Mischung

[97] Mischung (Mistio, Mixtio) ist eine nicht gleichgültige Verrichtung in der Pharmazie. Man sagt zwar überhaupt, daß sie bei pulverichten Gemischen in Stoßen und Reiben, bei Flüssigkeiten in Umrühren und Umschütteln, bei Teigen und Pflastern aber in Zusammenkneten bestehe. Aber diese Mischungsarten, besonders die erstern, erfordern oft viel Vorsicht, Gedult und Einsicht. Wenn man z.B. einige Gran Kanthariden, ein Paar Gran Mohnsaft, oder wenige Gran Brechweinstein u.s.w. unter ein oder mehrere Loth andrer Pulver mischen soll, so müssen jene starkwirkenden Dinge nicht nur zu alkoholisirtem, unfühlbarem Pulver bereitet, sondern auch das größere Haufwerk der unwirksamern Substanz muß fein gepülvert seyn, und beide ungleichartigen Dinge müssen nicht auf einmal[97] sondern in kleinen Portionen zusammengeschüttet und gerieben werden, um der ungleichen Mischung vorzubeugen. Hat man z.B. ein Gran kräftiges Eisenhutextrakt mit einer Unze Kreidepulver zu mischen, so ist es nicht genug, das erstere mit etwa einem halben Quentchen des Kreidepulvers (oder, was sich besser dazu schickt, und wohl substituirt werden kann, präparirter Austerschalen) zuerst dergestalt zu verreiben, daß es zum trocknen Pulver, zum durchgängig gleichfarbigen Pulver werde, man muß auch alles mit dem Spatel aus der Reibeschale von Zeit zu Zeit von den Rändern und vom Boden zusammenstoßen, und wieder reiben, dann nur etwa ein Quentchen des Kreidepulvers mit dem Spatel darunter rühren, wieder zusammenreiben, wieder mit dem Spatel alles von den Wänden und dem Boden in eins zusammenbringen, und wieder mehrmals reiben, ehe man wieder etwa zwei Quentchen, und wenn gleiche Mühe mit der Mischung abermals verwendet ist, den Rest des Kreidepulvers zusetzt, und das Reiben, das Zusammenbringen mit dem Spatel, und das abermalige Reiben sorgfältig erneuern. Ob die Mischung gleichartig ausgefallen sei, lehrt uns hier kein Ansehn, kein Geruch, noch Geschmack. Blos Sorgfalt, Gedult und Nachdenken kann uns hievon überzeugen. Ich hatte ein solches Gemisch sorgfältig bereitet, wovon jede vier und zwei Gran schon auffallende Wirkung bei Kindern hervorbrachten. Wie, wenn die Mischung ungleichartig gewesen wäre, hätten da nicht vier Gran, worin am meisten Extrakt gewesen, den Tod zuwege bringen, zwanzig Gran aber nicht höchst unkräftig seyn müssen? Wie sorgfältig und mühsam müssen nicht die starkwirkenden Dinge unter Pillenmassen gemischt werden, wenn Gleichartigkeit entstehen soll! Wie innig gemischt muß nicht die Masse zu Hoffmanns Pillen seyn, wenn man nicht damit töden will! Zudem muß man wissen, welche Körper sich zusammen vereinigen lassen, welche nicht? welche mit Zwischenmitteln, welche auch dann nicht? Einige Erfahrungssätze über unverträgliche und zur Mischung unfähige Substanzen werden im Artikel Zusammensetzung vorkommen.

So ist es auch z.B. gar nicht gleichgültig, welche von den beiden Flüssigkeiten, Weingeist oder Vitriolsäure, man bei Bereitung des Vitrioläthers zu der andern gießen soll. Das Mischungsgefäß muß den Weingeist enthalten und die Säure nur in sehr kleinen Portionen zugegossen, und immer dazwischen das Gemisch behutsam geschwenkt und umgeschüttelt werden. Umgekehrt zu Werke gehen, würde das Gefäß mit Lebensgefahr des Arbeiters augenblicklich zersprengen.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 97-98.
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