10.

[49] Es lebt ein Geist, durch welchen alles lebt,

Durch den die Sonne kreist,

Der Blumenbusch die goldnen Köpfchen hebt,

Den Lenz der Vogel preist;


Durch den das Menschenherz, das Wunderding,

Vor eignen Wundern bebt,

Wann er es mächtig zu dem Sonnenring

In tiefster Sehnsucht hebt.


O Geist der Geister, knieend bet' ich an,

Was keine Zunge spricht;

Zieh, ew'ges Licht, den kleinen Funken an,

Er will zu deinem Licht.


Er floß vom sel'gen Götterlande aus

Herab zur Erdenflur

Und sehnt sich ewig nach dem Sonnenhaus,

Nach himmlischer Natur.


O Geist der Geister, trage mich empor!

Und mache ganz mich dein!

Es ist mein Vaterland, was ich verlor:

Der Himmel ist ja mein.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 49.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Gedichte