Der Bazar

[34] ist eine Wohlthätigkeits-Unthat, welche sich bis setzt der irdischen Gerechtigkeit zu entziehen gewußt hat, obschon die beliebte Frage bei jeder bekannt werdenden Unthat: Où est la femme? jedesmal sofort keine Frage ist. In jeder Bude, an jedem Tisch, hinter jedem Buffet des Bazars stehen zwei bis mehrere.

Man nähere sich ihnen vorsichtig. Nur wer gewöhnt ist, für eine Cigarette, eine Rose, oder ein Glas Bier bis zu zehn Mark zu bezahlen, trete vertrauensvoll näher.

Man unterlasse das Flirten. Jede Artigkeit, und sei sie auch ehrlich gemeint, treibt die Preise in die Höhe.

Man zeige keine Hundertmarkscheine. Die blaue Papierfarbe reizt die Damen.

Wenn man verheiratet ist und hat etwas billig gekauft, so nehme man den Gegenstand nicht mit nach Hause. Die Gattin pflegt ihn ärgerlich hinauszuwerfen und den unglücklichen Käufer vorwurfsvoll daran zu erinnern, daß er Familienvater sei. Ist dieser vorsichtig, so giebt er den Gegenstand dem Taxameterkutscher als Trinkgeld und verschweigt seiner Gattin, daß er den Bazar besucht habe.

Man bestimme vor dem Bazarbesuch genau eine größere Summe, die man verausgaben will, damit man nachher bestimmen kann, wieviel mehr man losgeworden ist.[34]

Man nehme von den Verkäuferinnen keinen Kredit, denn sie geben keinen.

Giebt man für einen Gegenstand aus dem Fünfzigpfennigladen der schönen Verkäuferin eine Mark und sie sagt: »Danke bestens,« so heißt dies: »Mein Herr, das ist sehr lumpig!« Hieraus mache man sich nichts.

Läßt man sich ein Gläschen deutschen Sekt für fünf oder zehn Mark einschenken, so kann man überzeugt sein, nicht betrogen zu werden. Es ist dann sicher kein französischer.

Rosen sind sehr teuer. Man stecke also eine ins Knopfloch, bevor man den Bazar betritt.

Wenn man in einem Bazar von den Damen sehr liebenswürdig behandelt wird, so daß man allgemein beneidet wird, so sei man Millionär, je mehrfacher, desto besser.

Bei Einkäufen und Zahlungen hat man zu wählen, ob man als Knauser oder als Potsdamer (wienerisch: Wurzen) gelten will. Das erstere ist billiger.

Ist mit dem Bazar eine Lotterie verbunden, so kaufe man Lose und verschenke sie. Man kennt ja immer den Einen und die Andere, denen man gern einen Schabernack spielt. Denn die Gewinne, welche solche Lotterie bringt, erschrecken selbst den Anspruchslosen. Es sind Ladenhüter von ehrwürdigem Aussehen, die einer längst verschwundenen Epoche der Industrie angehören und selbst nicht mehr die Kraft haben, die bescheidene Stellung eines Ladenhüters auszufüllen. Auch Abreißkalender eines verflossenen Jahres werden gewonnen, oder man gewinnt im Glücksfall einen solchen Kalender vom laufenden Jahr im Dezember, so daß man, um ihn noch ausnützen zu können, erst etwa 350 Tage abreißen muß. Allgemein gefürchtet werden auch Partituren durchgefallener Opern, welche von[35] solchen Damen für die Verlosung gestiftet worden sind, die sich nicht sicher fühlen, daß sie sie dennoch eines Tages wieder durchspielen. Auch Bücher werden gewonnen, deren Titel lautet: »Tisch für Diabetiker«, oder »Der Klumpfuß heilbar«. Ja, ich habe sogar einen Herrn gekannt, der von einem Makartbouquet erreicht worden ist. Er hat lange daran gelitten. Verlassen wir dies düstere Bild!

Selbst nehme man natürlich kein Bazarlos geschenkt. Niemals gewinnt man etwas Brauchbares, denn unter den größeren Gewinnen befindet sich weder eine Zehnpfennigmarke, noch ein Pferdebahnbillet.

Bedeutend weniger tumultuarisch und gefahrvoll gestaltet sich das in irgend einem städtischen Prunk-, Pracht- oder Festsaal stattfindende


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 41906, Bd. I, S. 34-36.
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