XXVIII. Das Jahr 1837.

[314] In den ersten vier Monaten des Jahres 1837 entwickelte ich die größte Tätigkeit im Betreiben der Akademiegründung. Bei Jacquin hatte ich mich mit den Herren, die sich mit mir an einer Bittschrift beteiligten, besprochen; manche waren für eine Bittschrift mit vielen Unterschriften aus allen Ständen. Diesem Vorschlag widersetzte ich mich, weil ich überzeugt war, mit einer solchen Bittschrift, die außerdem gesetzlich unstatthaft, der Sache nur zu schaden. Ich stellte den Grundsatz auf, der Vorschlag solle von zwölf Staatsbeamten, die in der Wissenschaft etwas geleistet, unterschrieben werden, und zwar in gleicher Zahl von Seite der mathematisch-physischen als der philologisch-historischen Klasse, in welche die Akademie zerfallen sollte. Zahlbruckner sagte, er müsse sich zuerst die Unterstützung seines Herrn, des Erzherzogs Johann, versichern. Vergeblich wendete ich ein, daß ich schon wiederholt mit dem[314] Erzherzog davon gesprochen und immer die Antwort erhalten habe, er könne sich damit nicht befassen. Dennoch wurde beschlossen, Zahlbruckner solle an den Erzherzog schreiben. Die Antwort lautete, wie ich vorausgesetzt: ›Es sei nicht an der Zeit.‹ Baumgartner sagte: ›Was, zum Teufel, nicht an der Zeit! Sooft man bei uns etwas Gutes und Nützliches begehrt, heißt es: »Es ist nicht an der Zeit!«, jetzt oder niemals ist die Zeit dazu gekommen.‹ Auch ich fand, es sei gerade an der Zeit, wo den Lombarden die Wiederherstellung ihres wissenschaftlichen Instituts für die Krönung zugesagt und man doch nicht die Schmach und Ungerechtigkeit voraussetzen könne, daß man den Deutschen und Österreichern versagen werde, was den Venetianern und Lombarden gewährt wird. Ich schlug vor, ungesäumt Hand ans Werk zu legen und den am nächsten Mittwoch wieder hier versammelten Herren Bericht zu erstatten.

Am folgenden Morgen ging ich zum Präsidenten der Hofkammer Freiherrn von Eichhoff, den ich nicht erst günstig zu stimmen brauchte, da er die Sache als Staatsmann und Freund der Wissenschaften auffaßte und mich ermächtigte, dem Grafen Kolowrat zu sagen, daß die Hofkammer zur Unterstützung des Antrages bereit sei. Acht Tage später hatte ich Audienz beim Grafen Kolowrat, der mir aber diesmal mit Schwierigkeiten entgegenkam. Er sagte: das lombardische Institut lasse sich nicht als Beispiel anführen, dafür seien Kapitalien und Vermächtnisse vorhanden.

Ich entgegnete: ›Stiften Sie nur einmal eine Akademie, dann wird es auch in Österreich nicht an wissenschaftlichen Größen und Menschen fehlen, welche die Akademie in ihren Testamenten bedenken werden.‹ Er kam auf den Zustand der Finanzen, welche nötigere Ausgaben zu bedenken hätten, und als ich ihm Eichhoffs Erklärung mitteilte, sagte er: ›Eichhoff weiß nicht, wie schlecht wir stehen.‹ Endlich gab er den Rat, wir sollten durch Erzherzog Ludwig an den Kaiser gehen. In der gewöhnlichen Sonntagsaudienz wartete ich dem Erzherzog Ludwig auf und sprach lange und eindringlich über die Notwendigkeit der Akademie und den[315] mir von Graf Kolowrat gegebenen Rat. Er blieb mir die Antwort schuldig.

Am nächsten Mittwoch wurde bei Jacquin verabredet, daß am nächsten Montag, den 13. März, die Beratung der zwölf über die von mir zu entwerfende Bittschrift und die Umrisse der Akademie stattfinden sollen. Ich lief herum, um die zwölf anzuwerben und unter einen Hut zu bringen. Die Herren Baumgartner, Ettingshausen, Jacquin und Littrow waren mir sicher, ich hatte auch Endlicher genannt, aber Jacquin meinte, ich sollte lieber Hofrat Schreiners, den Direktor des Naturalienkabinetts, und Regierungsrat Prechtl, den Direktor des polytechnischen Instituts, ansprechen. Beide fand ich bereit. Auf der Bibliothek waren Kopitar und Wolf, im Antikenkabinett Arneth meinem Wunsch entgegengekommen, ich hatte also nur mehr zwei Geschichtschreiber anzuwerben. Chmel sagte nach einigem Zögern zu, Buchholtz wollte mir wegen seiner ultrakatholischen Gesinnung, die sich in seiner Geschichte Ferdinand I. kundtut, nicht passen, ich lud ihn aber schließlich doch ein. Am 13. März fand die Beratung statt, wir waren nur neun, denn Schreibers und Prechtl waren nicht gekommen, Kopitar war durch ein Versehen meines Bedienten die Einladung, nicht ausgerichtet worden. Ich las den groben Entwurf und notierte die Einwendungen und Zusätze. Jacquin wollte für jede Klasse einen Präsidenten, ich setzte meinen Antrag, daß der Präsident aus einer Klasse, der Vizepräsident aus der anderen zugleich der Präsident dieser sei, durch. Littrow wollte von keinem Generalsekretär, nur von zwei Sekretären der beiden Klassen hören, endlich einigte man sich auf diese mit einem Generalsekretär. Mein Vorschlag, auch Dichtern unter den Philologen einen Platz zu gönnen – ich nannte Grillparzer und Zedlitz –, wurde von keiner Stimme unterstützt. Zedlitz begann schon damals auf die Ansichten des Fürsten Metternich einzugehen, um eine Anstellung zu erhalten, und wollte von einer Akademie nichts wissen, noch sich für diese beim Fürsten interessieren. Diese von mir in Gang gebrachte, von zwölf Beamtenschriftstellern gefertigte Bittschrift war das erste Anklopfen der öffentlichen literarischen Meinung an die verschlossenen[316] Pforten Metternichschen Systems und die wirklich ins Leben gerufene Akademie das erste Zugeständnis, welches der Fürst Metternich nach zehn Jahre dauerndem Sträuben der öffentlichen Meinung machte.

