Ingjald von Kelde.

[165] Auf dem Hofe Kelde an der Ostrangau nördlich von Trehörninghals wohnte ein Mann namens Ingjald Höskuldsohn. Er war ein angesehener Mann, groß und stark und schnell zur That, wortkarg, aber freigebig gegen seine Freunde. Er war verheiratet mit einer Tochter von Flose's Bruder Egil. Als Flose Männer sammelte als Begleiter zum Ting, um wegen Höskuld des Goden von Hvidenes Klage zu erheben, hatte er auch Ingjald zu sich berufen. Dieser war erschienen mit funfzehn Mann, die alle zu seinem Gesinde gehörten; er war Flose gefolgt während des ganzen Rechtsstreits und hatte auch theil genommen an dem Bunde, der in der Almannagjaa geschlossen wurde und gleich den übrigen denselben vor Flose beschworen. Aber er war von Anbeginn an doch nicht recht geneigt gewesen, zu Flose zu halten,[165] denn er war ein Bruder von Hrodny Höskuldstochter, der Mutter von Nial's Sohn Höskuld. Bald nachdem Ingjald vom Ting zurückgekehrt war, erschien Hrodny bei ihm. Er empfing sie freundlich, allein sie erwiderte seinen Gruß nicht, sondern bat ihn, vor das Haus zu kommen zu einer Unterredung. Als sie sich außerhalb des Hofes befanden, erfaßte sie seine Hand, und sie setzten sich beide. »Ist es wahr,« fragte sie ihn, »daß Du geschworen hast, Nial zu überfallen und ihn und seine Söhne zu tödten?« »So ist es,« antwortete er. »Dann bist Du ein elender Bube,« rief sie, »Du, den Nial dreimal davor behütet hat, Waldgänger zu werden.« »Aber es gilt mein Leben, wenn ich zurücktrete,« versetzte er. »Mit nichten,« sagte sie, »Du wirst Dein Leben erhalten und um so höher geachtet werden, falls Du denjenigen nicht verlässest, dem Du am meisten verpflichtet bist.« Mit diesen Worten zog sie eine leinene Kappe aus der Tasche, welche blutig und durchlöchert war. »Diese Kappe trug Dein Schwestersohn, als sie ihn erschlugen,« fuhr sie fort, »und es ist schlecht von Dir, denjenigen beizustehen, die mit seinen Mördern verwandt sind.« »Es kann wohl sein,« erwiderte er, »daß ich, was auch daraus entspringen mag, nicht gegen Nial ziehe.« »Du kannst Nial und seinen Söhnen einen großen Dienst erweisen,« sprach sie, »wenn Du ihnen mittheilst, was gegen sie geplant ist.« »Nein,« sagte er, »mannhaft ist es, aus dem Bunde zu treten, zumal ich weiß, daß die Rache über mich kommen wird; verrathe ich aber, was meiner Ehrenhaftigkeit anvertraut ist, dann werde ich verachtet von jedermann. Sage Du aber zu Nial und seinen Söhnen, sie mögen sich vorsehen während des ganzen Sommers und viele Männer bei sich haben.« Darnach begab sich Hrodny sofort nach Bergthorshvol und erzählte Nial alles, was sie mit ihrem Bruder geredet hatte. Nial dankte ihr und sagte, sie habe brav gehandelt. »Denn,« versetzte er, »Ingjald würde eine größere Unthat begehen, als alle anderen, wenn er gegen mich zieht.« Darauf theilte er die Nachricht seinen Söhnen mit. Er hatte während des ganzen Spätsommers gegen dreißig waffenkundige Männer bei sich. Kaare war auch mit ihm vom Ting nach Bergthorshvol gezogen. Nial[166] hatte ihn gefragt, ob er nicht nach seinem Hofe reiten und nach seinem Haushalt sehen wolle. »Nein,« war Kaare's Antwort gewesen, »Dein und Deiner Söhne Loos will ich theilen!« worauf Nial ihm dankte und sagte, von ihm könne man solches erwarten.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 165-167.
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