Ausbau der Abteilungen italienischer und deutscher Plastik

[29] Alle diese Verhältnisse führten dahin, daß ich mich von der Leitung der Galerie in diesen Jahren möglichst fernhielt. Nur wenn ich etwas ganz Hervorragendes zufällig sehr billig im Handel fand, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, es auf eigene Gefahr festzuhalten. Standen doch andere Galerien und Privatsammlungen damals schon in größerer Zahl hinter mir, die mir solche Bilder mit Freuden abgenommen hätten. Die Sorge für diese Sammlungen, das Streben, das Interesse an unserer Kunst, neuer wie alter, in weiteren Kreisen anzuregen und große und kleinere Publikationen verschiedener Art waren es, die mich neben dem weiteren Ausbau der mir allein unterstellten Abteilung der Bildwerke christlicher Epoche von den Jahren 1885 und 1890 hauptsächlich beschäftigten. Während die Galerie sich so nur um einige hervorragende Stücke bereicherte, wie um den Arnolfini von J. van Eyck (ich kaufte das kleine Porträt in der Versteigerung J. Nieuwenhuis 1886 um 380 Guineas), und das Frauenporträt von Velasquez aus der Sammlung Lord Dudleys, konnte ich gleichzeitig unsere Sammlung größerer italienischer Bildwerke schon annähernd auf ihren jetzigen Bestand bringen. Die reiche Sammlung der Stucchi und bemalten Tonskulpturen, eine Anzahl der Robbia-Bildwerke, verschiedene der Reliefs und Büsten in Marmor und Stein sind damals erworben worden. Darunter[29] auch Desiderios Büste der Prinzessin von Urbino und die große Madonna von Benedetto da Majano aus bemaltem Ton. Erstere hatte ich 1883 während der Versteigerung Castellani im Palazzo Barberini kennengelernt.

Der Principe, der in Terrainspekulationen große Summen verloren hatte, suchte einen Käufer für seinen reichen Vorrat an Gobelins und anderen Kunstwerken. Alexander Günther, der bekannte Kunstfreund und Sammler, der in München sein Standquartier hatte, aber auch damals schon zeitweise in Italien und Tirol lebte, suchte mich zu bereden, für diese Wandteppiche Käufer in Berlin zu finden und ging deshalb mit mir in den Palast. Beim Durchgehen eines Gartensalons mit römischen Büsten fiel mir eine Steinbüste von großer Schönheit und Vollendung auf, die ich schon von weitem als ein Werk der Frührenaissance erkannte, und bei der ich mich gleich des Modells dazu im Besitz des Lords Elcho erinnerte. Günther suchte mich eilig an der Büste vorüberzuführen, wollte mir einreden, sie sei eine schlechte römische Büste, eine Kopie – und als ich ihn auslachte und erklärte, gerade dieses Stück interessiere mich und würde ich zu erwerben suchen, rückte er damit heraus, daß er selbst es darauf abgesehen habe und nur deshalb sich mit dem Vertrieb der Wandteppiche des Fürsten befasse; ich dürfe ihm den Ankauf nicht verderben. Schließlich gelang ihm die Erwerbung nicht, da der Fürst auf sein ganz niedriges Gebot nicht einging, vielmehr dadurch erst auf den Wert der Büste aufmerksam wurde. Erst mehrere Jahre später konnte sie Bardini, den ich damit beauftragt hatte, an sich bringen, und von ihm ging sie sofort für den damals hohen Preis von 50000 Lire im Sommer 1887 in unseren Besitz über. Während sie längst als eines der schönsten Stücke unserer reichen Büstensammlung der italienischen Renaissance bekannt ist, fand sie bei ihrer Ankunft nur geteilten Anklang. Passini erklärte sie für falsch, und Lenbach würdigte sie keines Blickes, während Sir W. Richmond, der damals längere Zeit in Berlin war und das treffliche Bildnis[30] von Theodor Mommsen zeichnete, immer wieder ins Museum kam, nur um die Büste zu sehen.

Die große Madonnenstatue des Benedetto wurde uns durch Bardini unter Zusendung einer Photographie ganz zu Anfang des Jahres 1887 angeboten; er forderte 50000 Lire, so daß wir erwarten durften, sie um 30000 bis 35000 Lire zu erwerben. Da wir aber bloß nach der Photographie den Kauf nicht abschließen wollten, sandte ich Tschudi nach Italien, der dort gleichzeitig seine Arbeit über die römische Quattrocentoplastik fördern wollte. Als Professor Schmarsow von Tschudis Vorhaben erfuhr, teilte er ihm mit, daß er bereits mit einer Arbeit über dasselbe Thema beschäftigt sei. Wenn er sich nicht mit ihm zu einer gemeinsamen Publikation entschließe, würde er seine Arbeit sofort veröffentlichen. »Und weil keiner leiden wollte« – ist nie ein Strich daran getan worden! Jene Entsendung Tschudis erwies sich für die Verhandlungen über den Ankauf der Statue als verfehlt, da sich Bardini den homo novus im Kunsthandel zunutze machte. Er behauptete, die Statue sei noch nicht sein Eigentum, und der vornehme Besitzer habe seine Ideen über den Preis plötzlich geändert, er verlange jetzt 100000 Lire. Tschudi kannte den Kaufhandel in Italien, kannte namentlich Bardini zu wenig, um diese Finte zu durchschauen, war auch damals wie später stets sehr gleichgültig gegen Preise. Ein Meisterwerk habe jeden Preis, war seine Ansicht, und damals galt ihm die schöne Madonna Benedettos noch dafür! Kurz, wir waren genötigt, den Kauf um 73000 Lire abzuschließen.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 29-31.
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