§. [117] 65.

Beispiele von a) liegen jedermann vor Augen. Eine in heißem Wasser gebadete Hand ist zwar anfänglich viel wärmer als die andere, ungebadete Hand (Erstwirkung), aber von dem heißen Wasser entfernt und[117] gänzlich wieder abgetrocknet, wird sie nach einiger Zeit kalt und bald viel kälter, als die andere (Nachwirkung). Den von heftiger Leibesbewegung Erhitzten (Erstwirkung) befällt hinterher Frost und Schauder (Nachwirkung). Dem gestern durch viel Wein Erhitzten (Erstwirkung) ist heute jedes Lüftchen zu kalt (Gegenwirkung des Organisms, Nachwirkung). Ein in das kälteste Wasser lange getauchter Arm ist zwar anfänglich weit blässer und kälter (Erstwirkung) als der andere, aber vom kalten Wasser entfernt und abgetrocknet, wird er nachgehends nicht nur wärmer, als der andere, sondern sogar heiß, roth und entzündet (Nachwirkung, Gegenwirkung der Lebenskraft). Auf starken Kaffee erfolgt Uebermunterkeit (Erstwirkung), aber hintennach bleibt lange Trägheit und Schläfrigkeit zurück (Gegenwirkung, Nachwirkung), wenn diese nicht immer wieder durch neues Kaffeetrinken (palliativ, auf kurze Zeit) hinweggenommen wird. Auf von Mohnsaft erzeugten, tiefen Betäubungs-Schlaf (Erstwirkung) wird die nachfolgende Nacht desto schlafloser (Gegenwirkung, Nachwirkung). Nach der durch Mohnsaft erzeugten Leibesverstopfung (Erstwirkung) erfolgt Durchfälligkeit (Nachwirkung) und nach dem mit Darm erregenden Arzneien bewirkten Purgiren (Erstwirkung) erfolgt mehrtägige Leibverstopfung und Hartleibigkeit (Nachwirkung). Und so wird überall auf jede Erstwirkung einer, das Befinden des gesunden Körpers stark umändernden Potenz in großer Gabe, stets das gerade Gegentheil (wo, wie gesagt, es wirklich ein Solches giebt) durch unsere Lebenskraft in der Nachwirkung zu Wege gebracht.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Nach der handschriftlichen Neubearbeitung Hahnemanns für die 6. Auflage, Ulm 1958, S. 117-118.
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Organon der Heilkunst - Aude sapere. Nach der handschriftlichen Neubearbeitung Hahnemanns für die 6. Auflage, herausgegeben und mit einem Vorwort von Richard Haehl.
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