Sie liebt das Gebot Christi

[308] 1

Wie süß ist dein Gebot,

Du süßer Liebesgott!

Wie sanft und lind ist doch

Dein angelegtes Joch!

Wie lieblich, deinen Willen

Vollkömmlich zu erfüllen!

Wie leicht ist, die du hast

Uns auferlegt, die Last.
[308]

2

Du heißest mich, allein

Der Lieb ergeben sein.

Du forderst nichts von mir

Als heilge Liebsbegier.

Ich soll den Nächsten lieben

Und mich im Lieben üben,

Und daß ich dieses kann,

Zündst du mich selber an.


3

Du gibst mir deinen Geist,

Der tut dies allermeist.

Du wirkst durch deine Hold,

Was du von mir gewollt.

Du trägst die keuschen Flammen

In meine Seel zusammen.

Du selbst, du Liebesgott,

Hältst in mir dein Gebot.


4

Ich danke dir, mein Licht,

Daß du mich dies bericht.

Ich danke dir, mein Gott,

Für dieses neu Gebot.

Ich preise dein Gemüte

Für solche Lieb und Güte.

Ich küsse deinen Mund,

Der den Befehl tut kund.


5

Ich will mich auch bemühn,

Solchs einig zu vollziehn.

Ich will bei Tag und Nacht

Mit Fleiß drauf sein bedacht.[309]

Ich will mein Herz und Leben

Dir und dem Nächsten geben.

Gib mir nur, süßer Gott,

Was fordert dein Gebot.

Quelle:
Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke in drei Bänden. Band 2, München 1952, S. 308-310.
Lizenz:
Kategorien: