6) Der Geizige.

[73] Ein Geiziger hat keinen Freund, selbst nicht in seiner eigenen Familie; denn sein eigenes Herz ist jedem innigen Gefühle verschlossen; er ist daher auch stets von Leuten umgeben, die ihn täuschen, hintergehen und betrügen, oder die dieß wenigstens zu thun versuchen. Selbst seine Frau, sein Sohn, seine Tochter sind dazu gezwungen, um sich mit Anstand in der Welt zeigen zu können. Seine Dienstleute betrügen ihn, weil sie außer dem, was sie dabei gewinnen, auch noch Vergnügen darüber empfinden, ihn dumm zu machen.[73]

Von allen Lastern ist der Geiz eines der schmutzigsten und unedelsten.

Der Geiz ist der Wahnsinn des Egoismus, bis auf den höchsten Gipfel getrieben.

Ein Geiziger ist nie, oder doch nur höchst selten, ein ehrlicher und rechtschaffener Mensch.

Für Menschen von wenig Zartgefühl giebt es kein größeres Vergnügen, als einen Geizhals anzuführen.

Ein Geizhals häuft noch mehr Lächerlichkeiten als Geld an.

Wer die verderbliche Leidenschaft des Geizes von seinem Herzen Besitz ergreifen läßt, der leidet an einem unheilbaren Wahnsinn.

Der Geizige gleicht dem Schweine; gleich diesem wird er erst nach seinem Tode nützlich.

Aus dem Geize entspringen als natürliche Folgen der Wucher, der Verrath, der Unterschleif, der Meineid, die Gewaltthätigkeit, die Ungerechtigkeit und die Dieberei.

Man schließe nie mit einem Geizhalse Freundschaft, denn man wird unfehlbar zuletzt durch ihn betrogen.

Die größten Geister haben sich nicht immer ganz vor dem Geize zu bewahren gewußt. Beweise sind Voltaire, Rembrandt, Heinrich IV. und viele Andere.

Wie man die Freigebigkeit nicht mit der Verschwendung verwechseln darf, so muß man auch zwischen der Sparsamkeit und dem Geize einen Unterschied zu machen wissen.

Die Sparsamkeit besteht darin, seine Einnahmen niemals durch seine Ausgaben zu überschreiten, so daß man gezwungen ist, Schulden zu machen.

Der Geiz besteht darin, sich Entbehrungen aufzuerlegen und allen Arten von Leiden auszusetzen, nur um Geld anzuhäufen, welches für Andere eben so wenig Nutzen hat, wie für den Geizigen selbst.[74]

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 73-75.
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