3.

[42] Es saß ein Kindlein im weißen Kleid,

Ein Kränzlein trug es der Herrlichkeit

Von Rosen und Lilien schön gewunden,

Solche Blumen sind nicht auf Erden erfunden;

Auch war das Kindlein schön und süß,

Als käm' es aus dem Paradies.


Und wer das liebliche Kindlein sah,

Dem wunderbarliche Lust geschah,

Als wär' er zum Himmel schon hoch erhoben

Und hörte Gott Vater von Engeln loben

Und säh' die Stern' im Jubelring

Lobpreisen den Schöpfer aller Ding'.


Wohin das liebliche Kindlein kam,

Alle Zwietracht plötzlichen Abschied nahm,

Und Liebe und Friede und stille Freude,

Als wär' es schon Himmel, erfreut' die Leute.

Das Kindlein lieb, das dies getan,

Gleich Gottes Engel all' empfahn.
[42]

Das Kind auf Erden die Unschuld heißt,

Im Himmel auch ist es hoch gepreist

Vor heiligen Mächten und hohen Thronen,

Die rings um den Höchsten im Lichte wohnen,

Steht Gott zunächst zur rechten Hand

Und wird sein Liebling dort genannt.


Denn alles Schöne geworden ist

Durch Kindereinfalt zu jeder Frist,

Die Sonnen und Monden und hellen Sterne,

Die leuchten und winken aus weiter Ferne,

Der Blumenkeim, das Menschenherz:

Drum will es alles himmelwärts.


Das Kindlein hab' ich gekonterfeit

Mit seinem Kränzlein und weißen Kleid,

Daß Glaube und Sehnsucht der ewigen Liebe

Uns brünstig zum Himmel der Freuden hübe:

Denn wer das Kindlein zu sich hält,

Dem ist das Herz gar wohl bestellt.


Besonders Kindelein fromm und zart

Und holden Mägdlein von stiller Art,

Auch helles Gespiegel den reinen Frauen

Ich habe dies Bildchen gestellt zu schauen,

Daß drin sie spat und frühe sehn

Und werden gleich der Unschuld schön.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 42-43.
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