Sie jauchzt über der Geburt Christi

[65] 1

Jetzt wird die Welt recht neugeborn,

Jetzt ist die Maienzeit.

Jetzt tauet auf, was war erfrorn

Und durch den Fall verschneit.

Jetzt sausen die Winde

Erquicklich und linde,

Jetzt singen die Lüfte,

Jetzt tönen die Grüfte,

Jetzt hüpft und springet Berg und Tal.


2

Jetzt ist der Himmel aufgetan,

Jetzt hat er wahres Licht.

Jetzt schauet uns Gott wieder an

Mit gnädgem Angesicht.[65]

Jetzt scheinet die Sonne

Der ewigen Wonne,

Jetzt lachen die Felder,

Jetzt jauchzen die Wälder,

Jetzt ist man voller Fröhlichkeit.


3

Jetzt grünt der wahre Lebensbaum,

Jetzt blüht die Lilienblum,

Jetzt kriegt ein jeder Platz und Raum

Zu seinem Eigentum.

Jetzt wandelt beim Leue

Das Lamm ohne Scheue,

Jetzt sind wir versöhnet

Und wieder belehnet,

Jetzt ist der Vater unser Freund.


4

Jetzt ist die Welt voll Herrlichkeit

Und voller Ruhm und Preis,

Jetzt ist die wahre güldne Zeit

Wie vor im Paradeis.

Drum lasset uns singen

Mit Jauchzen und Klingen,

Frohlocken und freuen,

Ertönen und schreien,

Gott in der Höh sei Lob und Ehr.


5

Jesu, du Heiland aller Welt,

Dir dank ich Tag und Nacht,

Daß du dich hast zu uns gesellt

Und diesen Jubel bracht.

Du hast uns befreiet,

Die Erde verneuet,[66]

Den Himmel gesenket,

Dich selbsten geschenket,

Dir, Jesu, sei Lob, Ehr und Preis.


Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 65-67.
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