Vom Buchsbaum und vom Felbinger

[35] Felbinger so viel als Buche.

Altes Blat. Straßburg bei Jakob Frölich.


Nun wollt ihr hören neue Mähr

Vom Buchsbaum und vom Felbinger,

Sie zogen mit einander über Feld,

Und kriegten wider einander.[35]


Der Buchsbaum sprach: Bin ich so kühn,

Ich bleibe Sommer und Winter grün,

Das thust du leidiger Felbinger nit,

Du verlierst dein beste Zweige.

Felbinger wie gefällt dir das?


Der Felbinger sprach: Bin ich so fein,

Aus mir macht man die lange Zäun,

Wohl um das Korn und um den Wein,

Davon wir uns ernähren.

Buchsbaum wie gefällt dir das?


Der Buchsbaum sprach: Bin ich so fein,

Aus mir macht man die Kränzelein,

Mich trägt auch manch schöns Jungfräulein,

Mit Freuden zu dem Tanze.

Felbinger, wie gefällt dir das?


Der Felbinger sprach: Bin ich so fein,

Aus mir macht man die Mülterlein,

Mich trägt manch schöne Jungfraue

Dem Metzger unter die Bänke.

Buchsbaum wie gefällt dir das?


Der Buchsbaum sprach: Bin ich so fein,

Aus mir macht man die Löffelein,

Mit Silber und rothem Gold beschlagen,

Thät mich für die besten tragen.

Felbinger wie gefällt dir das?


Der Felbinger sprach: Bin ich so fein,

Aus mir macht man die Fässelein,

In mich thut man den besten Wein,[36]

Roth, Welsch und Malvasier.

Buchsbaum wie gefällt dir das?


Der Buchsbaum sprach: Bin ich so fein,

Aus mir macht man die Becherlein,

Aus mir trinkt manch schön Jungfräulein

Mit ihrem rothen Munde.

Felbinger wie gefällt dir das?


Der Felbinger sprach: Bin ich so fein,

Aus mir macht man die Sättelein,

Auf mir reit mancher gute Gesell,

Wohl durch den grünen Walde.

Buchsbaum wie gefällt dir das?


Der Buchsbaum sprach: Bin ich so fein,

Aus mir macht man die Pfeiffelein,

Auf mir pfeift mancher gute Gesell,

Im Feld wohl in den Kriegen,

Felbinger wie gefällt dir das?


Der Felbinger sprach: Bin ich so drat,

Ich steh dort mitten in der Matt,

Und halt ob einem Brünnlein kalt,

Daraus zwei Herzlieb trinken.

Buchsbaum wie gefällt dir das?


Der Buchsbaum sprach: Bist du so gerecht,

So bist du mein Herr, und ich dein Knecht,

Der Sach geb ich dir alles Recht,

Das Spiel hast du gewonnen. –

Leser, wie gefällt dir das?[37]


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 2, Stuttgart u.a. 1979, S. 35-38.
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