Zweites Kapitel.
[191] Meine Tätigkeit in Weimar. – Emil Devrient und Frau. – Hummel. – Großherzog Karl Friedrich. – Eine Goethe-Anekdote. – Ernst Raupach.

In Weimar fand ich nach meiner Rückkehr dorthin eine ungeheuer vielseitige Tätigkeit. Abgesehen davon, daß die Doppelbeschäftigung in Schauspiel und Oper noch fortbestand, mußte ich in letzterer die gegensätzlichsten Rollen übernehmen, und wenn man hört, daß ich ebensogut den Sarastro wie den Masaniello sang, so denkt wohl mancher: das heißt mit[191] einem Faß im Keller, mit dem anderen auf der obersten Bodentreppe stehen. Viele Umstände wirkten zusammen, um derartige Experimente möglich und vielleicht entschuldbar zu machen. Vorerst muß ich dabei der außerordentlichen musikalischen Geschicklichkeit gedenken, mit der Hummel die Tenorpartien für mich sangbar machte; außerdem mußte ich mir sagen, daß, da wir nach dem Tode unseres trefflichen Tenoristen Moltke lange vergeblich nach einem Ersatz für denselben suchten, sonst viele große Opern unserem Repertoire fern geblieben wären. So versuchte ich mich denn in Aufgaben, bei denen ich durch die wärmste Hingabe und durch rastloses Studium des gesamten Kunstgebildes gutzumachen suchte, was ich etwa am musikalischen Effekt durch die veränderte Stimmlage sündigte. Es war nicht meine Sache, nach Universalität zu streben, aber Kapellmeister und Regisseur (Hummel und Laroche) beuteten mein Talent nach allen Richtungen hin aus, und ich gab mich mit gleichem Eifer dem Studium jeder künstlerischen Aufgabe hin.

So sang ich Tenor-, Bariton- und Baßpartien bunt durcheinander, und mein Repertoire wies neben Masaniello, Fra Diavolo, Zampa den Figaro im »Barbier«, den Orest in »Iphigenie auf Tauris«, den Tell in Rossinis Oper, daneben aber auch noch – wie schon erwähnt – den Sarastro und den Bertram in »Robert der Teufel« auf. Auch in meinem Schauspielrepertoire begegneten sich die Extreme; selbst in der Wiener Zauberposse mußte ich zuweilen mitwirken, und es war weder leicht, noch erfreulich, heute den König Philipp im Carlos« und morgen den Schuster im »Lumpazivagabundus« zu spielen. Wie die Sachen damals standen, mußte der deutsche Schauspieler seine Individualität gänzlich verleugnen und alles spielen, mochte er selber zusehen, daß die Vielseitigkeit nicht nur Taschenspielerei wurde.

Zu meinen liebsten Rollen zählte ich: Götz, Oranien,[192] Antonio im »Tasso«, Wilhelm Tell, Wallenstein, Dunois, Stadtmusikus Miller, Nathan, Paul Werner, Odoardo Galotti, Oberförster, Kriegsrat Dallner. In den Shakespeareschen Stücken war mir jede Rolle lieb und wert, und ich spielte zu verschiedenen Zeiten mit gleicher Hingebung: Paris, Tybalt, Mercutio, Lorenzo oder Capulet. Ich darf mir wohl überhaupt das Verdienst zuschreiben, jede Rolle, auch die kleinste, mit gleichem Eifer studiert zu haben, um der Intention des Dichters nachzukommen, ohne dabei aus einer Episode eine Hauptrolle machen zu wollen. Heutzutage ist von derartiger künstlerischer Diskretion, die doch eine Hauptbedingung jedes Ensembles auf der Bühne ist, wenig mehr die Rede.