Ich sandte den durchberatenen Entwurf zu den Herren herum und diese machten ihre Bemerkungen dazu. Am folgenden Tage ließ ich die Reinschrift1 kursieren und schrieb an den Obersthofmeister des Erzherzogs Ludwig, den Grafen Reischach, um für eine Deputation wissenschaftlicher Männer eine Audienz zu erbitten. Graf Reischach war durch seinen Neffen, den Grafen Marschall, günstig gestimmt, der Erzherzog durch den Grafen Kolowrat vom Gegenstand der Audienz bereits unterrichtet. Schon nach wenigen Stunden erhielt ich die Nachricht, daß der Erzherzog uns am folgenden Tage empfange. Jacquin war unwohl, Ettingshausen übernahm seine Stelle, mit ihm waren Baumgartner, Arneth und ich die Abgeordneten, und wir verabredeten, was jeder sagen sollte. Wir wurden sehr gnädig empfangen, ich sprach zuerst und zuletzt, am besten und kräftigsten sprach Ettingshausen. Ich eilte in die Staatskanzlei zu Pilat und bat ihn, in meinem Namen den Fürsten Metternich von dem soeben gemachten Schritt in Kenntnis zu setzen und ihn um seine Unterstützung zu bitten.

Im Verlaufe dieses Sommers arbeitete ich sehr langsam und schwer an meinem Gemäldesaal morgenländischer Herrscher, dessen Zueignung Erzherzog Franz Karl angenommen hatte, von ihm erhielt ich aber nie irgendeine Anerkennung dafür. Trotzdem blühte mir in diesem Jahre eine doppelte Freude: das Diplom und das brillantene Ehrenzeichen des Nischan-el-Iftikar, wörtlich übersetzt ›Zeichen der Berühmung‹, weil, der es erhält, erst dadurch berühmt werden soll, und die Verleihung des Erbamtes als Oberst-Erbland-Vorschneider in der Steiermark. Das erste bekam ich für die Zueignung der Geschichte der türkischen Dichtkunst[317] an den Sultan. Um das Erbamt anzusuchen, wäre mir nie eingefallen, wenn mich nicht mein Freund Wartinger darauf aufmerksam gemacht hätte.

In Hainfeld beschäftigten mich die archivalischen Vorbereitungen und die Sichtung der Papiere für meinen historischen Roman ›Die Gallerin auf der Riegersburg‹ noch zwei Wochen, am Rosalientage (4. Sept.) begann ich ihn zu schreiben. Ich verwendete darauf die Morgenstunden von vier bis sieben und vollendete in sieben Wochen meines Aufenthaltes den ersten Teil. Ende September wohnte ich dem Landtag in Graz bei und nahm meine Belehnung als Oberst-Erbland-Vorschneider.

Am Tage meiner Rückkunft von Hainfeld war auch der türkische Botschafter Reschid von Paris eingetroffen. Ich besuchte ihn sogleich und erwartete die Bestimmung des Fürsten zur Audienz beim Kaiser. Diese fand am folgenden Tage hinter meinem Rücken statt, der Fürst nahm statt des Hofdolmetsches Maurojeni zu dieser Audienz mit. Zu dieser Kränkung hatte ich nicht den geringsten Anlaß gegeben, am folgenden Tage protestierte ich in aller Form dagegen und sandte Abschriften meines Protestes an den Erzherzog Ludwig und an Graf Kolowrat. Soviel bewirkte mein Protest, daß, als vierzehn Tage später der türkische Botschafter Ssarimbeg durchkam, die Audienzen beim Fürsten und beim Kaiser in gehöriger Form und Ordnung stattfanden, ebenso als einen Monat später Nuribeg auf seinem Rückwege von London eintraf.

1

Diese Eingabe vom 18. März 1837 wurde von A.R.v. Schrötter im Almanach der k. Akademie der Wissenschaften 1872, S. 134 ff., vollständig veröffentlicht. Vgl. Alfons Huber, Geschichte der Gründung und Wirksamkeit der k. Akademie der Wissenschaften, S. 22 ff.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Josef von: Erinnerungen aus meinem Leben. 1774–1852. Wien und Leipzig 1940, S. 318.
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