Sie ruft ihn in ihren Garten

[168] 1

Komm, Liebster, komm in deinen Garten,

Auf daß die Früchte besser arten.

Komm in meines Herzens Schrein,

Komm, o Jesu, komm herein.


2

Komm, bring zurechte, was zerstreuet,

Und setz es ein, damits gedeihet.

Komm, du edler Gärtner, du,

Richts nach deinem Willen zu.


3

Wenn du hereinkommst, wahre Sonne,

So steht der Garten voller Wonne.[168]

Alle Blumen tun sich auf,

Wenn sie spüren deinen Lauf.


4

Was vor verstockt war und erfrorn,

Das lebt dann und ist neugeborn.

Was verdorret war im Fluch,

Gibet himmlischen Geruch.


5

Komm, laß deins Herzens Wasser springen

Und durch des meinen Erde dringen.

Deiner offnen Wunden Saft

Gebe mir zum Grünen Kraft.


6

Dein Haupt von Dornen ganz zerrissen,

Laß alles Blut herunter fließen.

Deines Angesichtes Schweiß

Mache mich zum Paradeis.


7

So werd ich schön und herrlich grünen

Und dir zur Lust und Freude dienen,

Und mein Herze wird so fein

Dein gewünschter Garten sein.


Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 168-169.
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