Milch

[89] Milch ist eine natürliche thierische Emulsion, aus Fett, Käse, und Milchzucker, mit Wasser innig gemischt. Ihre verschiednen Arten kommen unter den verschiednen Thieren vor. Die Kuhmilch ( Rind) ist die gebräuchlichste zu arzneilichen Absichten.

Ihre Heilkraft ist überhaupt gelind (gering) und leicht nährend, und schmeidigend.

Den wässerigsüßen Theil nennt man Molken, w.s.

Verdickt man die Milch (Kuhmilch, noch besser Ziegenmilch) durch Abdampfen bis zur Trockenheit (Milchpulver) ziehet die auflöslichen, salzhaften Theile des trocknen Pulvers mit Wasser aus, seihet die Flüssigkeit durch, und dampft sie wieder ab, so erhält man ein gelbes Magma, das Milchextrakt (Franchipane; wiewohl dieß Wort auch blos dem Milchpulver beigelegt wird) eine Substanz, die außer dem eigentlichen Milchzucker, w.s. auch die übrigen zuckerhaften Bestandtheile der Milch enthält und weit süßer als letzterer ist. Die Auflösung dieses Milchextrakts in Wasser macht Hoffmanns süße Molken (Serum lactis dulce Hoffmanni) aus.

Wenn man den Käse und die Butter von der Milch trennt, so bleiben die Molken (Serum lactis) übrig. Diese Abscheidung wird auf verschiednen Wegen erhalten, je nachdem die Absicht ist. Läßt man die (Kuh-) Milch an einem[89] lauen Orte drittehalb Tage stehen, so erfolgt die Trennung von selbst; der Käse scheidet sich vom Waddig, einer Art nicht unangenehm säuerlicher Molken. Blos als einen diätetischen, kühlenden Hausmittels bedient man sich ihrer. Die gebräulichsten Molken sind noch angenehmer von Geschmack und nahrhafter, nämlich die mit Kälbermagensafte bereiteten. Die Verfertigung sehe man unter Laab nach. Die übrigen Molkenarten sind blos arzneiliche, nämlich Milch durch Zusatz arzneilicher Substanzen geschüttet (gelaabt), deren Kräfte man dem Kranken mittelst solcher Molken mittheilen will. Sobald die Milch in vollem Aufkochen ist, setzt man die Arzneisubstanz zu, läßt die Milch noch etwas wallen, nimmt sie dann vom Feuer rührt sie um, bis die Scheidung erfolgt, und seihet die Molken durch. Weinstein (etwa ein Quentchen zu zwei Pfund Milch), Tamarindon, Zitronsaft, Alaun, Essig, Wein, Senf, (Eiweiß) und andre Substanzen werden dazu angewendet, je nachdem die Absicht ist. Je weißer und wasserheller die Molken dadurch werden, desto weniger nahrhaftes enthalten sie; die nahrhaftesten sind die mit Eiweiß und Kälberlaab verfertigten.

Aus den Molken letzterer Art wird gewöhnlich der Milchzucker (Saccharum lactis) bereitet, durch Einsieden bis zum Viertel, und Anschießen der Lauge. Den Rest dampft man nochmals bis zum Viertel ab, und läßt ihn wieder anschießen; die Mutterlauge hie von enthält wenig mehr davon, und fast blos Kochsalz und Laugensalz.

Der Milchzucker löst sich in weniger als sieben Theilen kaltem Wasser auf, schmeckt nur wenig süß und scheint aus 49 Theilen wahrem Zucker und 15 Theilen einer eignen, kaum in 60 Theilen kochendem Wasser auflöslichen Milchzuckersäure zusammengesetzt zu seyn. Seine gerühmten Tugenden in Lungensucht und Gicht sind ziemlich unbeträchtlich.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 89-90.
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