CLXI. Der behende Laken-Dieb.

[363] Im Jahr 1611 zu End des Monats Julii ward ein listiger Posse aus Pariß geschrieben / welcher fürnehmlich dahin außlauffen: Zween behende Landstreicher mercken / daß in der bekanten Strassen St. Honnore in eines jungen neulich erst verheurahteten Kauffmans-Laden offt niemand anders / als nur ein Knab zu finden / so die Waaren meist allein verhandelte / da inzwischen der Kauffmann / sein Herr / sonsten anderer Geschäfften / sonderlich einer Erbschafft wegen bemühet war / deßhalben er das vorhabende Bubenstück / so diese mit einander abgeredt / nicht erfahren können. Damit sie auch solches ins Werck setzen möchten / so erwehlet einer von ihnen darzu bequeme Gelegenheit; Wann der Herr und die Frau nicht in dem Tuch-Laden / sondern der Jung allein darinnen sein wurde / daß alsdann die bequemste Gelegenheit darzu sein wurde: Gehet derhalben zu einem Balbierer in der Gassen Montmartre / oder Marterberg / den nimbt er beyseits / und sagt ihm / daß er einen Knaben in sein Hauß bringen würde / von solchen und dergleichen Gestalt und Statur / denselbigen wolle er in seine Kammer führen / dann er sey mit einer gefährlichen und verborgenen Schwachheit behafftet /die solte er ihm offenbahren / und im Anfang werde er zwar solche herauß zu sagen / Scheu tragen / als die vielmehr mit dem Riegel der Verschwiegenheit versehen / als in jedermans Kundschafft gebracht[363] werden solte. Der Balbierer vermeinte / daß alles wahr wäre /so eigentlich hats ihm dieser mit Worten vorzumahlen wissen / verspricht ihm hierauff in allem / so er an ihm ersuchte sich dermassen zu erzeigen / damit er ihn zu völliger Gesundheit bringen möchte. Auff dieses Versprechen bekombt dieser wegen seiner Erfindung / einen guten Muht / gehet zu seinem Mitgehülffen / demselben zuerzehlen / wie er dieses Bubenstücks-Grund gelegt / und beruhete es auff nichts anders /als daß man den Kram-Jungen zu dem Balbierer führete. Derohalben verfehlen diese nicht / sich andern Tags frühe bey besagtem Tuch-Laden finden zu lassen / da eben der Herr nach andern Geschäfften außgangen. Einer unter ihnen tritt in den Laden / aber eben zu ihrem Unstern / als der Junge die Wahren zeigen wil / kombt die Frau darzu / welches dem vermeinten Käuffer einen Argwohn veruhrsachte / er würde dasjenige / so er so glücklich angefangen /nicht zum erwünschten Ende bringen können / hätte derowegen gewünschet / daß er in dieser Sachen nicht so weit gelanget; dennoch weil das einmahl angefangene Werck nicht fortsetzen / so viel ist / als den Muht verlieren / setzet er dem Glück weiter nach: Er läßt ihm von allerhand Tuch Insiegel / und andern subtilen Wahren herbey bringen / letztlich bey sich selbsten berahtschlagend / daß das Spanische Tuch das beste und reineste wäre / handelt er auff ein gantzes Stück / und sagt zur Frauen / daß sein Herr / der ein Balbierer / bekant gnug wäre / dessen Nahmen er ihr sagen / und die Gasse / darin er wohnet / zeigen wolte / ihm solches zuthun befohlen hatte. Weiln dieses Stücklein von wenigem Schein / hätte ein Verständiger den Bossen leichtlich gemercket / aber des Weiblichen Geschlechts geringe Vorsichtigkeit /[364] die sie bißweilen in ihrem Thun sehen lassen / hat offt das / so an ihm selbst schier offenbahr / verdeckt und verborgen behalten. Als sie nun des Kauffs einig worden / veruhrsacht die Hoffnung / in dem dieser verspricht / alsbald wieder bey ihr einzusprechen / und beneben der Zahlung dieser außgenommenen Wahren / noch andere mehr außzunehmen / daß sie verwilliget / solch stück Tuch mit auß dem Laden zu tragen. Sie befielet hierauf ihrem Jungen / dem Herrn zufolgen /wohin er ihn führen würde / habe auch Sorge / sagt sie / daß ihr das Geld vor die außgenommene Wahr mit zu bringen unvergessen seyet: Auf solche Rede gehen sie auß dem Laden / unterdessen kombt dieses Landstreichers anderer Gesell / als ob er ungefehr demselben begegnet / und damit sie noch besser das Bubenstück bemänteln möchten / fragt er ihn / wo er gewesen / und von wannen er komme / der ander gibt zur Antwort / er komme auß ihres Meisters-Hauß /und gehe jetzt