3. Variazion

[378] Frische Liedlein.


Aus hartem Weh, klagt sich ein Held,

In strenger Hut verborgen:

»Ich wünsch ihr Heil, die mir gefällt,

Komm schier löß mich aus Sorgen,

O weiblich Bild, wie schläfst so lang,

Willst du die Klag nicht hören,

Laß dich erwecken mein Gesang,

Schick dich zu Liebes Anefang,

Dein Lieb will mich bethören.«


Ein freier Wächter hört die Mähr,

Lag still an seiner Zinnen,

Er fragt, wer hier verborgen wär,

So hart nach Lieb thät ringen:

»Ey komm her Held, willt mir vertraun,

Dein Klag hilf ich dir decken,

Sehnst dich so hart nach meiner Frau,

Ohn Zweifel sollst du auf mich baun,

Freundlich will ichs auferwecken.«


»Mein Trauen gänzlich zu dir setz,

Wächter, o freyer Geselle!

Mein Kleid laß ich dir hie zuletz,[378]

Mach uns kein Ungefälle:

Geh hübschlich dar, nimm dir der Weil,

Laß auch dein Gespan nicht merken,

Die Thürmer sehn aus Langeweil,

Schau daß dich keiner übereil.

Zu Hoffnung thu mich stärken.«


»Wach auf, herzallerliebste Frau,

Hört jämmerlichen Schmerzen,

Es singt ein Held vor grüner Au,

Fürwahr thu ich nicht scherzen.

Legt an Euer Wad, besorgt Euch nicht,

Euch soll nichts wiederfahren,

Merkt eben dem zu sein Gedicht,

Wie ihn ein Liebe aneficht,

Euer Liebe thut selbst bewahren.«


Der Held hub an zum drittenmal,

Groß Freud thät er da nehmen,

Er nahet zu des Herren Saal,

Dabey sie sollt erkennen,

Daß er ihr treuer Diener wär,

Sollt Gesellschaft mit ihm pflegen:

»Ach Wächter, ich hör gute Mähr!

An deiner Red spür ich kein Gefähr,

Schweig still, b'hüt uns vor Sorgen.«


Die Frau den Held gar schön empfing,

Küßt ihn an seinem Munde,

Zu rechter Lieb er mit ihr gunt,

Macht ihr viel Freud und Wonne,

Der Wächter sprach: »Nun lieget still,

Kein Sorgen thut Euch nahen,[379]

Fürwahr ich Euch des Tages Ziel,

Mit ganzen Treuen nennen will,

Ich will Euch nicht verführen.«


Sie lagen lang in großer Lust,

Ihr Freud thät sich nur mehren,

Er griff ihr lieblich an ihr Brust:

»Thu dich zu mir herkehren.«

»Ich hör Antwort, der Wächter schreit,

Daß wir uns müssen scheiden,

Es nahet warlich, nach der Zeit,

Daß ich von dir muß in die Weit,

In Schwarz will ich mich kleiden.«


Der Wächter sah am Firmament,

Daß sich die Nacht wollt enden:

»Ein scharfer Wind von Orient,

Thut uns den Tag hersenden,

Die Hähnlein krähen auf dem Hag,

Die Hündlein wollen jagen,

Die Nachtigal sizt auf dem Zweig

Singt uns eine süße Melodei,

Steht auf es will nun Tagen.«


Aus süßem Schlaf da ward erweckt,

Ein Fräulein minniglichen:

»Ach wie so sehr hat mich erschreckt,

Ein Wunder tugendlichen,

Der Ehren Gunst, der Liebe Kunst,

Die Stern sind abgewichen,

Nun scheid von mir, mein höchster Hort,

Red' vor mit mir ein freundlich Wort,

Der Tag hat uns erschlichen.«[380]


»Ach und auch Weh, klagt sich ein Held,

Wie soll ichs überwinden;

Dazu noch wie einm schönen Weib,

Ich muß den Tag verkünden.«

Gar sehr erschrack die Auserwählt,

Nahm Urlaub von dem Reinen,

Ihr Herz hat sich zu ihm gesellt,

Das Fräulein thät vor ihrem Held,

Gar heftiglichen weinen.


»Gesegn dich Gott der uns beschuf,«

Redt es die schöne Fraue:

»Nach dir steht mir mein täglich Ruf,

Behüt dich Gott vor Leide.

Und spar mich zu dein Wiederfahrt,

Laß dich darmit nichts merken,

Dein Scheiden kränkt mich also hart,

Ich fürcht es wird gestiftet Mord,

Die Lieb läst sich nicht decken.«


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 1, Stuttgart u.a. 1979, S. 378-381.
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