[49] Wenn wir vom Benehmen gegen unsere Nebenmenschen reden, so müssen wir unterscheiden zwischen jenem allgemeinen, aus dem Inneren hervorgehenden Benehmen, das uns der göttliche Heiland selbst geboten hat, wenn Er sagt: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!«, und jenem äußeren Takt und Anstand, der durch den gegenseitigen Verkehr ein für allemal festgesetzt und dessen Verletzung uns gar manche zeitliche Nachteile bringen kann.

Wer ist nun unser Nächster? Antwort: Alle Menschen. Der göttliche Heiland hat uns befohlen, alle Menschen mit gleicher Liebe zu umfangen und ihnen Achtung und Ehre zu erweisen. Nun stehen aber nicht alle Menschen auf der gleichen gesellschaftlichen Stufe, Gott hat vielmehr in Seiner Weisheit gewisse Grade oder Gesellschaftsstufen geschaffen, Vorgesetzte und Untergebene, Hohe und Niedere, Arme und Reiche usw. Manche unter diesen stehen uns wieder näher, je nachdem sie durch die Bande des Blutes mit uns verbunden sind, wie Eltern und Geschwister, oder uns zu unmittelbaren Vorgesetzten gegeben worden sind, wie geistliche und weltliche Erzieher und Lehrherren. Je nach dem Grade dieser Abstufungen, je nachdem unser Nächster uns näher oder entfernter steht, müssen wir auch unser inneres und äußeres Benehmen gegen denselben einrichten, d.h. wir müssen ihm immer und überall die ihm gebührende Ehrfurcht erweisen.[49]

Quelle:
Vogt, Franz: Anstandsbüchlein für das Volk. Donauwörth [1894] [Nachdruck Donauwörth 21987], S. 49-50.
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