zu einem / dem er zur Aderlassen soll. Aber sagt dieser / habt ihr auch / das euch der Herr befohlen / außgerichtet / und den Zeug im Kram außgenommen? Der Knab hört diese Rede / und nimbt solche vor warhaftig an. Wie nun diese von einander geschieden / nimbt der / so den Jungen neben sich führet / von dem Gespräch Uhrsach zureden / und sagt / dieses sey sein Gesell / und wären sie beyde bey einem Herrn in Diensten / und was er ihm dergleichen mehr vorgeschwätzet / dardurch er den Jungen je länger je mehr bewegt / seinem Vorgeben völligen Glauben zu geben. Wann ihr nun in meines Herrn Losament kombt / sprach er weiter / so wollet ihr die Wahrunten in der Wercksten lassen / und mit meinem Herrn in seine Kammer hinauf gehen / allda wird er euch Geld vor euren Zeug zu gutem Danck zahlen /ob er sich[365] auch vielleicht zu anfang des Preises wegen beschweren / oder den also hoch zu zahlen / wegern möchte / so habt ihr euch nicht daran zu kehren / dann wann er vernehmen wird / daß ich den Kauff also mit der Frau im Laden geschlossen / wird er denselben nicht wiederruffen / sondern alsdann euer Geld nach aller Gebühr darzehlen. Als er den Knaben dergestalt unterrichtet / und sie in besagten Balbierers Behausung kommen / gehen sie in die Werckstatt / darin der Herr des Jungen erwartet / auch wegen seiner Ankunfft sehr froh wurde / sagt derohalben / zum angemasten Balbiers Gesellen / ist diß der junge Gesell /von dem ihr mir gesagt? Ja Herr / gibt dieser ihm zur Antwort / er ists / wollet ihn nur / wann es euch beliebet / hinauff / denselben zu contentiren / mit in euer Kammer nehmen. Darauff legt der Jung die Wahr ab /so er unter seinem Mantel hatte / und gehet alsbald mit auf die Kammer / der ander bleibt unterdessen unten in der Werckstatt / und weil niemand mehr darin ist / nimbt er das Tuch unter den Mantel / macht sich damit auß dem Hause. Der Balbirer befragt immittelst den Knaben / wegen des Schadens / und sagt ihm / er hätte sich keiner Gefahr / solches ihm in Geheim zu offenbahren / zu befürchten / dann wofern Menschliche Mittel etwas darbey helffen würden /wolt er hoffen / ihm in kurtzem zur vorigen Gesundheit zu verhelffen. Der Jung / als welcher über diese Red sehr bestürtzt / und nicht weiß / was der Balbierer ihm sagen wil / gibt ihm zur Antwort / er habe keine Schwachheit an seinem Leib / sondern begehre nur die Zahlung vor seinen Zeug. Der Balbierer / welcher Befehl hatte / ihn zu der Bekäntnüß beständiglich anzuhalten / auch / wofern er nicht in der Güte sich bequemen wolte / darzu zu nöhtigen / hält mit seinen[366] Warnungen weiter an; Mein Freund / sagt er /je mehr die Schwachheiten veralten / je schwerlicher kan man nochmals zu deren Heylung gelangen / dann das Böse / welches lang währet / wurtzelt ein / und ist man offt benöhtigen. Eylen und andere Instrumenten zu gebrauchen / das zuvor eines Geringen bedurfft hätte. Der Jung / welcher kan ander Medicament begehrt / als sein Geld / alldieweil dasselbe heutiges Tages das bewährteste ist / sagt / er sey zu keinem andern Ende kommen / als daß er / laut dem getroffenen Kauff / seine Zahlung vor die hergebrachte Wahr empfangen möchte. Der Balbierer / als er siehet / daß alle Ermahnungen vergeblich / gedencket entlich / er wolle der Sachen Grund / durch scharffe Drohungen erfahren / setzt mit Gewalt dem Jungen zu; Wie aber der nur von Zeug / und dessen Zahlung reden höret /beginnet er den Possen zu mercken / fragt auch den Jungen / was es vor Zeug wäre / der erzürnet sich je länger je mehr gegen den Balbirer / nennet ihn einen Betrieger / und muste er ihm dennoch / wo nicht in der Güte / doch mit Gewalt / seine außgenommene Wahr / so er ins Hauß bracht / bezahlen. Der Jung siehet entlich / daß er nichts mit dem Balbirer schaffen kan / laufft nacher Hauß / seinem Herrn dieses zuberichten; der stellt hierauff einen Proceß mit besagtem Balbirer an / und wird entlich innen / wie mancherley Betrug unter den Menschen sich finde / und schier keinem zu trauen sey.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 363-367.
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