Mein Lichtlein

[190] 1818.


Der Alte, der die Sterne hält

In gleichen festen Bahnen

Und jedes Tröpflein senkt und schwellt

In tiefsten Ozeanen,

Der alte Meister droben hat

Ein Lichtlein mir gegeben,

Das mir erhellt den dunklen Pfad

Im irrwischvollen Leben.


Ihr fraget, wie das Lichtlein heißt,

Das süße Kind der Sterne,

Das stets die rechten Pfade weist

Auch in die fernste Ferne?

Ich weiß es nicht, ich kann es nicht

Mit Menschensprache künden,

Auch halt' ich's nicht und seh' ich's nicht

Und kann den Weg doch finden.


Es haben's viele wohl genannt

In Liedern und mit Zungen,[190]

Doch unerklärt und unbekannt

Wird's immer noch geklungen.

Drum selig, wer es still bewahrt

In tiefsten Busens Höhlen!

Des Lichtleins Art ist stille Art

Und liebt die stillen Seelen.


Doch bitt' ich den, der's Lichtlein gab,

Den Alten in den Höhen,

Er wolle vor mir bis ans Grab

Sein Flämmchen lassen wehen,

Daß mutiglich und ritterlich

Ich durch das Dunkel strebe

Und fröhlich von der Erde mich

Zum Licht der Lichter hebe.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 190-191.
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