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Am weissen Sonntag von der bezauberten Helena.

[95] Am weissen Sonntag kamen offtgemeldte Studenten vnversehens wider in D. Fausti behausung zum Nachtessen, brachten jhr Essen vnd Tranck mit sich, elche angeneme Gäst waren. Als nu der Wein eingienge, wurde am Tisch von schönen Weibsbildern geredt, da einer vnder jnen anfieng, daß er kein Weibsbildt lieber sehen wolte, dann die schöne Helenam auß Græcia, derowegen die schöne Statt Troia zu grund gangen were, Sie müste schön gewest seyn, dieweil sie jrem Mann geraubet worden, vnd entgegen solche Empörung entstanden were.[95] D. Faustus antwurt, dieweil jhr dann so begirig seidt, die schöne gestalt der Königin Helenæ, Menelai Haußfraw, oder Tochter Tyndari vnd Lædæ, Castoris vnd Pollucis Schwester (welche die schönste in Græcia gewesen seyn solle) zusehen, wil ich euch dieselbige fürstellen, damit jhr Persönlich jren Geist in form vnd gestalt, wie sie im Leben gewesen, sehen sollet, dergleichen ich auch Keyser Carolo Quinto auff sein begeren, mit fürstellung Keysers Alexandri Magni vnd seiner Gemählin, willfahrt habe. Darauff verbote D. Faustus, daß keiner nichts reden solte, noch vom Tisch auffstehen, oder sie zuempfahen anmassen, vnd gehet zur Stuben hinauß. Als er wider hinein gehet, folgete jm die Königin Helena auff dem Fuß nach, so wunder schön, daß die Studenten nit wusten, ob sie bey jhnen selbsten weren oder nit, so verwirrt vnd innbrůnstig waren sie. Diese Helena erschiene in einem köstlichen schwartzen Purpurkleid, jr Haar hatt sie herab hangen, das schön, herrlich als Goldfarb schiene, auch so lang, daß es jr biß in die Kniebiegen hinab gienge, mit schönen Kollschwartzen Augen, ein lieblich Angesicht, mit einem runden Köpfflein, jre Lefftzen rot wie Kirschen, mit einem kleinen Mündlein, einen Halß wie ein weisser Schwan, rote Bäcklin wie ein Rößlin, ein vberauß schön gleissend Angesicht, ein länglichte aufsgerichte gerade Person. In summa, es war an jr kein vntädlin zufinden, sie sahe sich allenthalben in der Stuben umb, mit gar frechem vnd bübischem Gesicht, daß die Studenten gegen jr in Liebe entzůndet waren, weil sie es aber für einen Geist achteten, vergienge jhnen solche Brunst leichtlich, vnd gienge also Helena mit D. Fausto widerumb zur Stuben hinauß. Als die Studenten solches alles gesehen, baten sie D. Faustum, er solte jhnen so viel zugefallen thun, vnnd Morgen widerumb fürstellen, so wolten sie einen Mahler mit sich bringen, der solte sie abconterfeyten, Welches jhnen aber D. Faustus ab schlug, vnd sagte, daß er jhren Geist nicht allezeit erwecken könnte. Er wolte jhnen aber ein Conterfey darvon zukommen lassen, welches sie die Studenten[96] abreissen möchten lassen, welches dann auch geschahe, vnd die Maler hernacher weit hin vnd wider schickten, dann es war ein sehr herrlich gestalt eins Weibsbilds. Wer aber solches Gemäld dem Fausto abgerissen, hat man nicht erfahren können. Die Studenten aber, als sie zu Betth kommen, haben sie vor der Gestalt vnd Form, so sie sichtbarlich gesehen, nicht schlaffen können, hierauß dann zusehen ist, daß der Teuffel offt die Menschen in Lieb entzündt vnd verblendt, daß man ins Huren Leben geräth, vnd hernacher nit leichtlich widerumb herauß zubringen ist.

Quelle:
Historia von D. Johann Fausten. In: Das Volksbuch vom Doctor Faust. Halle a.d.S. 21911, S. 95-97.
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