Eyjolf Bölverksohn.

[190] Eines Tages ging Flose nach Bjarne Brodhelgesohn's Hütte, um mit diesem die Sache zu bereden. »Es giebt nur zwei Wege für Dich,« sagte Bjarne; »entweder kannst Du um einen Vergleich bitten, und das ist ein sehr guter Weg, oder Du kannst Deine Sache nach dem Gesetz vertheidigen, indem Du Einwände suchst; in diesem Falle aber muß mit Schlauheit und List vorgegangen werden. Indessen ziemt es sich für Euch am besten, dieses Verfahren einzuschlagen, da Ihr bis hierher mit Gewaltthat vorgegangen seid. Giebt es aber einen gesetzeskundigen Mann in Eurer Schaar?« »Ich kenne keinen außer Thorkel Gejtesohn,« antwortete Flose. »Er ist brav und muthig,« entgegnete Bjarne, »und er wird Dir nach besten Kräften zu Diensten sein. Aber niemand darf hoffen, ihn vor sich zu stellen, um die Hiebe der Feinde aufzufangen. Denn das will ich Dir sagen, der Tod jenes Mannes ist besiegelt, der in der Brandsache Einwände macht, und solches wünsche ich meinem Vetter Thorkel nicht.« »Dann wüßte ich nicht, wo wir einen brauchbaren, gesetzeskundigen Mann finden können,« versetzte Flose. »Da ist ein Mann namens Eyjolf Bölverksohn,« sprach Bjarne; »er ist der gesetzeskundigste Mann im Westviertel; aber Du wirst ihm viel Geld geben müssen, falls Du ihn in die Sache mit hineinziehen willst. Jetzt aber will ich mit Dir gehen und Hülfe werben.« Darauf gingen beide hinaus. Sie[190] fragten, begleitet von einem großen Haufen Männer, bei mehreren mächtigen Bauern herum und empfingen auch von vielen die Zusage der Unterstützung, aber an manchen Orten mußte Flose vorher mit Geld lohnen. Dabei kamen sie an einer Hütte vorbei, vor deren Thür mehrere Männer saßen; einer derselben trug einen Scharlachmantel um die Schultern, ein goldenes Stirnband auf dem Kopfe und eine silberbeschlagene Axt in der Hand. »Da haben wir Eyjolf, wenn Du mit ihm reden willst,« äußerte Bjarne. Eyjolf war ein angesehener Mann, von dem man erwartete, daß er einst ein großer Häuptling werden würde, groß und stark und von schönem Äußeren; er war einer der gesetzeskundigsten Männer auf Island, aber auch habsüchtig wie sein ganzes Geschlecht. Flose und Bjarne traten an ihn heran und grüßten ihn. Er erkannte Bjarne sogleich und empfing sie freundlich. Bjarne erfaßte seine Hand und führte ihn nach der Almannagjaa zu. Eyjolf's Mannen folgten, sowie auch die Flose's und Bjarne's. Letztere aber baten sie, auf dem Ostrande der Kluft zu bleiben und gingen dann mit Eyjolf weiter nach dem Westrande und setzten sich dort nieder, wo der Weg thalabwärts führt; nur ein vierter Mann blieb bei ihnen, Halbjörn der Starke geheißen, welcher zu Flose's Schaar gehörte. »Wir haben Dich aufgesucht, mein Freund,« sagte Bjarne zu Eyjolf, »weil wir Deiner Hülfe bedürfen.« »Es ist jetzt viel Auswahl an Männern,« antwortete Eyjolf, »und es würde Euch leicht fallen, Männer ausfindig zu machen, die weit stärker sind als ich.« »Keineswegs,« antwortete Bjarne, »Du bist aus edlem Geschlecht; Deine Vorfahren haben stets mit großen Sachen zu thun gehabt und immer den Sieg davongetragen; Du wirst sicher ebenso siegreich sein wie die Deinigen.« »Du führst zwar schöne Reden,« versetzte Eyjolf, »aber ich hege keine solche großen Erwartungen von mir selbst.« »Der gerade Weg ist der beste,« rief Flose und bat ihn, ihre Sache vor Gericht zu führen. Da aber sprang Eyjolf im Zorn auf und erwiderte: »Jetzt sehe ich, wo Ihr mit Euren schmeichlerischen Worten hinaus wollt; aber niemand möge glauben, er könne mich als Schild oder Sturmläufer gebrauchen wider meinen Willen.«[191] Zugleich sprang auch Halbjörn auf, ergriff Eyjolf an den Schultern und drückte ihn nieder zwischen sich und Bjarne. »Der Baum fällt nicht beim ersten Streich, mein Lieber,« versetzte er; »setze Du Dich nur zu uns.« Flose jedoch zog einen schönen und kostbaren Goldring von seiner Hand, indem er sprach: »Diesen Ring will ich Dir schenken für Deine Freundschaft und Hülfe, damit Du wissest, daß ich Dich nicht hinter das Licht führen will.« Halbjörn streifte den Ring auf Eyjolf's Finger, worauf dieser erwiderte: »Wenn dem so ist, so kann ich wohl nichts Besseres thun, als den Ring annehmen, zumal Du Dich so brav zeigst, und Du kannst nun sicher sein, daß ich thun werde, was nöthig ist.« »So sind denn ich und Halbjörn Zeugen, daß Du die Sache übernommen hast,« setzte Bjarne hinzu. Flose und Eyjolf standen auf und reichten sich die Hand, und Eyjolf übernahm die Sache von Flose; er bat aber, sie möchten es niemand erzählen, daß er Geld dafür empfangen habe, denn wenn die Sache vor das Fünftegericht käme, dann sei sie verloren, falls das bekannt würde. Darauf ging Flose von Bjarne begleitet nach seiner Hütte. Eyjolf aber ging nach der Hütte des Goden Snorre, setzte sich nieder und unterredete sich eine Weile mit ihm. Während des Gespräches erfaßte Snorre Eyjolf's Hand, strich den Aermel zurück und erblickte den Ring. »Hast Du diesen Ring gekauft oder ihn als Gabe empfangen?« fragte er. Eyjolf erwiderte kein Wort. »Es ist mir klar, daß er ein Geschenk ist,« fuhr Snorre fort; »möge er Dir nicht den Tod bringen!« Eyjolf sprang auf und schickte sich zum Fortgehen an. »Ja, soviel ist sicher,« sprach Snorre, »wenn dieses Ting zu Ende ist, so weißt Du, was es für eine Gabe ist, die Du empfangen hast.« Eyjolf aber schwieg und ging nach seiner Hütte.

Quelle:
Die Njalssaga. Leipzig 1878, S. 190-192.
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