CLXII. Der listige Soldat.

[367] Als Franckreich unter den regiersüchtigen Meutereyen des Marschals d'Ancre sehr geplaget ward / und sich selbst durch seine eigne Säugling[367] zerschmeltzte / war zu Soisson ein braver Soldat / nahmens Auxerres / der sich in den Waffen eine geraumen Zeit geübet hatte /alß derselbe verspüret / daß besagter Marschall d'Ancre die Königl. Würde in Handen hatte / und die Fürsten Franckreichs in ihren eigenen Lande verfolgte / ließ er sich unter den Fahnen des Hn. Hertzogen Mäyenne / dessen Gedächtnüß / weilen es mit güldenen Buchstaben auff das ewige Kuppfe der Unsterblichkeit eingegraben ist / nimmermehr vernichtet / unterhalten / und ließ Auxerres sein Gemüth zum öfftern sehen. Der Hertzog von Mäyenne / welcher sich in Svisson / daselbst die Anläuff des Marck-Graffen d'Ancre abzuschlagen / begeben hatte / erkante bald in einem Anfall die Tapfferkeit dieses Soldaten. Auxerres kam niemals auß des Feindes Lager / er hätte dann zuvor gewisse Merck-Zeichen seiner Stärcke hinterlassen / aber wie die Stärcke bey einem Soldaten wenig geachtet wird / wann er nicht zugleich Klugheit darbey hat; als wolte Auxerres eine Probe thun / daß er nicht weniger in Kriegs-Listen / als in Scharmützeln geübet und erfahren wäre. Dan es begab sich nach einem starcken Außfall / da viel von des Marschalls de Ancre Volck / vornemlich von den Außländischen auff den Platz blieben waren / daß er einen seiner vertrauest Freunden zu sich nahm / und sagte /daß er ein grosses Werck im Sinne hatte / und man zu dessen Volziehung einen steiffen Muth fassen wuste. Sein Gesell / der gleicher Statur und Natur mit ihm war / hörete mit Fleiß zu / und versprach ihm / daß /so ihme sein Beystand würde angenehm seyn / er ihm gerne in seinen Anschlägen Geselschafft leisten wolte. Als nun Auxerres ihn wohlgemuth sahe / erklärete er ihm seine Meinung / daß er sich biß nacher Paris an die Pforte begeben / daselbsten einen Gefangenen wegnehmen / und eine gute[368] Rancion von ihn nehmen wolte. Nachdem solches beschlossen / begaben sie sich heimlich auß Soisson / und stelleten sich / ob wolten sie den Feind ein wenig auffwecken (dann es war die Stadt damahlen noch nicht dergestalt belägert / daß die Feinde alle Auß- und Eingänge berennet hatten) sie reiseten des Morgens frühe wolberitten von dannen und kamen durch die Arme glücklich zu Paris an. Damit aber dem Auxerres der Streich desto besser abgehen möchte / stieg er in einem der vornehmsten Gästhäuser zu Paris ab. Wie sie nun in besagtem Wirtshause ankommen / empfing sie der Wirth Isle /in Meinung / ob sie Edel-Leuthe wären / sehr freundlich / und tractirt sie auffs herrlichste / mit aller Ehrerbietung und Freundlichkeit; Also brachten sie wohl acht Tag in besagtem Wirths-Hauß zu / und wendeten viel Unkosten auff. Isle vermeinte wohl ein guth partickel ihres Geldes zu haben / er gedachte aber nicht an die Rencke / so man ihm spielen wolte / und wie er zu weilen seinen Stall besichtigte / verwunderte er sich höchlich über die schöne Pferde seiner Gäste /und war das geringste darunter wohl hundert Cronen werth. Nun trug sichs einsmahls zu / daß sie mit einander Sprach hielten / und fieng Auxerres an zu sagen / daß ihm ein Unglück zugestossen wäre und ihm das Geld dessen er ihm zu bezahlen willens gewesen /wehre auff dem Weg geraubet worden: Im übrigen aber hätte er zwey Pferde / welches von beyden er umb einen billichen Preiß nehmen / und darauff die Summ der Schuld abziehen wolte. Isle hatte bereits die Augen auff besagte Pferde geworffen / und war begierig eines von beyden zu kauffen / doch daß er ihm das Ubrige / so er ihm schüldig verbleibē würde /herauß zu geben gesinnet wäre. Der Kauff wird gemacht / Auxerres berichtet seinen Gesellen / was vor ein Stücklein er seinem Wirth[369] spielen / und wie er ihn vor die Stadt herauß locken / und nach Soisson gefänglich führen wolte. Das Werck wird so wohl getrieben / daß Isle des Kauffs mit Auxerres einig wird /und sich auff seinem Bitte zu Perd mit ihm machte /auch darauff sein Pferd zu versuchen / der St. Martins Pforten hinauß ritte. Auxerres lockete ihn / so viel möchlich vor die Stadt / und sein Gesell wandte auch möchlichsten Fleiß an / wiewoll zu Fuß damit er ihn viel weiter davon bringen und einstricken möchte. Entlichen / da sie eine halbe Meile von Paris waren /und Isle sein Pferd daselbst gleichsam spatzirungs- und Lust-Weise tummmelte / machte sich Auxerres zu ihm / zog eine Pistohl / inzwischen / daß sein Gesell das Pferdt am Zaum hielte / auß seinem Sack / setzte ihm dieselbige an die Gurgel / und erschreckte ihn dermassen / daß er schwehrlich Ahtem holē kunte /unn deßhalben / als einer / der ausser sich selbst war /fragte / was sie von ihm forderten. Auxerres gab ihm keine weitere Antwort / als daß er mit ihnen nach Soisson reisen muste. Hierauf knäbelten sie ihn / und führeten ihn auch vor den Augen der Pariser hinweg /Isle war über solcher Listigkeit gantz bestürtzet / und bildete ihm anfangs ein / als wann sie ihn hinlieffern wolten / so bald er aber verständiget ward / daß sie nichts als seine Rantzion gefodert / ward er froh / da er dann auch nach Entrichtung der Loßzahlung das Geld außzahlen ließ. Hierauf gab man ihm einen Paßzettel wieder nacher Pariß zu reisen und war daselbst von seinen Freunden ohneracht seines Verlusts / mit Freuden empfangen / weil man glaubte / daß er unterwegs umbs Leben kommen wäre.

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Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 367-370.
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