Im Monat Mai 1832 kam Emil Devrient mit seiner Frau nach Weimar. Das Künstlerpaar war von unserm Intendanten zu einem Gastspiel eingeladen, welches unter dem rauschendsten Beifall des Publikums bei stets gefülltem Hause vorüberging. Auf Emil Devrients Leistungen und deren hohe künstlerische Bedeutung werde ich später eingehender zurückkommen. Doris Devrient, geborene Böhler, zählte damals zu den Besten der deutschen Bühne; sie war im Lustspiel ebenso bedeutend wie in der Oper und entwickelte in ihrem Spiel eine Grazie und einen Liebreiz, die jedermann bezauberten. –

Den Sommer verbrachten wir in Karlsbad. Schon früher in Leipzig hatte ich mich hinreißen lassen, eine Oper »Die Sonnenmänner« zu schreiben, die vom dortigen Publikum ihrem Schöpfer zu Liebe sehr freundlich aufgenommen, von maßgebender kritischer Seite jedoch mit Recht vielfach beanstandet worden war. Trotzdem muß ich eingestehen, daß ich in Karlsbad abermals eine Oper schreiben wollte. Ganze Stöße Notenpapier hatte ich mitgebracht, um »in des Waldes düstern Gründen« nicht wie Rinaldo Rinaldini Raub- und Mordgedanken nachzuhängen, sondern meine Gedanken und[193] Gefühle in Notenköpfe zu verwandeln. Das Machtwort des gestrengen Herrn Doktors verbannte das Notenpapier aber sofort wieder in den Koffer. Das Komponieren wäre mir übrigens auch ohnedies bald vergangen, denn das verdammte lauwarme Wasser des Mühlbrunnens – den Sprudel konnte ich gar nicht vertragen – machte mich nach und nach ganz mürbe und stumpfsinnig.

Zu unserer großen Freude traf bald nach uns Hummel in Karlsbad ein und nahm nebst seiner Frau und zwei Söhnen, Eduard und Karl – dem späteren Maler – gleich uns im Löwen Quartier. Wir verlebten viele frohe Stunden zusammen, an die sich auch noch durch Hummels wunderbares Klavierspiel die genußreichsten reihten. Seine Anwesenheit war bald in Karlsbad bekannt geworden, und man bestürmte ihn, ein Konzert zu geben. Trotzdem er nur zu seiner Erholung im Bade war, ließ er sich doch dazu bewegen und gab die Hälfte des Ertrags, welcher über 200 Dukaten betrug, an die Armen.

Hummel war nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch verehrungswürdig, denn viele unglückliche Familien wurden durch seine großmütige Hilfe dem Elend entrissen. Dabei durfte nie sein Name genannt werden, und in Weimar selbst hatte er einige seiner zuverlässigsten Freunde förmlich zu seinen Armenpflegern gemacht. Da ich oft von ihm zu solchem Dienst verlangt wurde, hatte ich Gelegenheit, Zeuge seiner uneigennützigen Großmut zu sein. Erst nach seinem Tode fand seine Gattin in einem geheimen Fache seines Schreibtisches die Dankbriefe Beethovens, welchen Hummel bis zu dessen Tode unterstützt hatte. Wie es gerade Hummel begegnen konnte, für geizig zu gelten, wäre unbegreiflich, wenn man nicht die Oberflächlichkeit des Urteils der Menge jeden Tag neu bestätigt fände. Freilich hatte er manche kleine Eigenheit, die mißdeutet werden konnte. Ein kleines Beispiel,[194] welches ich selbst mit ihm erlebte und das mir viel Spaß bereitete, möge hier einen Platz finden.

Wir machten in größerer Gesellschaft von Karlsbad aus eine Partie nach Elnbogen, und man hatte mich zum Reisemarschall erwählt, welcher alles ordnen und zahlen sollte. Als die Rechnung repartiert wurde, bekam Hummel von mir noch einen leichten Kreuzer heraus, den ich gerade nicht einzeln hatte. Ich wollte ihm denselben bis Karlsbad schuldig bleiben. »Nix da!« rief er; »lassen's wechseln; so was wird vergessen, und dann is' mer drum!« Ich mußte wirklich wechseln lassen, um ihm seinen leichten Kreuzer zu geben. Und derselbe Mann gab mir wenige Tage darauf für eine arme Weberfamilie, die dem Untergange nahe war, ohne Besinnen fünfzehn Taler.

