An den Meistbiethenden gegen gleich baare Bezahlung

[409] Lieber Schatz, wohl nimmerdar,

Will ich von dir scheiden,

Kannst du mir aus deinem Haar

Spinnen klare Seiden.


Soll ich dir aus meinem Haar

Spinnen klare Seiden,

Sollst du mir von Lindenlaub

Ein neu Hemdlein schneiden.


Soll ich dir aus Lindenlaub

Ein neu Hemdlein schneiden,

Mußt du mir vom Krebselein

Ein paar Scheeren leihen.


Soll ich dir vom Krebselein

Ein paar Scheeren leihen,

Mußt du tausend Krebselein

Durch den Neckar treiben.


Soll ich tausend Krebselein

Durch den Neckar treiben,

Mußt du mir die Schrittlein zählen,

Die die Krebslein schreiten.


Soll ich dir die Schrittlein zählen,

Die die Krebslein schreiten,

Mußt du mir die Brücke schlagen

Von einem kleinen Reise.[409]


Soll ich dir die Brücke schlagen

Von einem kleinen Reise,

Mußt du mir den Siebenstern

Am hellen Mittag weisen.


Soll ich dir den Siebenstern

Am hellen Mittag weisen,

Mußt du auf den Münsterthurm

Mit mir zu Pferd auch reiten.


Soll ich auf den Münsterthurm

Mit dir zu Pferd auch reiten,

Mußt du mir die Spornen machen,

Wohl von dem glatten Eise.


Soll ich dir die Spornen machen,

Wohl von dem glatten Eise,

Mußt du sie an die Füße schlagen,

Am heißen Sonnenscheine.


Soll ich sie an die Füße legen

Am heißen Sonnenscheine,

Mußt du mir eine Peitsche drehen

Von Wasser und von Weine.


Soll ich dir eine Peitsche drehen,

Von Wasser und von Weine,

Mußt du mir den Riesenstein

Zu klarem Staube reiben.


Soll ich dir den Riesenstein

Zu klarem Staube reiben,

Mußt du mir den Apfel roth

Wohl um die Welt rum treiben.[410]


Soll ich dir den Apfel roth

Wohl um die Welt rum treiben,

Mußt du ziehen übers Meer,

Und doch auch bei mir bleiben.


Soll ich ziehen übers Meer,

Und doch auch bei dir bleiben,

Mußt du deine Mutter geben

Als Jungfrau mir zum Weibe.


Soll ich meine Mutter geben

Als Jungfrau dir zum Weibe,

Lieber will ich dir ein Kindlein geben,

Und keine Jungfrau bleiben.


Quelle:
Achim von Arnim und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Band 2, Stuttgart u.a. 1979, S. 409-411.
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