CLVIII. Die veränderte Schrifft.

[351] Nachfolgende Historie ist wegen gewisser Umbstände etwas weitläufftig / ich ziehe sie aber folgender massen zu unsern Vorhaben zusammen: Agilulphus / ein tapfrer General rebellirte wider seinen eigenen König Brennum / jug ihn vom Reich / und hette ihn sambt allen den Seinigen ermordet / wann er sich nicht bey Zeiten aus dem Staub gemacht hatte. Brennus hält sich mit seiner Gemahlin / und einigem Sohn Demetrio an einem schlechten Orth bey dem Meer in niedriger Kleidung auff / und muste sein Brodt mit sauber Arbeit verdienen. Solchem nach resolvirte sich sein Sohn Demetrius / ein Knabe von 12 Jahren / in die Frembde zu gehen / und Dienste zu suchen / denn der Vater keinen andern Zehrpfennig mitzugeben hatte /als diese 3. Lehren / er solle nehmlich 1. sich zu ehrlicher Gesellschafft halten. 2 Sich in seiner Gebieter Weise schicken und 3 keinen Gottesdienst verabsäumen. Hiemit ziehet der Königl. Knabe aus / und nach dem er lange Jahren bey einem Edelmann gedienet /hilfft ihm derselbe[351] an den Königl. Hoff Marente /welcher war des Agilulphi Bruder / dann Agilulphus war schon ohne Erben verstorben / als er an diesem Hoffe eine gute Zeit gedienet / mercken die Hoff-Pursche / deren immer einer wieder den andern / daß er sich über alle massen wol in des Königs und der Königin Weise schicken kan. Dessen bedienen sie sich /ihn zu verläumbden / unn bringen dem König für /Demetrius muste einen heimlichen Verstand mit der Königin haben / weil er alle mahl traure / wann sie traurig / und froh seye / wann sie sich erfreue. Der König nimbt dessen wahr / und als er es also befunden / nimmt er ihm für / ihn zu tödten / damit aber solches ohne Rumor geschehe / thut er eine Reise auff 20 oder 30 Meilen von seiner Residentz / und nachdem er daselbst mit seinen Hoffschrantzen ferner berahtschlaget / finden sie gut / er solle Demetrium zurück an die Königin senden / mit einem Schreiben /darin derselben befohlen werde / den Uberbringer des Brieffs / als ihren vermeinten Buhlen / umb zu bringen. So hätte man sich an ihr unn Demetrio zugleich gerochen. Man schreibt einen Brieff darin nichts anders stehet / als diese lateinische Worte Lectissima Conjux, huic tabellario necem dato ante meum reditum. Meine allerliebste Gemahlin / hilff diesem Brieffträger vom Brodt / ehe ich wieder komme.

Mit diesem Urias-Brieff gehet Demetrius fort /kommet aber unterwegs zu einem Tempel / darin man dem Gottesdienst / wiewohl nach heydnischer Weise /abwartet: Darin verfüget er sich / zu folge der Lehre seines Vaters / wie er ein wenig gesessen / kombt ihn der Schlaff an / dann er war müde von der Reise. Er schläfft auch so fest / daß alle Leute aus dem Tempel gehen / ohne den Priester / welcher ihn neben dem Opfer-Altar sitzen findet. Er stehet seiner Lederne Tasche an und die Curiosität treibet ihn an / daß er hinein langet[352] zu sehen / was vor ein Schatz darin verborgen / findet aber nichts / als einen grossen Brieff / den er durch sonderliche Behendigkeit eröffnet / und dieses Jünglings todes Urtheil darin findet. Es jammert ihn aber dessen / dahero verändert er nur das eine Wort in der Schrifft / und macht aus Necem das Wort Natam / welches leicht zu thun / und nun war der Inhalt / daß die Königin diesem Brieffträger ihre Tochter geben solte / vor des Königs Rückkunfft. Nachdem nun der Priester dem Jüngling den Brieff verschlossen wieder in die Tasche gestecket / wecket er ihn auff / und lässet ihn seines Wegs ziehen. Als er zur Königin kompt / verwundert sie sich des Inhalts des Kön. Schreibens / weil sie aber die Hand respectirte / dabeneben ihres Gemahl Strengigkeit erkante /lässet sie dem Demetrio ihre eintzige Tochter ehelich beylegen. Marauta kompt nach Hauß / und findet an demjenigen einen Tochter-Mann / und Reichs-Nachfolger / dem er den Todt zugedacht hatte. Die Königin zeiget ihm den Brieff / welchen er ansiehet / und nicht begreiffen kan / wie dieser Inhalt hinein kommen sey; Er lässet aber den ältesten Opfer-Priester nach Hoff entbiethen / daß er komme / und den Demetrium als ein Opfer für das Reich lebendig auffschneide / derselbe kompt / Demetrius wird auff den Altar gebunden / der Priester ziehet sein scharffes Messer / entblösset ihm die Brust / und will ansetzen / findet aber an einem Merckmahl das Zeichen seiner Königlichen Geburth / dahero lässet er das Messer fallen / und schreyet! O Himmel / was thun wir? König Maranta /dieser ist ein Königl. Printz / und rechter Erbe des Reichs. Der König fragte / woher er solches wisse? An dem Königl. Zeichen / sprach er / so allen denen angebohren / die auß des Brenni Geschlecht entsprossen / mit einem Wort / dieser ist Demetrius / der eintzige Sohn Brenni. Der König[353] verwunderte sich dieser Schickung / und weil die Eil volzogen / will er dem Himmel nicht wiederstreben sondern nimpt den Demetrium zum Reichs-Nachfolger an. Der alte Priester aber bekante letzlich / daß er selber der vertriebene König Brennus / und Demetrius seyn Sohn den er nicht gekant / als er ihn jenesmahl in Tempel schlaffend gefunden / und ihm den Urias-Brieff aus sonderbahrer Schickung des Himmels / zu seinen Besten verändert habe. Er erzehlte ferner / daß nach seiner Gemahlin Tode er ein Geistlicher / und endlich ein Opfer-Priester worden / in welchem Stande er auch zu sterben wündschete / also behielte Demetrius des Königs Tochter / und succedirte ihm / vermöge doppelte Rechts / nach seinem Tode im Reiche.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 351-354.
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