Von der Taufe und der Pathenschaft.

[201] Die Welt hat ihre Frohndienste, denen man sich zuweilen nicht entziehen kann. Dahin gehört auch die Pathenschaft, welche man als eine Art von Steuer betrachten kann, deren Zahlung sich der Freundschaft nicht verweigern läßt.

Es wird mit der Gevatterschaft ein großer Unfug getrieben und diese heilige Verpflichtung mit unverzeihlichem Leichtsinn übernommen und ausgeübt. Daran ist zum großen Theile die Kirche schuld, welche es zum Gesetz macht, daß jedes neugeborene Kind bei der Taufe einen Zeugen haben muß, und in manchen Ländern sogar drei Taufzeugen oder Pathen verlangt. Diese geloben dann am Taufsteine, was sie zum großen Theile nicht halten können, und meistens auch nicht den entferntesten Willen haben, zu halten. Dadurch sinkt die Taufzeugenschaft in sehr vielen Fällen zu einer leeren, nichtssagenden Form herab, der man sich mit Unwillen fügt und die man sehr häufig schon nach kurzer Zeit vergessen hat, oder absichtlich aus dem Gedächtnisse verbannt.[201]

So traurig dieß ist, darf man sich im Grunde nicht darüber wundern, daß gar oft das Gevatterbitten weiter nichts, als eine verdeckte Bettelei ist, durch die der Arme von dem Reichen ein mehr oder minder ansehnliches Geschenk, so zu sagen, erzwingt, denn nur selten wird eine Bitte der Art abgeschlagen. Eben deßhalb ist es aber, wegen der damit verbundenen Lasten, selbst bei einem nähern Freunde peinlich, ihn um die Leistung eines solchen Dienstes zu bitten, der noch überdieß in der Regel weit entfernt ist, den Zweck zu erfüllen, welchen die Kirche bei dieser Ceremonie beabsichtigt.

Was die Pathen am Taufstein geloben, ist ohnehin die Pflicht des Vaters, oder vielmehr beider Eltern, und das Gesetz sollte daher lieber nicht ein Versprechen verlangen, dessen Erfüllung zu erzwingen ganz außer der Macht der Behörden liegt und nicht einmal durch die Gesetzgebung unter Verhängung von Strafen vorgeschrieben ist.

Wer wahrhaft gewissenhaft sein will, sollte daher eine Pathenstelle nur dann annehmen, wenn es ihm wahrhaft Ernst damit ist, das Alles zu erfüllen, was er an heiliger Stelle verspricht. Freilich würde durch diese Pflichterfüllung eine Einmischung in die Erziehung des Kindes bedingt, welche gar oft Conflicte mit dem Vater herbeiführen dürfte. Sprechen wir daher lieber nicht von der Gevatterschaft, wie sie sein sollte, sondern von dem Pathenwesen, wie es ist. Dieses verlangt die Erfüllung verschiedener kirchlicher Formalitäten – mit denen man sich bei dem Küster vertraut machen muß, bevor man zum er sten Male eine Pathenstelle annimmt. Außerdem aber hat man außerkirchlich noch mancherlei Gebräuche zu beobachten, die in verschiedenen Ländern, und namentlich bei den verschiedenen christlichen Confessionen, oft so sehr von einander abweichen, daß wir sie hier nur ganz im Allgemeinen andeuten können, indem wir Jedem, der eine Pathenstelle annimmt, den Rath ertheilen, sich[202] genau nach allem Außerkirchlichen ebenso zu erkundigen, wie nach dem Kirchlichen.

Hat man die Pathenschaft angenommen, – und wie bereits erwähnt, wird man in den meisten Fällen kaum umhin können, dieß zu thun, – so statte man zunächst der Wöchnerin einen Besuch ab, wobei es in einigen Gegenden üblich ist, derselben ein Geschenk zu machen, das, je nach den Umständen und der näheren oder weniger nahen Bekanntschaft mit derselben und ihrem Manne, entweder in einer kleinen Aufmerksamkeit ohne Werth, z.B. einem schönen Bouquet, oder aber in einem mehr oder minder kostbaren Gegenstande bestehen kann. Nur bei Verwandten oder sehr intimen Verhältnissen darf indessen irgend etwas zur weiblichen Toilette Gehöriges das Geschenk bilden.