Mit den Verlegern geriet er öfters hart zusammen. Der bekannte und reiche Verleger P. in L. gab Hummel ein glänzendes Souper, zu dem auch meine Frau und ich eingeladen waren. Hummel hatte gerade seine große »Klavierschule« beendet und verlangte dafür 11000 Taler Honorar, die P. aber nicht geben wollte. Bei Tische gingen die Verhandlungen über diesen Gegenstand hin und her, und da Hummel mit großer Ruhe auf dem geforderten Preise beharrte, schrie endlich P. in vollem Zorn: »Ihr Komponisten seid alle verrückt geworden! Ihr wißt gar nicht mehr, was Ihr von den armen Verlegern verlangen sollt.« Das brachte Hummel aus seinem Gleichmut und er erwiderte: »Ja, Ihr verfluchten Kerle von Verlegern, wie könntet Ihr denn solche Soupers geben, wenn wir armen Komponisten nicht wären?« Die ganze Gesellschaft brach in ein schallendes Gelächter aus, in welches P., nachdem er sich einigermaßen von seiner Verblüffung erholt hatte, herzlich mit einstimmte.

Der Großherzog Karl Friedrich von Weimar war ebenfalls in Karlsbad angekommen; er gebrauchte die Heilquelle fast jedes Jahr, und sein Erscheinen dort wurde nicht nur[195] von der versammelten Aristokratie, sondern auch von allen Notleidenden freudigst begrüßt. Wie im eigenen Lande, so war er auch hier der stets bereite Tröster und Helfer in Not und Elend.

Die Weltgeschichte geht schnell an einem Fürsten vorüber, der nicht durch große Taten sich und sein Volk berühmt zu machen gewußt hat. Epochemachendes weiß auch ich nicht von Karl Friedrich zu erzählen, dafür aber viele Züge edlen, warmen Gefühls. Seine Untertanen nannten ihn den Gütigen, und das mit vollem Recht, denn er war ein edler, fest an seinem Worte haltender Fürst. Sein Schatzmeister, Geheimer Hofrat Helbig, war namentlich angewiesen, sich in Weimar nach allen Notleidenden umzusehen; so oft er ihm darüber berichtete, fragte der Großherzog: »Ist dies auch alles? Haben Sie nichts mehr? Sagen Sie nur, sagen Sie! Ich will nicht nur der Vater meiner Untertanen heißen, ich will es auch sein.«

Ich konnte unmöglich Karlsbad verlassen, ohne die Räume zu sehen, in denen Goethe öfters gewohnt hatte; sie waren vermietet, aber der Inhaber gestattete mir freundlich den Eintritt. Der Salon mit seinen vier Fenstern, von denen zwei nach der Wiese, zwei nach dem Gebirge hinausgingen, erinnerte mich an eine Anekdote von Goethe, die zwar als unwahr angegriffen wird, deren Wahrheit ich aber durchaus nicht bezweifeln kann, da sie Hofrat Rehbein (Goethes Hausarzt) selbst erzählt hat.

Der treue Diener Goethes, Karl, erhält am 27. August früh Befehl, zwei Flaschen Rotwein nebst zwei Gläsern herauszubringen und in den obenerwähnten, sich gegenüberliegenden Fenstern aufzustellen. Nachdem dies geschehen, beginnt Goethe seinen Rundgang im Zimmer, wobei er in abgemessenen Zwischenräumen an einem Fenster stehen bleibt, dann am andern, um jedesmal ein Glas zu leeren.[196]

Nach einer geraumen Weile tritt Rehbein, der ihn nach Karlsbad begleitet hatte, ein.

Goethe. Ihr seid mir ein schöner Freund! Was für einen Tag haben wir heute und welches Datum?

Rehbein. Den siebenundzwanzigsten August, Exzellenz.

Goethe. Nein, es ist der achtundzwanzigste und mein Geburtstag.

Rehbein. Ach was, den vergesse ich nie; wir haben den siebenundzwanzigsten.

Goethe. Es ist nicht wahr! Wir haben den achtundzwanzigsten.

Rehbein (determiniert). Den siebenundzwanzigsten!

Goethe (klingelt, Karl tritt ein). Was für ein Datum haben wir heute?

Karl. Den siebenundzwanzigsten, Exzellenz.

Goethe. Daß dich – Kalender her! (Karl bringt den Kalender.)

