Eilfter Auftritt.

[116] Saal im Hause Virens, prachtvoll erleuchtet, eine schön geschmückte Gesellschaft erfüllt ihn, in deren Mitte Olympie und Lysander vor dem Prediger stehen, der die Trauung vollzieht.


PREDIGER. Gott schuf den Mann sich selber als ein Bild. Der Mann erschuf die Frau sich selber als ein Bild, und wie sich Gott verhält zum Mann, also verhält sich auch der Mann zur Frau, der Mann ist unterthan dem Gotte, die Frau dem Manne, dann werden sie mit ihres Leibesfruchtbarkeit die Erde füllen und mit des Geistes Erfindsamkeit auf Erden herrschen über alle. Herr Graf Lysander, Sie stehen hier vor Gottes Angesicht, ich frag Sie feierlich ob Sie Fräulein Olympien nach diesem ewgen Wesen ehelichen Lebens beschützen und beherrschen wollen, wie Gott Sie selber schützet und beherrscht?[116]

LYSANDER. Was ich vermag, das ist ihr alles eigen.

PREDIGER. Mein Fräulein wollen Sie dem Grafen unterthänig sein?

OLYMPIE. Ja.

PREDIGER. Der Ring ist in der christlichen Gemeine ein Zeichen heilger ehelicher Verbindung, so wechseln Sie denn auch die Ringe. Sie wechseln die Ringe. Was Gott zusammengefügt, das soll der Mensch nicht scheiden. Sie knien nieder und er segnet sie still ein. Amen.

DIE VERSAMMLUNG singt.

Alle Engel und Himmelsheer

Und was dienet Gottes Ehr,

Auch Cherubim und Seraphim

Singen immer mit hoher Stimm:

Heilig ist unser Gott,

Der Herr Zebaoth!

Behüt uns heut, o theurer Gott,

Vor aller Sünd und Missethat,

Auf dich hoffen wir lieber Herr,

Zu Schanden mach uns nimmermehr.


Stille Glückwünschungen.


EINE ALTE FRAU zum Prediger. Ei, Herr Gevatter, was haben Sie uns heute für eine falsche Lehre vorgetragen, und haben dann die wahre alte von dem Sündenfalle ganz vergessen.

PREDIGER. Die neue Lehre ist mir eigen und keiner hat sie noch bisher verstanden.

EINE ALTE FRAU. Du lieber Gott, jetzt will[117] gar jeder seinen eignen Glauben haben, sonst wollte jeder, daß sein Glaube allen sei und segnete damit das Volk.

PREDIGER. Das wird nun alles anders, wir werden neu organisiert, sie müssen sich drein finden.

EINE ALTE FRAU. Bewahr mich Gott, ich find mich nicht in diesen neuen Glauben, ich will den alten haben.

PREDIGER. So haben Sie ihn, ganz für sich allein, es will ihn keiner weiter.

HALLOREN treten auf in ihren feierlichen Röcken mit silbernen Knöpfen, kleine dreieckige Hüte in den Händen, geschorne Köpfe, sie singen eins ihrer alten Lieder.

Ein Magd ist weiß und schöne

Dort auf den grünen Auen,

Geht jungfräulich bei Frauen,

Gott sieht vom Himmelsthrone,

Glück zu mein edler Zweig!


Gott schuf wohl Erd und Himmel,

Er ist so stark von Kräften,

Von meisterlichen Geschäften,

Schwang sich in ihren Willen,

Schwang sich in ihren Schooß.

PREDIGER. Ihr guten Leute still, stört nicht die Feier dieses Tages mit ungeschicktem alten Liede.

EIN HALLOR. Nun sieh mal den an, gelt das ist ein – Prediger. – Hör Schwager, kommst du mir wieder so, du kriegst mal eins auf die Hutkrempe.[118]

PREDIGER. Ihr seid ein ungeschliffnes Volk.

LYSANDER. Ihr Herren Frieden, es ist ja alles gut gemeint, Herr Prediger. Ich dank euch herzlich gute Freunde für den Gruß, ich danke euch, daß ihr mein Hochzeitfest mit eurer Gegenwart beehrt, und wie ihr mir im Flusse oftmals sorglich nachgesehn, wo ich recht lustig fortgeschwommen, so auch blicket noch auf mich im Ehestand, den ich mit schöner Hoffnung heut begonnen. Versteht ihr mich Freund Andres.

HALLORE. Es muß doch och was heesen.

LYSANDER. Versteht ihr euch wohl auf ein hübsch Gesicht, so schauet meine liebe Frau hier an.

HALLOR. So ene ward nicht bei uns groß.

LYSANDER. Das glaub ich. Liebe Frau, du wirst so roth, daß ich dich Frau genannt, du konntest auch den Ring nicht gleich vom Finger ziehen, so warest du bewegt, kannst du wohl sagen lieber oder guter oder böser Mann zu mir? Ich wette gleich, du kannst es nicht.

