Höskuld Nialsohn's Tod.

[137] Wenn Höskuld Nialsohn zwischen Bergthorshvol und Holt, wo er mit seiner Mutter Hrodny wohnte, unterwegs war, führte ihn die Straße an dem Zaun des Hofes Samstad vorbei. Daselbst wohnte ein Mann, namens Lyting, der mit Thraen's Schwester[137] Stenvör verheiratet war; derselbe war groß und stark und reich begütert, aber bösartig. Eines Tages war ein Gastmahl auf Samstad; dort waren Höskuld, der Gode von Hvidenes, und alle Sigfussöhne, außerdem Grane Gunnarsohn, Gunnar Lambesohn und Lambe Sigurdsohn. Während des Mahles, als Lyting auf seinem Sitze saß, kam ein Weib herein und rief: »Es war schade, daß Ihr so weit entfernt waret, sonst hättet Ihr den Prahlhans an unsrem Hofe vorrüberreiten sehen können.« »Welchen Prahlhans?« fragte Lyting. »Höskuld Nialsohn,« antwortete das Weib, worauf Lyting versetzte: »Ja, es hat mich oft geärgert, ihn hier vorüberreiten zu sehen. Willst Du Deinen Vater rächen, Höskuld, dann bin ich bereit, mit Dir zu ziehen und Höskuld Nialsohn zu tödten.« »Uebel würde ich meinem Pflegevater Nial lohnen,« antwortete Höskuld; »mögest Du schlecht fahren für Deine Aufforderung!« und damit sprang er vom Tische auf, ließ seine Pferde holen und ritt sogleich fort. Darauf hetzte Lyting Grane Gunnarsohn auf; aber dieser sagte, er wolle nicht einen Vergleich brechen, den gute Männer mit ihm geschlossen hätten. Dasselbe erwiderten Gunnar Lambesohn, Lambe Sigurdsohn und alle Sigfussöhne und ritten alle fort. Als sie fort waren, sprach Lyting: »Jedermann weiß, daß ich keine Buße empfangen habe für meinen Schwager Thraen und ich will mich nimmer mehr damit zufrieden geben, daß keine Blutrache für ihn geübt wird.« Darauf rief er seine beiden Brüder Halkel und Halgrim herbei, die ebensowenig friedfertig waren wie er, und außerdem drei Dienstmannen; diese sechs legten sich an Höskuld's Weg und verbargen sich in einem Graben. Gegen Abend kehrte Höskuld Nialsohn zurück. Sie sprangen alle auf und drangen auf ihn ein. Er wehrte sich tapfer, verwundete Lyting an der Hand und tödtete zwei von seinen Dienstmannen, fiel aber endlich. Sie versetzten ihm sechzehn Wunden, schlugen ihm aber nicht den Kopf ab und darnach eilten sie in einen Wald und verbargen sich dort. An demselben Abend fand Hrodny's Schafhirte die Leiche Höskuld's und meldete der Mutter ihres Sohnes Tod. Sie befahl ihm Pferd und Fuhrwerk zu nehmen, und so fuhren sie dahin, wo Höskuld lag. »Ich dachte[138] mir es wohl,« sprach sie, als sie ihn sah, »er ist nicht ganz todt, Nial kann größere Wunden heilen.« Sie legten ihn auf die Balken, denn das Fuhrwerk war eine Art Schlitten, der dazu diente, das Heu über sumpfige Stellen zu schaffen, und fuhren ihn nach Bergthorshvol, wo sie ihn in den Schafstall trugen und ihn aufrecht an die Wand setzten. Sie gingen beide zum Wohnhause und klopften an, und als ein Knecht öffnete, schlüpfte Hrodny an ihm vorüber und eilte an Nial's Bett. Sie weckte Nial. »Komm hinaus mit Deinen Söhnen,« rief sie, »und siehe Deinen Sohn Höskuld; und nimm diese da mit,« fügte sie hinzu, auf Bergthora zeigend. »Laßt uns unsre Waffen mitnehmen,« sprach Skarphedin, und darauf folgten sie Hrodny nach dem Schafstall. Sie hielt das Licht hoch und sprach: »Hier liegt nun Dein Sohn Höskuld, Nial! Viele Wunden hat er und bedarf kundiger Hülfe.« »Das Zeichen des Todes sehe ich an ihm, aber keine Spur von Leben,« versetzte Nial. »Warum hast Du ihm aber nicht den letzten Dienst erwiesen?« fügte er hinzu, als er sah, daß seine Nasenlöcher offen waren. »Darum wollte ich Skarphedin bitten,« erwiderte Hrodny, und Skarphedin drückte ihm die Nase zu. »Wer ist nach Deiner Meinung der Mörder?« fragte er Nial. »Es wird Lyting von Samstad mit seinen Brüdern sein,« antwortete Nial. Da sagte Hrodny: »Ich lege es in Deine Hand, Skarphedin, Deinen Bruder zu rächen und ich erwarte, Du wirst Dich als ein braver Mann zeigen, obschon er außerehelich war.« Bergthora sprach: »Wunderlich steht es mit Euch; um nichtiger Dinge willen seid Ihr sogleich bereit zu Mord und Todtschlag, in dieser wichtigen Angelegenheit aber grübelt Ihr und bedenkt Euch, ohne zur That zu schreiten, und wenn nun Höskuld der Gode von Hvidenes kommt und Euch bittet, auf einen Vergleich einzugehen, dann sagt Ihr natürlich sofort ja.« »Unsre Mutter treibt uns zum Kampf und thut darin recht,« sagte Skarphedin und suchte nun selbst seine Brüder zu überreden.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 137-139.
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