Höskuld's des Goden von Hvidenes Tod.

[141] Der falsche Valgard war lange Jahre im Ausland gewesen, und während dieser Zeit war sowohl der Glaubenswechsel eingetreten als auch das Fünftegericht eingesetzt und die neuen Goden gewählt worden. Er kehrte heim in demselben Sommer, wo Lyting erschlagen wurde. Er war nicht sehr erfreut, als er von allen Veränderungen erfuhr, die während seiner Abwesenheit stattgefunden hatten. Als er nun auch hörte, daß viele Bauern sich aus dem Gerichtskreis seines Sohnes Mörd in den des Goden Höskuld von Hvidenes begeben hatten, forderte er Mörd zur Rache auf. »Du mußt Feindschaft stiften zwischen Höskuld und den Nialsöhnen,« sagte er; »diese sind heißblütige Männer, die Du leicht dazu treiben kannst, Höskuld zu erschlagen; viele werden ihn zu rächen suchen und werden schließlich Nial und seinen Söhnen den Tod bringen. Erst dann kannst Du erwarten, Deine Häuptlingsstelle wiederzuerhalten.« Mörd schwur, er wolle seinen Rath befolgen. »Ich möchte aber gern, daß Du den Christenglauben annimmst, Vater,« sprach Mörd, »denn Du bist ein alter Mann.« »Das thue ich nicht,« antwortete Valgard, »und am liebsten wäre es mir, wenn Du selbst den Christenglauben aufgäbest.« Mörd weigerte sich, Valgard aber zerbrach ihm alle Kreuze und andre heilige Zeichen. Bald nachher wurde er krank und starb und wurde bei Hof nach heidnischem Brauch in ein Hügelgrab gelegt. Nach kurzer Zeit nun ritt Mörd nach Bergthorshvol. Er schmeichelte den Nialsöhnen mit süßen Worten und legte es überhaupt darauf an, ihre Gunst zu gewinnen. Es gelang ihm auch, und er machte sich ihnen schließlich so unentbehrlich, daß sie niemals eine Sache beriethen, ohne ihn ebenfalls zu befragen. Nial aber war damit übel zufrieden. Einst lud Mörd die Nialsöhne und Kaare zu einem Gastgebot; es war ein großes Gastmahl, und sie erhielten alle köstliche Gaben von ihm bei ihrem Abschied. Skarphedin empfing eine goldene Spange,[142] Kaare einen silbernen Gürtel und die übrigen ähnliche Dinge. »Diese Gegenstände habt Ihr theuer erkauft,« sagte Nial, als sie ihm dieselben zeigten; »hütet Euch, daß Ihr sie nicht mit der Münze bezahlt, die Mörd wünscht.« Hernach kam Mörd nach Vorsaböj und versuchte Höskuld einzureden, daß die Nialsöhne ihren Spott mit ihm getrieben und sogar zu wiederholten Malen ihm nach dem Leben gestanden hätten. Höskuld wollte ihm aber keinen Glauben schenken. »Und selbst wenn Du recht haben solltest,« sagte er, »wenn Du meinst, daß ich sie tödten muß, um nicht von ihnen selbst getödtet zu werden, so will ich doch lieber durch sie den Tod erleiden, als selbst ihnen den geringsten Schaden thun.« Besser gelang es Mörd bei den Nialsöhnen und Kaare; er überredete sie in der That, zu glauben, daß Höskuld ihnen nach dem Leben trachte, und es kam bald so weit, daß sie keinen Umgang mehr mit ihm pflegten und fast nicht mehr mit ihm redeten, wenn sie zusammentrafen. Höskulds Verwandte wurden darum auch unruhig um seinetwillen. Einst war Höskuld zum Besuch bei Hildegunne's Oheim auf Svinefjeld. Dieser warnte ihn und bot ihm um seiner Sicherheit willen den Aufenthalt in seiner Nähe an. Höskuld wollte sein Anerbieten indessen nicht annehmen. »Man würde sagen, daß ich furchtsam sei, wenn ich nicht daheimzubleiben wagte,« erwiderte er. Als er heimkehren wollte, schenkte Flose ihm einen Scharlachmantel, der bis zum Schoße verbrämt war. Darnach ritt Höskuld zurück, und der Winter verlief, ohne daß sein Verhältniß zu den Nialsöhnen besser wurde. Im nächsten Frühling kam Mörd eines Tages nach Bergthorshvol. Er verleumdete Höskuld wie gewöhnlich und hatte noch viel mehr gegen ihn vorzubringen als sonst; er reizte die Nialsöhne auf's heftigste gegen ihn und sagte, wenn sie ihn nun nicht tödteten, dann würde er ihnen zuvorkommen. »Du sollst Deinen Willen haben,« versetzte Skarphedin, »wenn Du mit uns ziehen willst.« »Das will ich!« antwortete Mörd. Darauf verabredeten sie, er solle am Abend wiederkommen. »Was haben sie da draußen?« fragte Bergthora Nial. »Ich weiß es nicht,« entgegnete er, »mir haben sie es nicht anvertraut, und das thaten[143] sie doch immer, wenn ihre Anschläge gut waren.« In der nächsten Nacht kam Mörd wieder nach Bergthorshvol, und die Nialsöhne und Kaare nahmen ihre Waffen und ritten mit ihm nach Vorsaböj. Dort lauerten sie hinter einem Zaun bis Sonnenaufgang. Um diese Zeit kam Höskuld aus dem Hause; er trug den Mantel, den er von Flose empfangen hatte. In der einen Hand hatte er sein Schwert, in der andern einen Korb mit Korn. Er näherte sich dem Zaune und begann zu säen. Da sprang Skarphedin auf, Höskuld wollte fliehen. »Hoffe nicht zu entfliehen, Hvidenesgode,« rief Skarphedin und hieb ihn auf den Kopf, so daß er in die Knie sank. »Gott sei mir gnädig und vergebe Euch,« schrie Höskuld und darnach verwundeten ihn alle, so daß er starb. Mörd redete einen Augenblick leise mit Skarphedin und eilte darauf fort, die Nialsöhne aber und Kaare ritten nach Bergthorshvol zurück. »Das ist eine traurige Zeitung,« sagte Nial, als sie ihm sagten, was sie ausgerichtet hatten; »lieber hätte ich zwei von meinen Söhnen verloren, wenn nur Höskuld noch lebte.« »Du bist alt,« sprach Skarphedin, »darum ist es glaublich, daß es Dir nahe geht.« Nial aber erwiderte: »Ich weiß besser als Du, was daraus folgen wird.« »Was werden denn die Folgen sein?« fragte Skarphedin. »Mein Tod,« antwortete Nial, »und der Tod meines Weibes und aller meiner Söhne.« »Was weissagst Du mir denn?« fragte Kaare. Nial entgegnete: »Schwer wird es ihnen fallen, gegen Dein Glück anzukämpfen; Du wirst ihnen allen zu stark sein.« Es ging aber dieses Ereigniß Nial so nahe, daß er nie darüber reden konnte, ohne zu weinen. So heftig erschütterte ihn niemals eine Sache.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 141-144.
Lizenz:
Kategorien: