Wo's schneiet rothe Rosen, da regnet's Thränen drein

[218] Mündlich.


Wohl heute noch und Morgen,

Da bleibe ich bei dir;

Wenn aber kömmt der dritte Tag,

So muß ich fort von hier.


Wann kömmst du aber wieder,

Herzallerliebster mein;

Und brichst die rothen Rosen,

Und trinkst den kühlen Wein?


Wenns schneiet rothe Rosen,

Wenns regnet kühlen Wein;

So lang sollst du noch harren,

Herzallerliebste mein.


Ging sie ins Vaters Gärtelein,

Legt nieder sich, schlief ein;[218]

Da träumet ihr ein Träumelein,

Wies regnet kühlen Wein.


Und als sie da erwachte,

Da war es lauter Nichts;

Da blühten wohl die Rosen,

Und blühten über sie.


Ein Haus thät sie sich bauen,

Von lauter grünem Klee;

Thät aus zum Himmel schauen,

Wohl nach dem Rosenschnee.


Mit gelb Wachs thät sies decken,

Mit gelber Lilie rein,

Daß sie sich könnt verstecken,

Wenns regnet kühlen Wein.


Und als das Haus gebauet war,

Trank sie den Herrgotts Wein,

Ein Rosenkränzlein in der Hand,

Schlief sie darinnen ein.


Der Knabe kehrt zurücke,

Geht zu dem Garten ein,

Trägt einen Kranz von Rosen,

Und einen Becher Wein.


Hat mit dem Fuß gestoßen

Wohl an das Hügelein,

Er fiel, da schneit' es Rosen,

Da regnets kühlen Wein.[219]

Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 2, Stuttgart u.a. 1979, S. 218-220.
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