Milchmandelbaum

[90] Milchmandelbaum, Amygdalus communis, L. [Zorn, pl. med. tab. 301.] mit doppelten Blüthen ausgeschnittenen Blumenkronblättern und sägeartig gezahnten, gestielten Blättern, deren unteren Zähne mit Drüsen besetzt sind, ein im südlichen Europa und schon fast am Rhein einheimischer Baum, welcher sehr zeitig im Frühlinge weißröthlich blüht.

Die süßen Mandeln (Amygdalae dulces) sind der süßlichtölige Samenkern, von einer glatten, harten, durchlöcherten Schaale eingeschlossen, welcher ein zähes, trocknes, mit einer wolligen Haut bedecktes Fleisch zur Hülle hat. Sie müssen zu arzneilichem Gebrauche ganz, nicht runzelicht, oder zerbrochen und wurmstichig seyn; letztere sind allemal ranzig von Geschmack und untauglich. An der Größe liegt wenig.[90]

Man bedient sich ihrer entweder durch Abbrühen mit kochendem Wasser ihrer äußern Schale beraubt und mit Wasser zur Mandelmilch (emulsio amygdalina) gerieben Emulsion, oder zur Bereitung des Mandelöls (Ol. amygd. dulc.) mittelst des Auspressens, wozu die unabgeschälten gestoßenen Mandeln angewendet werden. Mit Hülfe der Hitze ausgepreßt, geben sie wenigstens 2/5 Oel. Man zieht aber das blos kalt ausgepreßte zu arzneilichen Absichten vor, weil es nicht so leicht ranzig wird. Doch ist dem Apotheker nicht zu verargen, wenn er die eisernen Preßplatten dazu vorher in kochendes Wasser legt, und sie möglichst heiß darin werden läßt. So geben sie 3/11 ihres Gewichtes eines gilblichen, etwas trüben, süßlichten, ganz milden Oels, welches an gutem Geschmacke alle andre ausgepreßten Oele übertrifft, und bei etwa 10° Fahr. Kälte gerinnt. Die nicht ganz frisch gesammelten, etwa ein halbes Jahr alten Mandeln geben das meiste.

Man bedient sich desselben innerlich, um Schärfen (in der Brust, dem Darmkanale, und den Harnwegen) einzuwickeln, und andre Schmerzen zu lindern.

Die Mandelmilch ist ein nährendes, schmeidigendes, angenehmes Getränk. Die Magen schwächende Eigenschaft derselben so wie des Oels wird oft bei anhaltendem Gebrauche sichtbar.

Die von einem Aeussern ganz ähnlichen Baume gesammelten bittern Mandeln (Amygdalae amarae) geben beim Auspressen ein völlig gleiches Oel an Geschmack und an Kräften, wie die süßen Mandeln, aber nur 1/4 ihres Gewichts. Es wird weniger leicht ranzigt. Die besondre, große Arzneikraft derselben liegt größtentheils in ihrem graubraunen Oberhäutchen. Es ist der sogenannte Bittermandelstoff, welcher in den Kirsch- und Pfirsichkernen, so wie in den Lorbeerkirschblättern, herrschend ist. Sie geben (vorzüglich die Kleie davon) in der wässerigen Destillation ein Wasser und ätherisches Oel, welches von dem aus den Lorbeerkirschblättern gar nicht verschieden ist. Man hat sich der bittern Mandeln als eines Harntreibenden Mittels, gegen Wechselfieber, und in der Lungenentzündung bedient.

Der Rest von der Auspressung des Oels aus den süßen, vorzüglich den bittern Mandeln, die Mandelkleie (Furfur Amygdalarum amararum) dient als Schönheitsmittel mit Wasser zum Waschen, womit sie wie Seife schäumt.

Das aus der Rinde zuweilen dringende Gummi (Gummi amygdali) ist von andern Gummiarten, namentlich von dem Kirschgummi, nicht verschieden, obgleich ehedem gegen Blutspeien und Blutharnen gelobt.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 90-91.
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