CCXXXIV. Das bezahlte Gespenst.

[530] In Paris bey der alten Müntz wohnete ein Bürger Nahmens Tremonville; der hatte einen schalckhafften Knecht Ravisio genant / dieser hatte jederzeit die Gedancken dahin gerichtet / wie er etwas aus dem Hauß entwenden möchte / ohngeacht / daß der einheimische Diebstal ein Haubt-Laster ist. Es wurden deswegen tägliche Klagen vor seinen Herrn Tremonville gebracht / welcher sich dann derentwegen zum hefftigsten beklagte / daß es auch dreymahl mit ihm so nahe stund / daß besagter Ravisio vermeinete / er muste auff seines Herrn Befehl das Hauß räumen / aber er wuste seine Sach allwegen so artig zubeschönen / daß ihm seiner That zu überzeugen / niemahls geschehen könte. Nun begab sichs / daß / als besagter Ravisio in seines Herrn Behausung wohnete / eine Persohn / so dem Herrn zugehöret / mit todt abgieng. Diese Gelegenheit nam er in acht / sich dieses Verstorbenen zum nützlichen Schein zu gebrauchen / daß er seinen Diebstahl verbergen möchte / und meinete / wann er sich zu einem Gespenst verstellet / wäre solches das beste Mittel zu seinem Zweck zu gelangen / und dergestalt grosses Guth aus dem Hause zu bringen. Damit er nun sein Vorhaben ins Werck richten möchte / gieng er auf den Gottesacker Sainct Innocents /nahm einen Todten-Kopff mit sich nacher Hauß / beneben andern Instrumenten / stund in der Mitternacht auff / und wie seine Schlaffkammer in des Hauses höchstem Gebäu war: So machte er ein schröckliches Getöß; bald[530] nahm er einen zerbrochenen Hafen / dadurch redete er gantz rauh und heiser / bald redete er gantz unbekante Worte / bald schlug er / warff / und erweckte die im Hauß waren / und hielt mit diesem Wesen über die 15 Tag an. Unter solcher Zeit überredet er den Tremonville / als ob ein Gespenst alle Nacht in seine Kammer zu ihm käme / und hätte dasselbe schon dreymahl mit ihm geredet. Sein Herr welcher solchem Vorgeben anfangs keinen Glauben beymessen wollen / hielt es entlich / nachdem er solch Gepölder gehört / vor warhafftig. Wie nun Ravisio siehet / daß man seinen Worten glauben zu stellen anfieng / und daß er denen im Hauß durch dieses lügenhaffte Vorgeben einen Schrecken eingejaget / vermeinete er / er muste solch Vornehmē vollends ins Werck setzen / umb welcher Ursach willen / als er einsmahls des Nachts abermahl ein grosses Gepölder machte /verfehlete er morgensfrühe nicht / solches seinem Herrn anzumelden / und alle Rede / so das Gespenst mit ihm gehalten / zu erzehlen / und begehre dasselbe / daß man eine Walfarth zu unserer lieben Frauen zu Liesse thun / desgleichen eine Meß zu den guten Leuten zu Chaliot singen lassen solte. Der Herr / welcher solches / was man ihm sagte / wegen dieser kürtzlich im Hauß verstorbenen Persohn / glaubete / ließ sich von Stund an durch solche Beredungen einnehmen /und das Vornehmste in dieser Sachen ist / daß Ravisio vorgab / daß der Geist wolte / daß niemand anderst diese Walfarth thäte / als er / Ravisio / in eigener Persohn. Welches Vorgeben den Tremonville bewegte / daß er ihn mit einer guten Summa Geldes außstaffirete / und so viel in Beutel gibt / als er solche Wallfarth zuthun gefordert hatte: Darauff zog er nun hin / ohngeachtet er doch nicht aus Paris kommen /machte sich mit dem Geld gute Tag / und ließ seinen Herrn unterdessen auf[531] dem Wahn / ob verrichtete er seine Wallfarth / und ließ die begehrte Meß singen. Nachdem nun Ravisio von seiner Wallfarth wieder nach Hauß gelanget / und sich mit besagtem Geld lang genug lustig gemacht / beginnet er sein voriges Bubenstück aufs neue zu gebrauchen / dann von daran hörete man / daß das Gespenst mehr Gepolter /als zuvor gemacht / die gantze Nacht durch vernahm man nichts dann Getöß / schreckliches Geschrey und abscheuliches Heulen / also / das sich jederman im Hauß hefftiger fürchtete / und je näher jemand zur Kammer / darin es