Ein Kind an seinen Vater, der mit ihm unzufrieden war.

[133] Mein theurer Vater, als ich die ganze Familie und alle Deine Freunde bei der Annäherung des heutigen Tages so froh sah, konnte ich meine Thränen nicht unterdrücken. Ich mußte zu mir selbst sagen: Wie darfst Du es wagen, einem Vater Glück zu wünschen, der Dich so aufrichtig liebt und dessen Güte du durch Trägheit und Ungehorsam vergolten hast? Mußt du nicht fürchten, daß schon deine Gegenwart allein die Freude dieses schönen Tages trübe? Aber ich habe mir selbst wieder Muth zugesprochen, indem ich an Deine unerschöpfliche Nachsicht und Liebe dachte, und ich benutze nun die Jahresfeier Deines Geburts-(Namens-) Tages, um Deine Verzeihung zu erbitten. Theurer Vater, vergiß meine Fehler und umarme mich zum Zeichen, daß Du mir nicht mehr zürnst! Ich werde künftig nur bemüht sein, meine Vergangenheit vergessen zu machen und ich bin überzeugt, daß ich bei der nächsten Jahresfeier dieses Tages ohne Furcht und Selbstvorwürfe Dir werde nahen können.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 133.
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