Alterswehmut

[280] 1849.


O Erde, Land der Träume,

O Erde, Land des Trugs,

Willst in die hellern Räume

Die Flügel meines Flugs

Mir dunkeln stets und kürzen?

In deines Jammers Staub

Mich elend niederstürzen

In Jagd nach schlechtem Raub?


Es soll dir nicht gelingen,

Ich habe meinen Hort,

Der trägt auf Feuerschwingen

Mich durch die Himmel fort;

Ich habe meinen Meister,

Der Held und König ist –

Er ist der Fürst der Geister

Und heißet Jesus Christ.


Er stieg vom Himmel nieder

Auf unsre Erdenau'n,

Damit die Menschen wieder

Nach oben könnten schaun,[280]

Damit die armen Wichte,

Von Wahn und Trug umstrickt,

Aufschauten nach dem Lichte,

Woraus die Gottheit blickt.


O König aller Liebe,

O Glanz des höchsten Lichts,

Wenn mir auch gar nichts bliebe,

Gar nichts in diesem Nichts,

Worum die Welt sich reißet,

Du bleibst mein Held und Hort,

Und was auch reißt und spleißet,

Nichts reißt von dir mich fort.


So mag denn alles schweben

Im Wechsel hin und her,

Mir ist hinfort gegeben,

Was wechselt nimmermehr:

O Liebe, Licht und Leben!

O süßer Gottesheld!

Du, du bist mir gegeben

Was frag' ich nach der Welt?

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 280-281.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Gedichte