Die Nialsöhne bei Sigurd dem Jarl der Orkneyinseln.

[121] Die Nialsöhne Grim und Helge waren in demselben Sommer wie Thraen von Island abgesegelt. Ein heftiger Nordwind trieb sie von ihrem Ziel ab, so daß sie nach Schottland kamen. Als sie hier aber in einen Meerbusen einfahren wollten, kamen ihnen dreizehn Schiffe entgegen. Die Befehlshaber dieser Flotte waren Verwandte des schottischen Königs Melkolf und hießen Grjotgard und Snäkolf. Sie ließen den Isländern die Wahl, entweder das Schiff zu verlassen und es ihnen mitsamt der Ladung zu übergeben, oder sich eines Angriffes und des gewissen Todes zu gewärtigen. Aber sowohl die Nialsöhne wie auch die Besatzung des Schiffes verbanden sich dahin, sich nicht zu ergeben, so lange sie sich zu wehren vermöchten. Damit begann der Kampf. Snäkolf durchstieß mit seinem Speer den Steuermann Olaf, Grim aber traf Snäkolf so heftig mit seinem Speer, daß er über Bord fiel.[121] Nun kam Helge herbei und er und sein Bruder trieben die Vikinger von Bord und waren stets dort, wo es am meisten noth that. Gerade als der Kampf am heftigsten entbrannte, segelten, von Süden kommend, zehn Schiffe an der Landspitze vorbei. Schild stand an Schild den Bord entlang auf ihnen allen; sie ruderten aus Leibeskräften und steuerten nach der Stelle, wo der Kampf raste. Auf dem Schiff aber, welches voranfuhr, stand ein Mann am Mast mit langem, prächtigen Haar; er trug ein seidenes Koller, auf dem Haupte einen goldnen Helm und in der Hand einen goldbeschlagenen Speer. »Wer kämpft hier diesen ungleichen Kampf?« rief er. Die Nialsöhne nannten ihre Namen. »Einen berühmten Namen tragt ihr und euer Vater!« antwortete er. Darauf sagte er ihnen, er heiße Kaare Sölmundsohn und komme von den Südinseln, die wir jetzt Hebriden nennen; er hatte dort den Zins geholt für den Jarl der Orkneyinseln Sigurd Hlödvesohn, dessen Dienstmann er war. Die Nialsöhne baten ihn um Hülfe, und er sagte zu. Da begann der Kampf auf's neue. Snäkolf war wieder auf ein Schiff hinaufgeklettert, Kaare sprang auf dasselbe hinüber und beide stürmten auf einander ein. Snäkolf erhob sein Schwert, Kaare aber sprang eiligst zurück über einen Balken, der quer über das Schiff ging, und Snäkolf's Schwert traf den Balken, so daß die ganze Schneide hineindrang. Kaare hieb nun nach Snäkolf und traf ihn in die Achsel, und so furchtbar war der Hieb, daß er den ganzen Arm spaltete und Snäkolf sogleich todt umsank. Da schleuderte Grjotgard seinen Speer auf Kaare, dieser aber sah ihn kommen und sprang in die Höhe, so daß der Speer ihn verfehlte. Nun kamen Helge und Grim herbei, und Helge sprang auf Grjotgard zu und jagte ihm den Speer durch den Leib, daß er den Tod fand. Darauf drangen sie vor, auf beiden Seiten des Schiffsbords entlang gehend; die Besatzung bat um Gnade und erhielt sie, die ganze Ladung aber und die Schiffe nahmen die Sieger. Die Nialsöhne zogen mit Kaare zu Sigurd Jarl auf Rosö (jetzt Rowsa), und Kaare verschaffte ihnen eine freundliche Aufnahme. Sie verweilten dort einen Winter über. Im folgenden Sommer folgten sie dem Jarl[122] auf einem Zuge gegen die Schotten und stritten so tapfer, daß der Jarl ihnen nach seiner Heimkehr gute Gaben gab und sie unter seine Dienstmannen aufnahm. Im nächsten Sommer machten sie Heerzüge mit Kaare; sie plünderten weit und breit und waren immer siegreich. Auch während des dritten Winters waren sie bei dem Jarl, im folgenden Herbst aber baten sie den Jarl um Urlaub, um nach Norwegen zu fahren. Der Jarl war ihnen zu Willen und gab ihnen ein gutes Schiff und tüchtige Männer. Kaare sagte, er werde in demselben Sommer nach Norwegen kommen mit dem Zins von Sigurd Jarl für Hakon, dann würden sie sich treffen. Nach dieser Verabredung stachen die Nialsöhne in See und segelten nach Norwegen und kamen nördlich von Drontheim an Land.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 121-123.
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