also tobet / gehen wolte / je grösser Furcht man davon bekam. Hierauff war Ravisio kaum auffgestanden / daß er neue Opffer und Allmosen von Tremonville fordert / vorgebend / es habe das Gespenst ihn auff ein Neues geplagt / und dergestalt setzte er dieses fort einen Monath lang / biß er seinem Herrn zum andernmahl eine grosse Summa Gelds aus dem Beutel geschwetzt hatte: Sintemahl sein Herr Tremonville sich seines Knechts Untreu und Unschamhaftigkeit nicht versehen / und wuste er die Sach so wol zuverblümen / daß man sich nimmermehr eingebildet / daß er einen solchen Betrug hätte üben sollen. Das Geschrey von diesem Gespenst wird in der gantzen Gegend ruchtbahr / welche ungleiche Gedancken hatten / in dem etliche vermeinten / es wäre nur ein blosse Einbildung / und unmöglich / nach Aristotelis Lehr / daß ein Geist wieder komme; Andere hielten darvor / es könte wol wahr seyn / und hätte man derentwegen gnugsahme Erfahrung / so wol zu Paris / als andern Orten in diesem Königreich: Unter diesen waren viel Ungläubige / welche alles verlachten / und versprachen / sie wolten das Ungeheuer vertreiben / wann Tremonville ihnen zulassen wolte / das sie in seinem Hauß über Nacht bleiben möchten. Weil nun dieses Gespenst dem Tremonville[532] so viel Ungelegenheit gemacht / wird er / nachdem ihn das vermeinte Gespenst bereits mehr dann 100 Pistoletten gekostet / entlich bewegt / in solch Begehren zuwilligen. Nun begab sichs einsmahls / daß auff einen Abend besagte Nachbahrn zu Erfüllung ihres guten Willens /sich bey Tremonville einstellen / dessen aber ward Ravisio nicht berichtet / und wie sie sich in lustigem Gespräch aufhielten / umb zusehen / was das anfangen würde; alsobald vernahm einer das Gepolter so starck / als noch niemahls gehört worden: Solch groß Getümmel machte / daß sie sich alsobald auff die Füsse machten / gingen hinauff / wie sie vor die Cammer / darinnen sich das Ungeheuer hören ließ / kamen / war einer / der nahm von Stund an die Flucht die Stiegen hinunter / sein Gesell aber / welcher gedachte / daß man ihres Vornehmens spotten würde / wann er solches nicht biß zu End ins Werck richtete / gieng behertzt seinen Weg forth / und kam biß vor die Cammer / da vernahme er alsobald ein abscheuliches Murren und Krumsen / da stund er ein lange Zeit im Zweiffel / ob er hinein gehen / oder heraus bleiben solte / und wie er also lang zwischen Furcht und Künheit / als auff einer Wagen schwebete / ward er gewahr / daß ein Licht in der Kammer war / so bald er das innen ward / that er einen Tritt mit dem Fuß wieder die Thür / daß dieselbige aus den Kloben fiel /gieng darauf die Cammer hinein: Als er nun den Poltergeist mit einem Tuch umbgeben siehet / und wie einen Todtenkopff in der Hand hielte / wolt er wieder zurück gehen / dieweil aber niemand in dem Beth lag / gieng er auff das Gespenst zu / griff das an / welches dann zu Schreyen anfieng. Der Nachbar über seinem glücklichen Fang freudig / ruffte seinen Haußgenossen / welche sämbtlich in die Cammer gelauffen kamen / prügelten das angemaste Gespenst dermassen ab /[533] als es verdienet hatte. Tremonville / als er solches vermerckete / konte sich so bald aus Bestürtzung in die Sach nicht finden / doch ließ er ihn biß auf den andern Tag einsperren / da er dann des Morgens ins Schloß-Gefängnüß geführet ward. Es ist noch nicht lang / so hat auch dergleichen einer gespielet nechst bey der Bastille / aber so bald er mit solcher Invention 200 Pistoletten erschnappet / hat er sich / fürchtend /er möge darüber gefangen werden / alsobald aus dem Staub gemacht / und dergestalt ist er dem / so dem erstgedachten begegnet / bey Zeiten zuvor kommen.

Quelle:
Schau-Platz der Betrieger: Entworffen in vielen List- und Lustigen Welt-Händeln [...]. Hamburg, Frankfurt am Main, 1687, S. 530-534.
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