Nachfolge Jesu.

[370] Das höchste Muster der Frömmigkeit ist Christus, und, so du willst wirklich dein Leben bessern, so siehe nur auf dieses Exempel, wie er denn selbst spricht Joh. 6. Wer mir nachfolget, der wandert nicht in Finsternis, und an einem andern Orte: ich bin das Licht der Welt. Nun hat Christus zwar viel gethan, was wir nicht thun können und nicht thun sollen. Sonst müßten wir auch auf dem Meere gehen, und alle Wunder thun, die er that, uns kreutzigen lassen und wieder nach drei Tagen aufstehen. Wiederum die Ehe lassen anstehen, weltliches Regiment lassen, nicht ackern und pflügen, kein Handwerk treiben, weil er das alles gelassen hat. Nein! Sondern was er hat wollen von uns gethan und gelassen haben, das at er nicht allein gethan und gelassen, sondern auch mit Worten darauf gedeutet, geboten und verboten, was wir thun und lassen sollten. Aber in dem, was wir können, sollen wir ihm nachahmen, und das können wir am meisten in unserm Lebenswandel mit unserm Nächsten.[371] Es ist fürwahr ein goldner Spruch, den sich jeder über die Thüre schreiben sollte: ein jeglicher sei gesinnet, wie Jesus Christus auch war. Denn leben wir mit ihm, so werden wir auch mit ihm sterben, und sterben wir mit ihm, so werden wir auch dort mit ihm leben. Dazu ist nun nöthig, daß du ja recht viel von ihm wissest, und erfahrest, wie er sich gegen seinen Gott und Nächsten verhalten habe, damit du es auch so machen kannst, und dir sein Exempel immerdar vor Augen stellen. Das erfährst du aber am besten aus der heil. Schrift, die du nur fleißig durchforschen mußt. Denke nur dann immer, wie würde es Christus machen, wenn er an deiner Stelle wäre! Du hast Geld und Reichthum. Er würde nicht sein Vertrauen darauf setzen, sondern dafür danken, es gut gebrauchen und dem Armen und Nothdürftigen davon geben. So will ich es auch machen. Du bist arm und verlassen. Nur aber trug er das mit Geduld, beneidete und misgönnte niemanden nichts, stahl und betrog auch nicht. So auch du, so du sein Nachfolger sein willst. Aber so du bist beleidigt worden,[372] und verfolgt wirst, so gedenke, daß er nicht unfreundlich mit seinen Feinden sprach, sondern mit ihnen Geduld hatte, nicht wieder schalt, wenn er gescholten wurde, sondern auch für sie betete. Und du müßtest sein Schüler nicht sein, wo du nicht wolltest ein gleiches thun. Oder du kömmst in Noth und Trübsal, so frage dich: trug er nicht auch Creuz genug, und murrete er wieder Gott, fieng er an gleich zu verzweifeln, zu heulen und zu schreien? nun so thue es auch nicht. Es trift sich auch, daß du in Freuden bist. Vergaß er auch da wo Gottes? That er nicht auf der Hochzeit zu Cana mitten in der Lust noch gutes? Hier mußt du ihm auch folgen. Und es wird leicht keine Zeit und Gelegenheit sein, wo du nicht sein Exempel vor dir hättest, dem du nacheifern mußt. Du folgest ja gerne großen Herrn, und machest dir es zur Ehre, etwas gleiches mit ihnen zu haben. Fürwahr, diesem Herrn nachzufolgen, wird dir Ehre und Seligkeit sein.[373]

Quelle:
[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 370-374.
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