Seine graphischen Arbeiten

[88] Leistikow hat als Zeichner mit Kohle, Bleistift und Kreide, als Radierer mit der Nadel und in Aquatinta, und als Lithograph, schwarz-weiß und farbig, ebenfalls tüchtige Sachen geliefert. Jedoch hat er sich diese Techniken wohl künstlich erworben. Man findet von ihm nicht wie bei andern Anfängern erste schüchterne Versuche mit dem einfachsten Material, dem Bleistift, noch hat er zeichnerisch angefangen zu studieren, noch hat er seine Bilder später im Atelier nach Zeichnungen vervollständigt oder gar wie Menzel Bilder direkt nach Zeichnungen in Schwarz-Weiß gemalt. Der Pinsel war sein natürliches Werkzeug. Trotzdem seine Bilder zeichnerisch und formal mehr wirken als koloristisch, so hat er in seiner Schulzeit die Bilder nach gemalten Studien gefertigt, in der selbständigen Epoche direkt nach der Natur gemalt und später, wie ich bereits von dem Rauhreifbilde erzählt, fiüchtige Notizen in Pastell skizziert, um dann die Bilder größeren Formats im Atelier danach und nach dem Gedächtnis zu malen. So war ihm die Graphik nicht Mittel zum Zweck, sondern Selbstzweck.

Er hat viele Kreide- und Kohlenzeichnungen geschaffen, die interessant sind. Merkwürdigerweise aber findet man in diesen Arbeiten selten Motive, die er auch zu Bildern verwendet hätte. Es scheint, als wenn er hier Motive angemerkt hätte, die er dann später doch nicht Lust gehabt hatte, für seine Malereien zu verwerten. Das Format ist von den kleinsten Maßen bis zu respektabler Größe zufinden. Am liebsten waren ihm die dekorativen Auffassungen der Natur. Sowohl die Zeichnungen wie auch die Radierungen sind in seiner Blütezeit – von der Zeit der XI bis zu den ersten Secessionsjahren – entstanden, dagegen die Lithographien später.

Seine Radierungen erinnern wieder mehr an seine Bildmotive. Oft hat er direkt nach den Bildern Radierungen gemacht, wie nach dem Walddom und nach Bildern mit dänischen Motiven; aber immer sind sie nicht als Reproduktionen, sondern als Originale aufgefaßt. Aber auch frei geschaffene Radierungen existieren, wie ein großes Blatt mit zerrissenen, hohlen Weidenstämmen, ein Dorf mit Kirche etc. Die märkischen Seen mit ihren Kähnen und Wäldern spielen natürlich auch in dieser Technik eine große Rolle; als Beispiel sei eine Radierung in Aquatinta genannt: »Am Müggelsee«. Hier ziehen einfach gezimmerte Kähne mit großen Segeln[91] auf der Wasserfläche dahin, dahinter schwarzer Wald und graue Luft.

Die Lithographie betrieb er in seinen letzten Jahren und zwar fast rein reproduktiv. Es war dieses zur Zeit, als er von aller Welt als großer Künstler anerkannt wurde und das Publikum ihn liebte und hauptsächlich seine märkischen Bilder anbetete. Da wollten spekulative Verlagsbuchhändler mit dieser allbeliebten und begehrten »Ware« Geschäfte machen und so erhielt Leistikow eine ganze Reihe Aufträge. Natürlich wurden Blätter nach beliebten Bildern bestellt, die er zwar variieren durfte, aber die doch in der Hauptsache das beliebte Bild zeigen mußten, auch vielfarbig mußten die Lithographien sein. Daß sein Talent und seine Intelligenz sich auch hier nicht verleugnete, ist natürlich, und es sind Arbeiten entstanden, die in ihrer Art vorzüglich waren. Aber wie Leistikow selbst diese Arbeiten nicht hoch anschlug und kein Wesens von ihnen machte, so brauchen wir diese lithographischen Leistungen auch nicht als notwendige Äußerungen seines Geistes anzusehen, ohne zu fürchten, die Pietät gegen den Verstorbenen außeracht gelassen zu haben.

Dieses ist nun die Summe seiner Taten in der bildenden Kunst, ein arbeitsreiches und erfolgreiches Leben bedeuten sie. Es erübrigt uns noch die literarische Seite seines Charakters zu schildern.[92]

Quelle:
Corinth, Lovis: Das Leben Walter Leistikows. Berlin: Bruno Cassirer, 1910, S. 88-89,91-93.
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