Sie singt von der Größe seiner Liebe

[57] 1

Amor, das werte Jesulein,

Hat mich so sehr geliebet,

Daß es in alle Not und Pein

Sich willig für mich gibet.[57]

Es kommt daher auf Erden

Und will für meine Sündenschuld,

Daß mir Gott wieder würde huld,

Ein ganzes Opfer werden.


2

Schau doch, es saß in seinem Thron

Von Ewigkeit gar eben

Und war, des höchsten Gottes Sohn,

Mit Majestät umgeben.

Nun liegts in einer Krippen

Und muß von einem Mägdelein

Gehoben und getragen sein,

Getröst mit ihren Lippen.


3

Dort war es Gotte gleich an Macht,

Konnt alle Geister zwingen.

Nichts wird in Ewigkeit erdacht,

Das ihm konnt Unruh bringen.

Nun ists ein Lämmlein worden,

Damit es meiner Seelen Feind,

Der mich zu sich zu reißen meint,

Nur soll für mich ermorden.


4

O Gott, wie groß ist doch die Brunst,

Mit der mich Jesus liebet!

Von Ewigkeit hat solche Gunst

Noch niemand so geübet,

Er ists allein gewesen.

Drum, Jesu, meiner Seelen Zier,

Du kannst auch einig helfen mir,

Durch dich muß ich genesen.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 57-58.
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