Gott hält die Wacht

[299] 1856.


Warum betrübst du dich so sehr,

O Menschenherz, und sinkst im Meer

Des tiefsten Erdenjammers unter?

Schau' auf und werde frisch und munter,

Schau' auf zu Gottes Lieb' und Macht:

Er ist dein Gott, er hält die Wacht.


Auf! Aus dem bangen Erdenleid!

Auf! Aus der feigen Zeitlichkeit!

Weg mit dem Grübeln, Sorgen, Grämen

Um eitel Schatten, Scheine, Schemen!

Blick' auf! Gib auf die Höhen acht!

Dort waltet Gott und hält die Wacht.


Blick' auf! Gab er dir nicht den Geist,

Der mutig hin nach oben weist,

Zum Lichte hinweist aus dem Dunkeln,

Wo hellere Sterne selig funkeln?

Blick' auf zu dem, der dich gemacht!

Er ist dein Gott und hält die Wacht.


Zu ihm blick' auf, zu seinem Sohn,

Der niederstieg vom Himmelsthron,

Erschien, ein milder Stern der Gnaden,

Zu heilen deinen Seelenschaden;

Auf deinen Liebesstern gib acht:

Er und der Vater halten Wacht.


Drum auf! Aus kurzer Zeitlichkeit

Schau' auf zur langen Ewigkeit,

Schau' aus dem trüben Erdgewimmel

Empor in deinen lichten Himmel,

Schau' auf zur Weisheit, Lieb' und Macht,

Die halten ewig treue Wacht.

Quelle:
Ernst Moritz Arndt: Werke. Teil 1: Gedichte, Berlin u.a. 1912, S. 299-300.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Gedichte