Sauce Cumberland

[111] Drei Jahre lang war er nicht mehr in das Haus gekommen. Wieso?! Frage mich!? Trauerfälle in der Familie natürlich, Auszug, andere Sachen. Nun, man bedauert es. Für den 2. Jänner schrieben sie wieder: Monsieur und Madame – würden sich sehr freuen, wenn Herr – – –.«

Vor drei Jahren wurde Punkt 11 Uhr Rehrücken, Sauce Cumberland, servirt. Damals sagte dieser Herr; »Diesen Saft möchte ich in einem Halbliterglase servirt bekommen und ihn trinken wie Bier, eigentlich wie rothe eingedickte Limonade.«

Die junge Haustochter, welche er damals zu Tische geführt hatte, lächelte über diese Bemerkung und sagte: »Wenn ich einmal eigene Wirthschaft habe ...«

Da erbleichte der Cumberland – Verehrer.

Aber er sagte: »Hetschepetsch und Gewürznelken scheinen die Haupt-Ingredienzien zu sein dieser Sauce. Aber dies ist so, wie wenn man sagen würde: ›Der Mensch.. Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff scheinen die Haupt-Ingredienzien zu sein!‹ Auf die Organisirung kommt es an, Fräulein. Verstehen Sie das?!«

»Jawohl,« sagte die Dame.[111]

Nach drei Jahren kam er also wieder in das Haus.

Punkt Elf wurde wieder Rehrücken servirt, Sauce Cumberland.

Bei seinem Gedecke hingegen stand diesmal ein geschliffenes Halbliter-Glas angefüllt mit diesem rostrothen Safte, dessen Haupt – Ingredienzien Hetschepetsch und Gewürznelken waren.

Auch die junge Haustochter sass wieder neben ihm.

Die Sauce war grossartig.

»Kosten Sie ...« sagte er zu dem Fräulein, »en gros schmeckt sie besser.«

Sie trank aus seinem Glase.

Er dankte der Hausfrau innig für diese grosse Aufmerksamkeit.

»Ich wünsche Ihnen eine Frau, mein Lieber,« sagte die Hausfrau, »welche diese Sauce machen könnte. Das Recept würde ich ihr geben als Hochzeitsgeschenk, geschrieben auf einer Tausendgulden – Note.«

Am Schlusse der Soirée sagte die junge Haustochter zu dem Cumberland-Verehrer: »Und weisst Du, was das Erste sein wird, was ich Dir in unserer jungen Wirthschaft geben werde?!«

»Sauce Cumberland,« sagte er.[112]

Quelle:
Peter Altenberg: Was der Tag mir zuträgt. Berlin 12–131924, S. 111-113.
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