Betragen beym Tanz.

[155] Die Kunst, mit Grazie und Anstand zu tanzen, wird von mehrern Tanzmeistern gelehrt.


Wo alle gut tanzen, da lasse dich keine Bitte verleiten, mitzutanzen, wenn du nicht ihnen gleich tanzest. Du störst sonst die Andern, und dich selbst machst du mit deinen Hasensätzen lächerlich. Nur bey einem gesellschaftlichen häuslichen Tänzchen möchtest du dir es erlauben können.


Ziehst du ein Frauenzimmer zum Tanze auf, so sey dein Antrag kurz, und in wenig Worten, aber doch galant.


Nöthige kein Frauenzimmer, wenn sie auch nur den kleinsten, entferntesten Unwillen merken läßt, daß sie nicht gern mit dir tanzt. Denn hinterher rächt sich das Gezwungene in dem Tanzen, und ihr macht beyde eine erbärmliche[156] Miene dabey; auch wird es euch wie Bley in den Gliedern hängen. Es fehlt euch dann alles, was dem Tanz nur allein Anmuth für den Tanzenden und Zuschauer geben kann. Ein abgeschlagner Tanz ist keine Beschimpfung. So denkt der feine, geschliffne Mann; wer das anders nimmt, scheint seine Maximen aus niedrigen, öffentlichen Schenkhäusern herzuholen.


Wo die Engagements-Billets Statt finden, beachte sie mit Artigkeit. Erlaube dir keine Nebenbemerkung, und wenn eine Dame sich für 25 Tänze engagirt erklärt. –


Sonst herrschte eine eigene Bescheidenheit in der Tanzetikette, besonders wenn die Tänzer antraten. Sie entschuldigten sich, daß sie vielleicht nicht so gut tanzen würden, wie die erkohrne Tänzerin, und baten, mit einem schlechten Tänzer vorlieb zu nehmen. Das erwiederte man denn eben so wieder. Dieses veraltete Ceremoniel ist aufgehoben, und man hört auf unsern Tanzsälen nichts davon.
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Lache nicht, wenn du bey einem ehrwürdgen Hochzeit- oder Kindtaufentanz noch so etwas hören könntest. Unsere guten Alten glaubten, man könne nicht bescheiden genug seyn. Was können sie dafür, daß wir itzt vielleicht anders denken?


Ist der Tanz mit deiner Dame vorüber, so entlasse sie mit einem Handkuß, und führe sie auf ihren Platz zurück. Wäre der ihrige indessen besetzt worden, so bist du verbunden, ihr einen andern aufzusuchen. Es ist sehr unartig, seine Dame, wenn man ausgetanzt hat, zu verlassen, und es ihr zuzumuthen, sich alsdann zu placiren, so gut als sie es findet und kann.


Einer Dame sogleich, als sie zu tanzen aufgehöret hat, Erfrischungen anzubieten, scheint ein Zeichen zu seyn, daß man sich auf der Stelle bey ihr für die angethane Ehre und das große Vergnügen, mit ihr getanzt zu haben, abfinden wolle, und ist also eine Behandlung[158] wider die feine Delikatesse. Denn man ist nie wahrhaft artig, wenn man das Schickliche nicht zu beobachten weiß.


In Sporen tanze nie; – aber immer in Handschuhen, das erfordert die Reinlichkeit.

Quelle:
Claudius, G[eorg] C[arl]: Kurze Anweisung zur wahren feinen Lebensart. Leipzig 1800, S. 155-159.
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