OLYMPIE. Je lieber Mann, ich war gerührt und bin es noch, nicht durch des Herren Pred'gers halbverstandne Worte, es war nur meine Schuld, ich weiß es wohl, daß ich ihn nicht verstanden, denn was mich rührte, hat mich auch zerstreut, es war das Schluchsen aller ältern Frauen rings im Kreise. Ich kannte sie doch sonst so scheinbar glücklich alle, doch schien da ein verschwiegnes Wehe, das auf dem Ehstand[119] ruht, gewaltsam sich im Augenblicke jedes neuen Opfers Luft zu machen, und auch nachher dann thaten sie so gegen mich, als dächten sie noch stets in tiefer Sehnsucht ihrer Unschuld Spiele und Vergnügen. Was ist für Schuld beim Ehestand Herr Prediger?

PREDIGER. O gnädge Gräfin, trüben sie nicht diesen Tag mit Nachgedanken.

OLYMPIE. Ich weiß nichts Würdigers, womit ich ihn beschäftgen könnte, als mit Gedanken, wozu er mich bestimmt.

PREDIGER. Nun, wenn Sie so befehlen, die Unschuld ist ein altes Märchen aus der Fabelzeit, wo Gott noch mit den Menschen, wie mit Kindern spielte, im Gleichniß sich verlor, in bunten Bildern sich noch offenbarte.

OLYMPIE. Warum ist diese Zeit denn aus, ich fühl mich durch und durch noch kindisch, gar um nichts, um gar nichts weiser, als in meinen frühern Jahren. Nun sagen Sie, was ist denn diese Schuld des Ehestandes?

PREDIGER. Verzeihen Sie, es würde gar nicht schicklich sein, wenn ich als Geistlicher in der Versammlung Ihnen dieses deutlich machen wollte.


Er wendet sich ab.


OLYMPIE. Der Mann ist wunderlich, er sah mich an, als schämt er sich in meinem Namen, was hab ich denn Unschickliches gesagt?[120]

LYSANDER. Er hat dich nicht verstanden, sei zufrieden, wenn du die Unschuld nun bewahrst als Frau, wie du sie dir als Mädchen hast erhalten, auch ich werd meine Schuld in deiner Näh vergessen lernen und deiner Unschuld würdig werden. O gieb mir einen Kuß, es ist uns jetzt erlaubt. Sie küssen sich. Sag, wem gehörte dieser Kuß, er schien von meinen Lippen auszuschweben?

OLYMPIE. Ich geb dem Himmel, was ihm angehört, er hat uns heut verbunden.

VIREN tritt hinzu. Nun das erfreut mich, lieben Leute, daß ich euch hier so herzlich sehe, daß ihr euch nicht so ziert, wie andre junge Eheleute, so lange noch die Hochzeitgäste gegenwärtig, das hätt ich nicht von dir erwartet, Schwester, sonst warst du doch sehr überspannt.

OLYMPIE. Du kennst mich wenig, lieber Bruder, wie du hieraus auch sehen kannst, vielleicht gönnt uns die künftge Zeit mehr Muße, wo wir in Ruhe bei einander hausen können.

VIREN. Recht schön, das soll geschehen, doch kommt zum Vormahl jetzt, damit ich weiß, ob ihr zufrieden seid mit dem, was ich an Essen, Trinken angeordnet. Auch warten draußen Maskenspiele unserer Bekannten auf die Ruhe, die der Gesellschaft nun das Kauen giebt.

OLYMPIE. Gewiß ist alles gut von dir geordnet,[121] doch wenns zu meiden ist, erlasse mir das Maskenspiel, seit gestern Abend mag ich keins mehr leiden.

LYSANDER. Der böse Abend gestern!

VIREN. Nein liebe Schwester, jetzt kann ich sie nicht ohne Grobheit mehr von hier verweisen, es ist Gewohnheit, der gute Wille ist in unsrer Zeit zu achten, auch kennt sich die Gesellschaft wenig und in den Feierkleidern wird die Unterhaltung leichtlich steif; solch Spiel giebt jedem die Erlaubniß ohne dumm zu scheinen, still zu schweigen, es unterdrückt die alten abgelebten Hochzeitspäße.

OLYMPIE. Ja lieber Bruder, wenn das nützlich wäre, die alten Spaße so zu unterdrücken, die überlästig wie die Fliegen, doch immer wieder zu uns kehren, da wollt ich meine Furcht vor Maskenspielen leicht bezwingen.

LYSANDER. Wer wartet denn mit einem Maskenspiele auf?

VIREN. Ja das ist eben das Geheimniß jedes mal – gewiß kann ichs nicht sagen, doch mein ich stark, es ist der Hauptmann Lumper.

LYSANDER. Mein sehr vertrauter Freund, so etwas hat er stets im Kopfe, es macht ihn auf acht Tage glücklich, wir müssens über uns ergehen lassen.

OLYMPIE. Dein Wille ist mir Freude.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämmtliche Werke. Band 16, Berlin 1846, S. 116-122.
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