Zehnter Auftritt.

[109] Straße vor Olympiens Hause. Cardenio und Pamphilio. Viele Hochzeitgäste gehen ins Haus, das hell erleuchtet glänzet.


CARDENIO stößt einen der Gäste um. Geh aus dem Wege.

GAST. Das schien mir doch ein wenig impoli. Ab.

PAMPHILIO. Du bist verzerrt, gräßlich, der Reichthum deines Lebens ist versieget, in der trocknen Hitze deines Unglücks, ich selber fürchte mich vor dir.

CARDENIO. Es wird bald schlimmer werden, gieb mich nur auf, verlaß mich bald. Schon fühl ich eine lächerliche Neigung Feuer anzulegen oder Feuer auszurufen, das glanzerfüllte Hochzeithaus brennt fürchterlich in meinen Augen und blendet aus das schwache Lichtlein der Vernunft.

PAMPHILIO. Du mußt bald fort von hier nothwendig ist es dir, wenn auch des Philosophen Tod dir nicht kann zugerechnet werden, des Spielers Tod verheimlicht bleibt; der Streich mit Nathan macht zu vielen Lärm, der Nathan ist der beste Freund von dem Minister, gewissermaßen hilft er ihm regieren, der Streich kann dir nicht gut bekommen.

CARDENIO. Wer spricht von gut bekommen, einem, der zum Sterben krank. Hat nicht der Jude mit dem einen Worte: Lysander werde heut Olympien vermählt, mein Daseyn aus den Wurzeln fortgerissen[110] und in den Strom gestürzt, was sind dagegen ihm die tausend Thaler, wovon ich ihn erlöst, dies Galgenmännlein, der Dukaten stolze Zierde wird mich genug verführen und zerquälen bis ich es wieder los. Zu einem Gaste. Wohin so schön geputzt?

GAST. Bin ich euch Antwort schuldig.

CARDENIO. Beim Himmel ja.

GAST. Wir gehen zu Lysanders und Olympiens Hochzeit. Ab.

CARDENIO. Da hörst du wohl, wie ohne Scheu der Schuft das spricht, als gings mich gar nichts an. Als mirs der Jude heute Morgen zum erstenmal gesagt, da stand ich vor ihm, wie versteinert, mein Herz stand in mir still, – wie geronnene Eiszapfen sahen die Lichtstrahlen in das Zimmer, alles war mir rings so still, und in meinen Ohren trieb es brausend, als wenn tief im Höllenschlunde frische Kohlen angeschüret, weil ein frischer Brand von Teufeln eben sollte fertig werden. Bei Gott, ich nahm das Geld in jenem Augenblick nur des Skandales wegen fort, in jenem Augenblick hätt ich mein Hemde weggegeben um recht Skandal zu geben, in jenem Augenblick hätt ich ein altes Weib heirathen mögen, um recht Skandal zu geben, in jenem Augenblick hätt ich Olympien auf meinem Tische gern anatomirt, ihr Herz mit buntem Wachse ausgespritzt, blos des Skandales wegen. Die hab ich geliebt, geliebt, nun lieb ich nimmermehr.[111]

PAMPHILIO. Wie unbegreiflich, gestern hast du sie stolz ausgeschlagen.

CARDENIO. Sei still, mach mich nicht rasend. Seit jenem Augenblick kann ich nicht weinen, vergebens netze ich mit einem Ozean von Wein die Kehle, kein Tropfen tritt mir in die trocknen Augen, in die ein Giftpilz seinen dürren Staub zerstreut. Bald sollen bei dem Spiel, das du mir hast bereitet, meine Thränen fließen, wozu kann ich mein Elend weiter brauchen, als selber mich damit zu rühren; ich will mich rühren, und betrüben über mich, daß alle Steine Wasser schwitzen, ich werde den verschmähten Prinzen trefflich sprechen lassen.


Von der einen Seite laufen die Juden mit einem Sarge vorbei, von der andern kommen die Soldaten mit einem Trauermarsche und tragen den Sarg des Hauptmanns Volte, durch dieses Zusammentreffen stockt der Zug.


PAMPHILIO. Ihr Herren, welche Leiche ist denn das?

EINER. Der Hauptmann Volte, der in der letzten Nacht im schwarzen Keller ist erstochen.

CARDENIO. Gottlob ein Schurke wen'ger in der Welt, ich glaub er schlägt dem Teufel noch die Volte und sprengt des Himmels Bank. Wer wird denn hier getragen, edle Juden.

AHASVERUS. Der reiche Nathan, er ist an tausend[112] Thalern heut verstorben, die er im Trunke ohne Sicherheit verliehn.

CARDENIO. Der Teufel hat die Seele um sehr bill'gen Preis.