Goethe (nach langer Pause). Donnerwetter! Da habe ich mich ja umsonst besoffen. – Letzteres konnte für alle, die ihn kannten, nur als eine humoristische Phrase gelten, denn Goethe betrank sich nie.

Von Goethe zu Raupach ist ein weiter Schritt, und es ist jetzt sogar Mode geworden, von letzterem nur mit einer gewissen hochmütigen Geringschätzung zu sprechen. Mir aber ist die Erinnerung an Raupach so lieb und wert, ich habe dem eigentümlichen und trefflichen Manne so viel Anregung und Belehrung, so manchen Aufschluß und Fortschritt in meiner Kunst zu verdanken, daß es mir ein Herzensbedürfnis ist, auch ihm ein Gedenkblatt der Freundschaft und Verehrung zu widmen.

Raupach, wie ich ihn habe kennen lernen, strebte gewiß danach, zu den Besten seiner Zeit gezählt zu werden, und die geringen Erfolge, die er anfangs hatte, der Zweifel, ob[197] es ihm überhaupt gelingen werde, jemals das Ziel seines Ehrgeizes zu erreichen, mögen wohl die Grundursache zu einer Bitterkeit und Schärfe gewesen sein, die sich merkbar bei ihm kund gab.

Im Herbst 1823 kam Raupach nach Leipzig. Seine dramatischen Werke »Die Fürsten Chawansky«, »Die Gefesselten«, »Lorenzo und Cäcilie«, »Die Erdennacht« hatten bei dem deutschen Publikum damals bereits Anerkennung gefunden. Das erstgenannte Drama war schon einigemal mit vielem Beifall in Leipzig gegeben worden. Um Raupach zu ehren, ließ Hofrat Küstner diese wirklich gelungene Darstellung ihm vorführen. Der Dichter befand sich rechter Hand vom Zuschauer in einer kleinen Eckloge dicht am Orchester. Nach dem Schluß der Vorstellung wurde ihm vom Publikum ein dreimaliges Hoch gebracht, eine Auszeichnung, die vor ihm nur Schiller widerfahren war; ein steifes, kaltes Kopfneigen war sein Dank. Sein Äußeres hatte eben nichts Anziehendes. Das starre, dunkle, emporstehende Haar, das eherne Gesicht, in dem kein Zug freudiger Erregung zu erblicken war, die hagere, knochige Gestalt, sie waren nichts weniger als geeignet, beim ersten Anblick Sympathien für den Mann zu erwecken. So erging es mir, und so mochte es vielen anderen ergehen, besonders den armen Schauspielern, die ihr Bestes getan, um dem Dichter zu genügen, und die kein Wort des Dankes oder der Aufmunterung von ihm erlangen konnten.

Zu Anfang der dreißiger Jahre lernte ich Raupach, der Weimar fast jährlich mit seinem oft monatelangen Besuche erfreute, näher kennen. Obgleich er mir beim Beginn unserer Bekanntschaft in seiner Art und Weise sehr unbequem war, fühlte ich mich doch zu seinem eminenten Geist und Scharfsinn unwiderstehlich hingezogen und duldete seinen Sarkasmus und seine mitunter wirklich impertinenten Zurechtweisungen. Sein Äußeres war, wie schon bemerkt, durchaus[198] nicht anziehend und wurde durch ungleichfarbige, nach verschiedenen Richtungen hinblickende Augen noch abstoßender.

Im Jahre 1819 erschien Raupach zum ersten Male als dramatischer Dichter in »Die Gefesselten« auf Weimars Bühne. In den dreißiger Jahren beherrschte er mit vielen seiner Stücke unser Repertoire.

Jedes neue Werk von Raupach wurde von einem Teil der Presse, sei es aus Überzeugung oder aus Neid, hart angegriffen. Seine »Hohenstaufen« nannte man dialogisierte Schulhefte, die nur aus leeren Phrasen bestünden und aller Poesie bar und ledig wären. Ja, selbst Immermann, dessen echter Dichterkraft ich hohe Verehrung zolle, behandelt ihn in seinem »Münchhausen« nicht würdig.

