2. Die Gschicht vom Jüngsten Tag

[297] Da sein wir so alle nacheinander herglegn, wir Toten, drunter und drüber, einschichtig, paarweis, z' dritt und z' viert, und wie sich's halt troffen hat – ich weiß nit, warn's 3000 Jahr, 2000 Jahr, sechs Wochen, oder was für a Zeit war, nach meinm Versterben, die allerältesten wie die jüngsten Toten führn kein Kalender. Auf einmal is mir, als wurd blasen – aber schon wie! Du weißt noch, wie die böhmischen Musikanten bei uns warn im Ort und sein ins Gmeinwirtshaus in die klein Gaststubn kämma, wie da, sooft der kleine[297] Dicke mit der großen Blechblasen anghobn hat, die Wänd zum zittern angfangt habn, just a so war's, tief bis in die Erd hnein hat sich alls beutelt.

Na, du weißt, unsereins schindt sich gehörig, und man hat sein gsunds Stückl Schlaf. Na so denk ich mir, is dös dumm, is gwiß wieder so a Malefizball beim Wirten im Dorf unten, daß man kein Ruh hat – und will mir die Augn reibn – heilige Mutter Anna, war das a Schrocken, wie ich mir mit die dürren Beiner in die leeren Augen einifahr – und am ganzen Leib zum scheppern anfang!! – Jessas, denk ich, du bist ja vorlängst verstorbn – und hitzt dürft etwa gar schon der Jüngste Tag sein. Wann ich nur gschwind mein Hosen zum Hneinschliefen bei der Hand hätt –! So kannst doch nit unter die Leut gehn!

Ich tapp hrum, greif aber nur dort und da ein Knopf von der Hosen, in derer sie mich vorzeit beigsetzt habn, und wo ich an mich ankomm, gspür ich's deutlich, ich muß ausschaun wie der angmalne Tod an der Kirchhofmauer. Brauchst gar kein Gwandstuck, denk ich mir, hast ja eh nix Unanständigs an dir, wann dich aber nur nit der Spodiumbrenner aus der Kreisstadt derglengt, da gang's dir übel!

Ich überleg's noch, sollst hnaus oder nit? Aber es is so a Hundsmüdigkeit über mich kämma, daß ich zum tunken angfangt hab. Und wie ich mich so ausstreck, gspür ich noch, daß sich an die Beiner was ansetzt, nit anderst wie der Feuerschwamm an die Bäum.

Dann schlaf ich wieder.

Wie ich munter werd, scheint die Sonn in mein Truhen, rundum is die Erd aufgwühlt als wie von einer Million Mäus und Maulwürf; ich schau mich an, o fix hnein, da is derweil der Feuerschwamm rundum sauber nachgwachsen, ich bin a mordsauberer Bursch wordn, ich heb mich, ich guck hrum – alle Gruben sein leer! Jesses Maria, hab ich dir 'n Jüngsten Tag verschlafen ghabt.

Ich war dir ganz verzagt.

Schau in mein Grubn, sieh noch die schweren Hämmer,[298] nimm s' auf die Achsel, denk mir, gilt's oder gilt's net, schaust halt, wo du zum ewigen Leben dein Brot hernimmst; wann sie's himmlische Jerusalem bauen, werden s' wohl auch a Straßen hinführen, müßt's doch im Himmel mitm Teufel zugehn, wann's da keine Steiner zum klopfen gab!

Wie ich noch so spintisier, kommen zwei Engerln dahergflogn, fledern um mich herum. Dös war so sauber, daß ich mein guten Hamur wieder krieg und sag: »Na, ös himmlisch's Geziefer, was pfnurrts mir denn um 'n Kopf? Was wollts ös?«

Sagn s': »Hanns, du sollst zum Gottvatern kommen.«

Sag ich: »Ehnder muß ich mich doch a weng waschen und anziehn.«

Sagn s': »Dös gibt's net unter die Selign.«

Sag ich: »Dös is unscheniert: aber ös werds uns doch nit 's ewige Leben neiden, wann mir im Schmutz dersticken, was nutzt uns die ganze Seligkeit?!«

Sagn s', ich soll keine Umständ machen und mitkommen.