Nach dem Besuche bei der Wöchnerin stattet man auch seiner Mitgevatterin eine Visite ab, und dieser ein sogenanntes Gevatterkörbchen zu senden, ist beinahe überall üblich. Dieß Geschenk besteht in einem zierlich gearbeiteten Körbchen, einer Krystallschale, oder irgend einem andern eleganten Behältniß, in welchem sich, mit Blumen bedeckt, das eigentliche Geschenk befindet. Das Wenigste sind gewöhnlich einige Paar weiße Glacéhandschuhe, sowohl lange, als kurze, da angenommen wird, daß diese zu der kirchlichen Ceremonie angezogen werden müssen, indeß kann man bei dieser Gelegenheit auch eine sehr freigebige Galanterie ausüben. Daher geschieht es oft, daß junge Männer, welche die Gelegenheit wünschen, einer Dame mit Anstand ein, – vielleicht sehr bedeutungsvolles, – Geschenk machen zu können, ihre Freunde – und Bekannte bitten, sie gemeinschaftlich mit eben dieser Dame zu der Pathenschaft einzuladen, und schon oft hat dieß Verhältniß, das eine gewisse Vertraulichkeit veranlaßt, zu einem Herzensbündnisse geführt.

In der Kirche, zu der man entweder in einem Wagen abgeholt wird, oder sich ganz bescheiden zu Fuße begiebt, hat man verschiedene Trinkgelder zu geben. Welche?[203] und in welchem Belange mindestens, das gehört mit zu den einzuziehenden Erkundigungen; indeß sind hier, wie man bei andern Gelegenheiten zu sagen pflegt, der Großmuth keine Schranken gesetzt, und wer in großer Freigebigkeit eine Befriedigung seiner Eitelkeit sucht, dem ist hier die beste Gelegenheit dazu geboten.

In manchen Gegenden ist es üblich, nach der Rückkehr aus der Kirche feines Zuckerzeug nicht nur an alle Mitglieder der Familie, sondern auch an die Dienstboten zu vertheilen; man muß sich deßhalb in reichlicher Menge damit versehen. In Düten darf man es aber nur den Domestiken reichen; bei den Andern sind zierliche Bonbonnièren unbedingte Vorschrift des guten Tones.

Mag nun der Kindtaufsvater einen Schmaus geben, oder mögen sich die Pathen nach der Taufe still nach ihrer eigenen Wohnung begeben, so muß man sich doch jedenfalls am nächsten Tage nach dem Befinden der Wöchnerin und seines Pathchens erkundigen, und genießt außerdem der Freiheit, auch seiner Mitgevatterin wieder eine Visite zu machen, um sie zu fragen, wie ihr die Sache bekommen ist, besonders wenn ein Kindtaufsschmaus gegeben wurde.

Die Pathin macht sehr häufig eine Taufdecke oder einen ganzen Taufanzug zum Geschenke, der Pathe aber hat durchaus nicht nöthig, sich darum zu bekümmern.

Die Hebamme, welche den Täufling zur Kirche bringt und so lange behält, bis er der Reihe nach den Pathen zu halten gegeben wird, ist bei Vertheilung der Geschenke am Reichlichsten zu bedenken, und wo Zuckerzeug gegeben wird, auch damit nicht zu vergessen.

So ziemlich überall ist es üblich, dem Pathchen zu der ersten Jahresfeier seines Geburtstages irgend ein Geschenk zu machen, gewöhnlich ein schönes Kleidchen. Dieß fällt indeß da weg, wo man dem Kinde gleich bei der Taufe etwas einbindet. Dieses Einbinden besteht darin, daß man in das Taufbettchen, – und zwar so unbemerkt als irgend möglich, – ein Geschenk steckt,[204] welches zwar scheinbar dem Kinde gemacht wird, im Grunde aber für die Eltern bestimmt ist, besonders bei ärmeren Leuten, welche eben dieses Einbindens wegen reiche Leute, die als wohlthätig oder freigebig bekannt sind, zu Gevatter bitten, auch wenn sie außerdem mit denselben in gar keiner Berührung stehen.

In den Ausnahmefällen, wo ein Gevatter sich um sein Pathchen noch nach dessen Erreichung des ersten Jahres bekümmert, macht er demselben, wenn es heranwächst, zuweilen ein kleines Geschenk oder sonstiges Vergnügen, namentlich zu Neujahr und zu den Geburtstagen; zur Confirmation aber schenkt man ihm entweder den Confirmationsanzug oder irgend ein werthvolles Stück, das als Andenken für das ganze Leben dienen kann. Sehr oft ist dieß eine Uhr.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 201-205.
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