Von der Lebensart des Reichen und der des Handwerkers.

[26] Wenn der artige Reiche und der höfliche Handwerker einander besser kennten, so würden sie untereinander, trotz des Rangunterschiedes, nur in freundschaftlichem Verkehr stehen. Dafür spricht die folgende Anecdote.[26]

Eines Tages fuhr vor das Gewölbe eines der ersten Juweliere der Residenz eine prachtvolle Equipage. Ein Laquai in großer Livrée ließ ehrerbietig den Wagentritt herunter und drei Personen stiegen aus. Die eine derselben war eine Dame von reifem Alter, die zweite ein junges Mädchen in der Blüthe der Jahre, noch glänzender durch ihre Anmuth, als durch ihre reiche Kleidung, und offenbar die Tochter der Aelteren. Die dritte Person konnte, nach der Aufmerksamkeit und der zarten Galanterie, welche der junge, elegante Mann gegen die jüngere Dame bewies, nur der künftige Gatte derselben sein.

In dem Augenblicke, als diese drei Personen über die Schwelle des Gewölbes traten, stießen sie gewissermaßen mit einem bescheidenen Paare zusammen, gebildet aus einem jungen Mädchen, dessen reichster Schmuck ihre achtzehn Jahre waren, und einem jungen Menschen von gefälligem Aussehen, in einer Jacke und mit einer Mütze. Die saubere und sorgfältige Einfachheit ihres Anzuges bezeichnete sie als rechtschaffene Handwerker; ihre sittsame Vertraulichkeit verrieth, daß sie Brautleute waren, die auf dem Puncte standen, sich zu verheirathen.

Beide Parten näherten sich dem Ladentische und wurden mit gleicher Höflichkeit empfangen.

»Haben Sie die Güte, mir Schmuck zu zeigen«, sagte der elegante junge Mann.

»Von welcher Art?«

»Von der schönsten und folglich von der theuersten; er ist zu einem Hochzeitsgeschenk bestimmt.«

»Wir wünschten Trauringe zu kaufen«, sagte seinerseits der Handwerker.

»Zu welchem Preise?«

»So wohlfeil wie möglich!« entgegnete die junge Arbeiterin.

»Ach ja wohl!« seufzte ihr Zukünftiger. »Die Arbeit geht nicht gut und die Hochzeit muß also sehr sparsam eingerichtet werden.«[27]

»Was thut das«, fiel heiter seine Gefährtin ein, »wenn nur die Liebe nicht darunter leidet.«

»Die armen Leute!« flüsterte ihre junge und glänzende Nachbarin, indem sie einen theilnahmvollen Blick auf sie richtete.

Der Hanwerker wählte die einfachsten Ringe, die er finden konnte und bat den Juwelier, die Buchstaben F. und C. hineingraviren zu lassen.

»Unsere Anfangsbuchstaben!« rief die elegante Braut. »Verzeihen Sie, Mademoiselle«, wendete sie sich zu dem jungen Mädchen; »diese Buchstaben –?«

»Sind die unsrigen.«

»Und auch die unsrigen. Sie heißen?«

»Mein Bräutigam heißt Friedrich, ich, Christiane.«

»Und wir heißen Ferdinand und Cäcilie. Welch' ein sonderbares Zusammentreffen! – Und Sie nehmen weiter nichts, als diese Trauringe?«

»Ach, mein gutes Fräulein, man thut, was man kann und nicht, was man will. – Ich bin Stickerin und Er ist Buchbinder.«

Cäcilie flüsterte ihrer Mutter einige Worte in das Ohr und diese zog den Juwelier bei Seite.

»Mademoiselle«, sagte dieser zu der hübschen Stickerin, »Ihre Ringe sollen in einigen Stunden gravirt sein.«

Am Abend kehrte Christiane zurück, um ihre Ringe zu holen, und man händigte ihr ein kleines Schmuckkästchen von Maroquin ein.

»Wie!« sagte sie verwundert, »ein so großes Kästchen für zwei einfache Ringe?«

Sie öffnete es und stieß einen Ruf des Staunens aus; das Kästchen enthielt eine goldene Uhr nebst Kette und ein Paar goldene Ohrgehänge.

»Sie haben sich geirrt«, sagte Christiane, indem sie das Kästchen schloß und mit einem Blicke des Bedauerns zurückgab. »Ich habe nichts weiter, als ein Paar ganz einfache Trauringe gekauft.«[28]

»Die werden Sie auch in dem Kästchen finden.«

»Aber das Uebrige?«

»Gehört Ihnen ebenfalls. Es ist ein Hochzeitsgeschenk, welches Fräulein Cäcilie von R. Sie ihr zu Liebe anzunehmen bittet, damit es ihr Glück bringe.«

»Ich weiß wahrlich nicht, ob ich darf?«

»Durch eine Weigerung würden Sie das Fräulein sehr kränken. Sie könnte darin eine üble Vorbedeutung für ihr eigenes Glück erblicken. Nehmen Sie dieses Geschenk immerhin mit ebenso freudigem Herzen hin, als es Ihnen geboten wird, und fügen Sie noch dieses Medaillon hinzu, welches unser Principal Sie von ihm anzunehmen bittet.«

Christiane fühlte sich allzu glücklich, um sich lange bitten zu lassen. Welches Mädchen, so unschuldig und einfach es sei, besäße auch nicht seinen Theil Koketterie?

Einen Monat später empfing Cäcilie von R., welche Gräfin von S. geworden war, ein kleines Päckchen, welches ein sehr schön und mit ihrem Namen gesticktes Battist-Taschentuch, sowie ein reich und geschmackvoll gebundenes und mit ihrem Wappen geschmücktes Gebetbuch enthielt. Ein Blättchen, das diesen Gegenständen beigefügt war, enthielt die Worte: Zeichen der Dankbarkeit und Ergebenheit, und war unterzeichnet: Christiane – Friedrich.

Seit jener Zeit lebt die bescheidene Handwerkerfamilie, begünstigt durch die Kundschaft der Gräfin, ihres Gemahles und ihrer beiderseitigen Freunde, unter stets wachsender Arbeit in einem gewissen Wohlstande.

Man sieht, von welchen Kleinigkeiten oft das Glück abhängen kann, zugleich aber auch, daß selbst dem Handwerker die Lebensart von großem Vortheil sein kann.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 26-29.
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