AHASVERUS. Ist keine Reu in eurem Herzen, ich kenn euch wohl, denn euer Name steht bei jenem Scheine.

CARDENIO. Du kennst mich, gut, so kenn mich ganz. Wer möchte nicht einen Fuß noch vor den andern setzen, sollt man für alle Folgen stehn, ich habe nicht die Welt geschaffen, ich leb darauf, so viel ich kann und bin ich Eisen, sag, wie kann ich's hindern, daß mich die Welt nicht schnell zum Richtschwert schmiede da ihr der Richter fehlt.

AHASVERUS. Hat euch die Liebe nie gemildert.

CARDENIO. Zum Ehering, da nimmt man Gold, so Grafengold, Lysander-Gold, das liegt im Sand, wird mühsam ausgefischt, ich raub mit einem Schlag was mein. Und doch wie weh ist mir, daß ich so groß Gelüsten habe Gold zu sein.

AHASVERUS. Und glaubst du nicht an die Verwandlung der Metalle?

CARDENIO. Das Geld ist ein Gespenst, das Eisen lebt in unsrer Zeit, kannst du der Vorzeit Geister nicht beschwören, so kannst du wahrlich nicht zu meinem Urquell mich so rückwärts aufwärts leiten, daß ich dies harte widerspenstge Wesen in mir tausche.[113]

AHASVERUS. Ich sage dir, wo eine Feuerseele in der Demuth bleibt, und von der Liebe eine Speise zu ihrem Brunnen einziehen will, da ist ein Engel Gottes gleich bereit, zu streiten mit dem feurig wilden Drachen der Eigenheit, er lebet abgeschieden, müßig und nähret so die heilge Kraft.

CARDENIO. Du greifst unmenschlich mir ins Herz, doch könnte wohl ein Tag noch kommen, wo ich dich wieder hören möchte, wo werd ich dich dann finden, heut braust mir's vor den Ohren.

AHASVERUS. Wenn du mich brauchst, so wirst du mich auch finden; sieh her, woran du mich noch kennen kannst, denn viele gleichen mir, sieh dieses Zeichen meines Bartes recht, der, halbgeblichen in fremder Zone, doch an den Spitzen wieder schwarz ausstrebt.

PAMPHILIO. Ein blauer Fuchs am Bauche so erscheint.

CARDENIO. Sei denn ein Fuchs, weil du nichts größres thust, als sagst; für heut verwunderst du mich nicht, vergebens sprichst du heut zu mir, kannst du nicht eines mir verkünden, ob ich natürlich sterben werde?

AHASVERUS. Ein jeder stirbt in der Natur, worin er hat gelebt.

CARDENIO. So lauf zu der Natur, die dir die[114] Beine gab. Ahasverus eilt ab. Ganz finster wirds in mir, was soll der Plunder angespielter Leuchtgewürme.


Er zerschlägt die Laterne.


PAMPHILIO. Ich bitte dich, halt ein, die Häscher eilen schon herbei, du wirst jetzt grausam.

CARDENIO. Ich werde lustig nur, vor Liebchens Haus. Da brennt noch so ein schön Laternchen.


Er schlägt's ein.


PAMPHILIO. Zum Teufel, eben schlug ein Springstock mir an's Bein.

DIE HÄSCHER. Ihr Herren Platz, wer hat hier eingeschlagen die Laternen?

CARDENIO. Da läuft er noch, es schien ein alter Jude und halbverrück.

DIE HÄSCHER. Das ist erschrecklich, die Juden werden jetzt recht vornehm auch, bleibt nur zusammen Leute, der Kerl scheint mir viel zu schnell, den kriegen wir nicht mehr, wir haben uns doch brav gehalten heut, wir wollen hier zur Wache bleiben bei der Hochzeit.

CARDENIO. Ich hab mich ausgetobt Pamphilio, jetzt bin ich ruhig wie nach einem Aderlaß, nun laß uns denken an das Maskenspiel.

PAMPHILIO. Ich sag dir, die Gevatterin bringt alle Kleider her, doch hab ich wenig Lust dazu, ich wäre lieber weit davon, ich glaub, ich hab das Fieber von dem Spaße gestern.[115]

CARDENIO. Ich hab ein doppelt Fieber, und das hindert nichts.

GEVATTERIN kommt mit einem großen Pakete. Ihr macht's mir heute auch gewaltig sauer.

PAMPHILIO. Wie sauer hast du uns die Kirschen oft gegeben.

GEVATTERIN. Nun ziehet euch die Maskenkleider an.

PAMPHILIO. Wird sich's auch schicken?

GEVATTERIN. Du Narr! Hab alte Leute nicht zum Besten.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 109-116.
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