bietet sich dort sehr häufig Gelegenheit, in kurzer Zeit zu einem auskömmlichen Gehalt zu gelangen.

[890] 891. Stipendien. Wer sich über die verschiedenen Berufsarten auf das genaueste informieren will, dem sei das Buch »Der Pfadweiser« empfohlen. Ich selbst habe mich darauf beschränken müssen, aus dem Buch einige kurze Auszüge zu bringen, und lasse zum Schluß folgen, was der Verfasser über die Stipendien sagt. Er schreibt: Es ist natürlich klar, daß die Landesangehörigkeit bei der Erteilung von Stipendien eine hervorragende Rolle spielt, daß also preußische Studierende beispielsweise auf bayrischen oder württembergischen Hochschulen in solcher Hinsicht nur ausnahmsweise berücksichtigt werden dürften.

Preußische Studierende deutscher Herkunft, welche sich verpflichten wollen, ihren späteren Beruf fünf Jahre hindurch in den Provinzen Westpreußen und Posen auszuüben, sowie Studierende aus dem Regierungsbezirk Oppeln, können auf die Dauer von drei Jahren ein sogenanntes Polenstipendium in Höhe von 400–900 Mark jährlich erhalten. Bewerbungen sind an das preußische Kultusministerium zu richten.

Dem sich für Benefizen irgend welcher Art Meldenden ist, abgesehen von der Klugheitsregel, sich nicht an ein und derselben Stelle um mehrere Unterstützungen zu bemühen, anzuraten, dem Gesuche beizufügen:

1. einen kurzgehaltenen, aber nichts wesentliches verschweigenden Lebenslauf;

2. das Reifezeugnis der besuchten Schule;

3. event. ein Fleißzeugnis über die ganze bereits auf Hochschulen verwendete Zeit;

4. wenn bereits irgend welche akademische Prüfung bestanden ist, den Nachweis;

5. wo die Bedürftigkeit erforderlich ist – was keineswegs immer der Fall – ein von einem Beamten (Bürgermeister) ausgestelltes Bedürftigkeitszeugnis, in welchem namhaft gemacht ist: Stand der mit Namen und Wohnsitz anzugebenden Eltern, Beschäftigung derselben, Umfang eines etwaigen Gewerbes, z.B. Zahl der Arbeiter; Zahl und Alter der unversorgten Geschwister, Vermögen der Eltern mit etwa darauf haftenden Schulden, Besoldung, Ruhegehalt der Eltern, bereits auf Schulen und Akademien erlangte Benefizien, eigenes Vermögen des Bewerbers,

und, wo es irgend möglich ist, nicht zu versäumen, sich persönlich dort vorzustellen, wo die Entscheidung liegt.

Abgesehen von dem Hinweise darauf, daß des amtlichen Siegels entbehrende Papiere in der Regel als nichtig betrachtet werden, wird jüngeren Leuten noch der Rat von Nutzen sein, sich thunlichst immer wieder in den Besitz von eingereichten Urkunden zu setzen und, so lange es irgend möglich ist, Urschriften überhaupt nicht auszuliefern, außer wenn solche ausdrücklich amtlich verlangt werden.

Die schriftliche Bewerbung geschieht in gebrochenem Folioformat und bestmöglicher, jedenfalls leserlicher Handschrift; in gleicher Form werden die erforderlichen Anlagen hergestellt; schließlich wird alles in einem starken Oktavcouvert sorgfältig verschlossen und frankiert. Wer voraussichtlich vieler Gesuche um Unterstützungen für seine Studien benötigt sein wird, läßt am besten Reifezeugnis, Bedürftigkeitsnachweis, Lebensabriß (event. mit Raum für schriftliche Nachträge) gleich von einem Lithographen für ein billiges in einigen Dutzenden von Exemplaren autographieren; indes darf den Abdrücken die nachherige Beurkundung der Uebereinstimmung mit der Urschrift durch das Siegel eines mit öffentlicher fides versehenen Beamten trotzdem nicht fehlen.

Eine Zusammenstellung der Nachweise über die an sämtlichen deutschen Hochschulen vorhandenen Benefizien (Stipendien, Freitische, Konvixe) für Studierende ist auf Grund des zur Verfügung stehenden amtlichen Materials und auf Grund der bei sämtlichen Rektoraten eingezogenen Erkundigungen von dem mehrfach genannten Herrn Verfasser seinem Buch angefügt worden.

Quelle:
Baudissin, Wolf Graf und Eva Gräfin: Spemanns goldenes Buch der Sitte. Berlin, Stuttgart [1901], S. 880-891.
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