Einer packt meine Hammer und tragt mir s' nach, und der andere führt mich, und wir kommen zum Gottvatern.

Und wie er uns sieht, hebt der Gottvater die Hand mit den drei ausgstreckten Fingern in d' Höh, wie im Bild am Hochaltar, und sagt: »Grüß dich Gott, Hanns!«

Sag ich: »Grüß dich Gott, Gottvater!«

»No«, sagt er, »wie gfallt dir denn die aufgwärmte Welt?«

Sag ich drauf: »Lieber Gottvater, du mußt's für kein vorlaute Red nehmen, aber ich kenn mich halt eben da noch nit aus. Die frühere Welt war auch kein schlechts Stückl Arbeit – Gott bewahr –, a jeds hat was drein gfunden, was ihm gfallen hat, und die meisten habn gmeint, die Dirndl wärn dir so viel gut graten. Aber a bissel Zeit hättst dir schon lassen können – was richt eins in sechs Tägen? Es war ja kein gfriemte Sach, dö aufn Tag hätt fertig sein müssen! Ich hab mich auch nit recht mit allem abfinden können – und so tat ich dich rechtschaffen bitten, wann mir's etwa da auch wieder nit anstehn sollt, tu mir den Gfalln und mach, daß ich auch im ewigen Lebn wieder versterbn kann.«[299]

»Räsonierhannsl«, sagt der Gottvater und lacht, »tu, wie's d' willst. Ich hab's aber gleich gestern gmerkt, wie ich enk Glump aufgweckt hab, ös seids nit anderst wordn, wie 's gwesen seids; seids noch alleweil nit gscheit!«

»Mein Gott«, sag ich, »hättst uns gscheiter gmacht!«

Sagt er: »Ja, glaubst, ich hab mein Allmacht gstohln, wollts ös gar nix dazu tun? In d' tausend und tausend Jahr schau ich enk schon zu, und seids noch alleweil so dumm! Wöllts ös nit leicht a ganz andere Welt und ein ganz andern Herrgottn? Tauget grad zu euch! – He, liegt da unten nit auch noch der Gruß-Franzl und schnarcht in Jüngsten Tag hnein? Na, dem is da auch 's Grüßen verspart!«

»Lieber Gottvater«, sag ich, »dös legt der nit ab.«

»Herobn tragn wir keine Haubn«, sagt er.

»Da nimmt der ehender 'n Kopf abe, als er's sein laßt! Ich kenn ihn«, sag ich.

»Na, so sagt es der heiligen Veronika, sie soll ihm was zurichten für sein Kopf«, lacht der Gottvater. »Na, was sag ich denn, muß der nit sein Mützen habn, daß er im ewigen Lebn fortgrüßen kann, und dir muß ich wohl auch dein Pfeifen derlaubn, daß d' doch meinst, du bist es!? Was half euch die gscheiteste Welt? Jetzt mach, daß d' hnunterkommst zum Gruß-Franzl, und sag ihm, ich nehm enk nix in Übel auf, die andern, die sich's da unten meist habn wohl sein lassen, die habn freilich a leicht Auferstehn ghabt, die warn ausgschlafen, ös habts aber auf Erden schwer gearbeit! Also sag ihm, es macht nix, wann er 'n Jüngsten Tag verschlaft, und im ewign Lebn soll er auch sein himmlische Mützen habn!«


»Da wär ich recht froh«, sagte der Gruß-Franzl, »wann der Traum so ausging!«

»Warum sollt er nit? Gute Nacht!«

Der Steinklopferhanns ging seiner Wege.[300]

Quelle:
Ludwig Anzengruber: Werke in zwei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 21977, S. 297-301.
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