Ich fragte Raupach, als wir im Jahre 1810 die Heilquelle von Franzensbad brauchten, wodurch er sich die Feindschaft Immermanns zugezogen. »Die Geschichte ist sehr einfach,« sagte er. »Immermann, mit dem ich längere Zeit in Korrespondenz stand, schickte mir ein Lustspiel zur Beurteilung zu und bat mich, meine Meinung ohne Rückhalt darüber auszusprechen. Das Ding war aber nur eine ganz triviale Posse, und das sprach ich denn ohne Rückhalt aus. Danach hörte unsere Korrespondenz auf, und die Antwort auf meinen Brief gab er im »Münchhausen«.« Ob Raupach mit dieser Erklärung das Richtige getroffen hat oder die Veranlassung zu dem schonungslosen Angriffe nicht in persönlichen Vorkommnissen, sondern lediglich in dem grundverschiedenen Streben und Wesen der beiden Männer zu suchen ist, darüber maße ich mir kein Urteil an, ich gebe nur Raupachs Worte wahrheitsgetreu wieder.

Dagegen muß ich auch einer späteren Äußerung gedenken. Nach Immermanns Tode war Raupach wieder in Weimar und eines Tages in einem kleinen Gesellschaftskreise in meiner Wohnung. Einer der andern Gäste brachte[199] das Gespräch auf den verstorbenen Dichter, beurteilte ihn sehr wegwerfend und erhob auf seine Kosten den lebenden gegenwärtigen. Raupach erwiderte gelassen: »Unsere Literatur ist zu beklagen, weil er »Tristan und Isolde« nicht hat vollenden können; es ist ein schönes Gedicht.«

Unvergeßlich wird mir sein, wie wir im traulichen Kreis zusammen waren und Raupach gleichsam als Prophet in unserer Mitte saß. Es war die Zeit, wo überall der politische Boden anfing sich zu bewegen; aber was bisher anderwärts geschehen, konnte nicht befürchten lassen, daß der Aufruhr jemals durch ganz Deutschland seine Fahne tragen würde, und wir sprachen unsere Sicherheit kecklich aus. Da sagte Raupach: »Man lese die Weltgeschichte, so wird man finden, daß fast jedes Volk eine solche Katastrophe aufzuweisen hat; auch in Deutschland könnte sie erscheinen; ja selbst Rußland wird vor ihr nicht sicher sein. Wer aber außer Gott kann die Zeit ermessen, wo dieser finstere Geist auch über unseren Häuptern schweben und sie verrücken wird! Kommt er, dann hoffe ich, daß mannhafte Fürsten, nicht mit Gebeten und Weihwedel, sondern mit dem Schwert in der mächtigen Hand, ihn zu Boden werfen werden. Man gebe dem Volke, was Rechtens, und dem Kaiser, was des Kaisers ist. Darin besteht die Ordnung der Welt.«

Der Kern von Raupachs Wesen war echt und edel, das beweisen seine Dichtungen jedem, der unbefangen an sie herantritt, und davon sind alle überzeugt, die sich seine Freundschaft erworben hatten. Da verschwand jenes abstoßende, verletzende Wesen, und seine strenge Wahrheitsliebe, seine Fülle von Kenntnissen auf allen Gebieten menschlichen Wissens, sein hoher ernster Geist und seine edle Gesinnung traten hell zu Tage und zogen unwiderstehlich an. Darum würdigten zwei erhabene Fürstinnen, die unvergeßliche Großherzogin Maria Paulowna von Weimar und ihre gleichgesinnte[200] Tochter, die Königin Augusta von Preußen, ihn ihrer Freundschaft. Und mit welch innigem Dank und welcher unwandelbaren Treue er diese ihm unschätzbare Anerkennung empfand, dafür könnte ich viele Äußerungen des Mannes anführen, dem niemand die strengste Wahrheitsliebe und unbestechliche Aufrichtigkeit absprechen kann.

Augusta und Maria Paulowna waren die Sterne, die den Abend seines Lebens mild und wohltuend verklärten.

Quelle:
Genast, Eduard: Aus Weimars klassischer und nachklassischer Zeit. Erinnerungen eines alten Schauspielers. Stuttgart 1919, S. 191-201.
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